Begeistern statt führen
Interview mit Janina Erens, Expertin für Personalentwicklung und duale Ausbildung
Wie steht es um die Fachkräfte in unserer Branche? Wie mache ich mich für Recruiter sichtbar? Und wie schaffe ich es, gute Mitarbeiter nicht nur zu gewinnen, sondern sie auch langfristig zu halten? Diese und weitere Fragen haben wir Janina Erens gestellt. Die Fitnessökonomin ist an der IST-Hochschule und am IST-Studieninstitut im Fachbereich Fitness für Marketing und Vertrieb zuständig.
body LIFE: Wie ist Ihre Einschätzung zum aktuellen Thema „Fachkräftemangel“ in unserer Branche?
Janina Erens: Fehlendes Fachpersonal stellt zahlreiche Unternehmen der Fitness- und Gesundheitsbranche vor personelle und wirtschaftliche Herausforderungen. Nicht selten steht der Chef selbst „an der Front“, um Engpässe in der Personaldecke auszugleichen. Mitarbeiter müssen oft zusätzliche Aufgaben übernehmen, was schnell zu Überlastung und einer sinkenden Arbeitszufriedenheit führen kann. Die Gründe für unbesetzte Stellen sind dabei vielschichtig und die Lösungen für die Betriebe nicht klar erkennbar.
Ich sehe besonders zwei Herausforderungen: Zum einen geht es um die Beschaffung der Fachkräfte selbst, die schwieriger geworden ist, weil es heutzutage viele verschiedene Recruitingkanäle gibt, die gewünschte Zielgruppe auf vakante Stellen aufmerksam zu machen. Mit kreativen Recruitingideen kann man sich das aber auch zum eigenen Vorteil machen.
Hinzu kommen die steigenden Ansprüche von Arbeitnehmern, bei denen es nicht nur um die Höhe des Gehalts geht, sondern um „softe“ Benefits wie flexible Arbeitszeitmodelle oder eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Unternehmen, die dies nicht bieten können, haben oft Schwierigkeiten, geeignete Mitarbeiter zu finden und zu halten.
Wer als Unternehmen im „War for Talents“ mitmischt, muss daher offen für neue Wege sein und nachhaltige Lösungen für das Fachkräfteproblem finden. Ein hilfreicher alternativer Ansatz ist, Young Potentials – also junge Nachwuchskräfte – nach den eigenen Bedürfnissen selbst auszubilden und bestehende Mitarbeiter über Fortund Weiterbildungen mit dem gewünschten fachlichen Know-how weiterzuentwickeln.
body LIFE: Wie verbreitet ist das Thema „Recruiting von Fachkräften“ in der Fitnessbranche?
Janina Erens: Die Personalbeschaffung gehört schon länger mit zu den wichtigsten Themen in unserer Branche. Der enge Austausch mit diversen Fitnessunternehmen zeigt, dass Vakanzen nicht beziehungsweise immer schwieriger besetzt werden können.
Lücken im Mitarbeiterstamm können gravierende Auswirkungen auf die Qualität der Dienstleistung haben. Fehlt Personal, um die Kundenbedürfnisse zu erfüllen, kann dies zu längeren Wartezeiten, schlechterer Beratung oder unzureichender Betreuung führen. Steigt dadurch die Unzufriedenheit bei den Kunden, wirkt sich das schnell negativ auf das Image des Unternehmens aus. Bei überlasteten Mitarbeitern schnellen außerdem oft die Krankheitstage nach oben, was zu weiteren Ausfällen und noch mehr Personalnot führt.
Das sind nur ein paar Beispiele, die für Unternehmen den Druck erhöhen, Fachkräfte rechtzeitig und in ausreichender Anzahl einzustellen.
Strategische und auf die jeweilige Zielgruppe ausgerichtete Recruitingmaßnahmen sind bei der Suche nach guten Bewerbern daher unerlässlich, um die passenden Fachkräfte für sich gewinnen zu können. Das haben viele Unternehmen der Fitnessbranche erkannt und sich zur Aufgabe gemacht
body LIFE: Wie werde ich von einem Recruiter gefunden? Kann ich meine Chancen erhöhen, von Recruitern gefunden zu werden?
Janina Erens: Insgesamt liegt der Schlüssel zum Erfolg darin, die Sichtbarkeit der eigenen Person on- und offline zu erhöhen, um von Recruitern leichter als verfügbare Fachkraft gefunden zu werden. Ein geschärftes Profil, das die Kompetenzen auf einen Blick hervorhebt, steigert die Aufmerksamkeit von Personalern. Viele Stellen werden intern oder über direkte Empfehlungen besetzt. Daher ist es wichtig, die Bereitschaft für neue berufliche Möglichkeiten im beruflichen Netzwerk und privaten Umfeld zu streuen. Darüber hinaus ist ein aktuelles Online-Profil auf diversen Businessplattformen nützlich, anhand dessen Recruiter alle relevanten Informationen zu Berufserfahrung und besonderen Qualifikationen finden können. Gezielte Fort- und Weiterbildungen unterstreichen die Fachkenntnis und wecken Interesse. Ergänzend ist es sinnvoll, auf diversen Jobportalen ein Bewerberprofil inklusive aktuellem Lebenslauf anzulegen, das Fachwissen in Foren und sozialen Medien zu teilen und sich über Netzwerkveranstaltungen neue Kontakte aufzubauen.
