„Kenne deinen Markt & deine Wettbewerber!”
Interview mit Uwe Riediger, Geschäftsführer und Gründer der steueragenten.de Steuerberatungsgesellschaft mbH, Hamburg
Lohnt sich Gründen in der Krise? Brauche ich überhaupt einen Steuerberater und wie kann er mich konkret unterstützen? Diese und weitere Fragen stellen sich aktuell viele potenzielle Gründer und Start-ups. Uwe Riediger, Geschäftsführer einer digitalen Steuerkanzlei in Hamburg (mit Büros in Berlin und Hannover), bringt Licht ins Dunkel und gibt (Neu-)Selbstständigen wertvolle Tipps an die Hand.
body LIFE: Herr Riediger, Ihre Kanzlei „steueragenten.de“ betreut branchenübergreifend u. a. junge Start-ups. Welches sind Ihrer Meinung nach die zentralen Schritte auf dem Weg in die Selbstständigkeit?
Uwe Riediger: Als Steuerberater verstehen wir uns dann und wann auch als Mahner. So gilt wie in vielen Bereichen: Sorgfalt vor Eile. Eine Gründung will gut überlegt sein. Nehmen wir die klassischen Fragen, die geklärt sein müssen: Bin ich der richtige Typ für das Vorhaben? Verfüge ich über das benötigte Know-how oder kann ich es mir beschaffen? Wie steht es um die Finanzierung? Ist mein Geschäftsmodell überhaupt zukunftsweisend oder vielleicht bald schon überholt? Mit welcher Rechtsform möchte ich an den Start gehen? Diese Fragen sollte man sich möglichst emotionslos und vor allem ehrlich beantworten. Klassischerweise erstellt man parallel dazu bereits den Businessplan und kümmert sich um die Finanzierung, bevor es mit der Gründung der Gesellschaft bzw. der Gewerbeanmeldung und der steuerlichen Registrierung weitergeht.
body LIFE: Welche Anlaufstellen gibt es derzeit für Gründer bzw. Start-ups?
Uwe Riediger: Das Angebot an Zuschüssen und