Je größer das Netzwerk und je plakativer das Know-how, desto leichter wird auch die Aufmerksamkeit von Recruitern geweckt. Ein wichtiger Punkt darf nicht fehlen: Am besten ist es immer noch, den eigenen Weg selbst in die Hand zu nehmen und initiativ Kontakt zu Recruitern oder Personalverantwortlichen von Unternehmen aufzunehmen.
body LIFE: Welche Tools sollten Studioinhabernutzen, um gutes Personal zu finden?
Janina Erens: Erfolgreiches Bewerbermarketing erfordert Zeit, Engagement und eine klare Strategie. Es geht darum, potenzielle Bewerber anzusprechen, sie für Ihr Unternehmen zu begeistern und den Bewerbungsprozess so reibungslos wie möglich zu gestalten. Der Invest in ein starkes Employer Branding hilft, um bei einer schrumpfenden Zahl an Bewerbern als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden.
Eine gut gestaltete Karriereseite und ein ansprechender Imagefilm geben Bewerbern einen guten ersten Einblick, was das Unternehmen zu bieten hat. Präzise und ansprechende Stellenanzeigen, die die Anforderungen, Verantwortlichkeiten und Qualifikationen für die Position deutlich machen und zugleich die Vorteile und Möglichkeiten, die das Unternehmen bietet hervorheben, erhöhen die Qualität der Bewerber, die zum Unternehmen passen.
Die Stellenanzeigen sollten auf verschiedenen Jobplattformen und in sämtlichen Medien geteilt werden, um möglichst viele potenzielle Bewerber zu erreichen. Branchenveranstaltungen, Netzwerktreffen und Karrieremessen sind hervorragende Gelegenheiten zu persönlichen Treffen und um geeignete Kontakte zu knüpfen.
Nicht zu unterschätzen sind die eigenen Mitarbeiter, die die besten Botschafter für das Unternehmen sind. Das Team sollte daher über freie Stellen informiert sein und ermutigt werden, zukünftige Kollegen zu finden.
Bildungseinrichtungen wie das IST unterstützen suchende Unternehmen oftmals auch bei der Vernetzung mit Bewerbern. Mit einer eigenen Jobbörse bietet sich für Fitnessunternehmen zum Beispiel ein branchenspezifisches Jobportal für vakante Stellen. Auch bringen Matching-Tools Unternehmen mit interessanten Bewerbern zusammen. Ist ein geeigneter Bewerber gefunden, sollte der Einstellungsprozess dann auch zügig Formen annehmen, damit das Interesse bestehen bleibt.
body LIFE: Wie sind aktuell Ihre Erfahrungen bezüglich Mitarbeiterfluktuation in den Studios?
Janina Erens: Die Vielzahl an freien attraktiven Arbeitsplätzen und Jobangeboten in den Studios erleichtert Mitarbeitern den Wechsel zu einem anderen Unternehmen. Wenn wir davon ausgehen, dass derzeit in vielen Branchen ein Arbeitnehmermarkt herrscht und sich Mitarbeiter zwischen Unternehmen entscheiden können, ist das zunächst aber nichts Schlechtes. Letztendlich führt das dazu, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der Situation eine bewusstere Entscheidung füreinander treffen können. Arbeitgeber, die dies erkennen und sich mit einer guten Unternehmenskultur deutlich von anderen Unternehmen abgrenzen und die emotionale Bindung stärken, haben erfahrungsgemäß gute Chancen, die Mitarbeiter an die Firma zu binden und der Wechselbereitschaft aktiv gegenzusteuern.
Mir sind einige Positivbeispiele von Fitness- und Gesundheitsstudios bekannt, die keine personellen Engpässe haben und ihr Mitarbeiterteam dauerhaft halten. Bei anderen Unternehmen scheint die Fluktuation hingegen größer zu sein. Hier sollte der Ursache für die Wechselwilligkeit dringend auf den Grund gegangen und Überlegungen angestellt werden, wie der Arbeitsplatz für jeden einzelnen Mitarbeiter dauerhaft attraktiv bleibt. Denn Fluktuation bedeutet nicht nur, neues Personal finden zu müssen, sondern meistens auch den Verlust von Fachwissen und Erfahrungen.
body LIFE: Wie funktioniert aus Ihrer Sicht eine moderne, zeitgemäße Mitarbeiterführung?
Janina Erens: Das Erfolgsrezept einer zeitgemäßen Mitarbeiterführung liegt in meinen Augen darin, den Begriff gegen „Mitarbeiterbegeisterung“ auszutauschen. Moderne Mitarbeiterführung hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt und geht über das traditionelle Top-down-Management hinaus.
Wenn man verstanden hat, dass motivierte und engagierte Mitarbeiter ihren Spirit an die Kunden übertragen und gute Arbeit beziehungsweise guter Service stark vom Faktor Mensch abhängig ist, sollten Führungskräfte ihre Energien nicht ausschließlich in Maßnahmen zur Kundenbindung und Kundenbegeisterung stecken, sondern gleichermaßen Strategien zur Mitarbeiterbegeisterung entwickeln. Eine partnerschaftliche, wertschätzende Zusammenarbeit zwischen Führungskräften und Mitarbeitern, in der Visionen erlaubt und gemeinsam Ziele verfolgt werden, eine gesunde Fehlerkultur herrscht, Vertrauen und Verantwortung geschenkt wird, Kommunikation auf Augenhöhe stattfindet, steigert die Verbundenheit zum Unternehmen und erschwert die innere Kündigung von Mitarbeitern enorm.
Um das Potenzial jedes Einzelnen voll auszuschöpfen, ist es wichtig, sich mit den Motiven und Bedürfnissen der Mitarbeiter auseinanderzusetzen und persönliche Stärken sowie die individuelle berufliche Weiterentwicklung zu fördern.
Führungskräfte sollten ihre Vorbildfunktion unbedingt ernst nehmen und dazu bereit sein, ihr eigenes Verhalten zu reflektieren. Wenn ich zum Beispiel Pünktlichkeit verlange, sollte ich Pünktlichkeit vorleben. Mitarbeiter sind im Zweifel nur so gut wie ihre Führungskräfte.
body LIFE: Gibt es aus Ihrer Sicht „ No-Gos“ in Sachen Mitarbeiterführung? Wenn ja, welche?
Janina Erens: Ja, es gibt definitiv „No- Gos“, die in der Mitarbeiterführung vermieden werden sollten und die der Beziehung zum Mitarbeiter schaden. Die Rahmenbedingungen im Job können noch so gut sein – passt das Verhältnis zu den Vorgesetzten nicht, löst das in den meisten Fällen den ersten Schritt zur Kündigung aus.
Fehlende Anerkennung und Wertschätzung für gute Arbeit kann das Engagement der Mitarbeiter schnell abkühlen lassen. Noch ungünstiger ist es, wenn Vorgesetzte zwar Feedback geben, aber nur dann, wenn sie mit etwas nicht zufrieden sind. Das frustriert! Die Angst, Fehler zu machen,wirkt sich negativ auf die Eigeninitiative und die Bereitschaft aus, Verantwortung zu übernehmen. Wer unverbindlich ist und Versprechen nicht einhält, verliert an Glaubwürdigkeit und zeigt damit, dass andere Dinge deutlich wichtiger sind als der jeweilige Mitarbeiter.
Steht ausschließlich die Leistung im Vordergrund, ohne auf die Arbeitsbelastung und die Bedürfnisse des Einzelnen zu achten, oder werden unrealistische Ziele und Erwartungen gesetzt, mündet dies oft in Überlastung und gesundheitlichen Problemen.
Eine gute Kommunikation ist meines Erachtens eine der wichtigsten und zugleich schwierigsten Führungsaufgaben. Letztendlich steht und fällt alles mit der Art und Weise, wie wir mit unseren Mitarbeitern kommunizieren.
body LIFE: Was sind die häufigsten Gründe eines Mitarbeiters für eine „innere Kündigung“?
Janina Erens: Wir sprechen von „innerer Kündigung“, wenn zuvor engagierte Mitarbeiter plötzlich nur noch „Dienst nach Vorschrift“ machen. Auslöser sind meist Negativerlebnisse im Job. Der Arbeitnehmer hat beispielsweise das Gefühl, ungerecht behandelt oder für seine Leistung nicht gerecht entlohnt zu werden. Dann versucht er, eine ungerechte Situation auf diese Weise auszugleichen. Auch Unterforderung oder ein ungesundes Arbeitsklima im Betrieb begünstigen, dass sich ein Mitarbeiter emotional von seiner Arbeit entfremdet. Es ist wichtig, dass Führungskräfte bei ihren Mitarbeitern auf erste Anzeichen von innerer Kündigung achten und proaktiv Maßnahmen ergreifen, eine positive Arbeitsumgebung zu schaffen. Es gilt, ein Arbeitsumfeld zu bieten, in dem Mitarbeiter motiviert, engagiert und zufrieden sind.
body LIFE: Vielen Dank für das Gespräch!
Foto: IST, Janina Ehrens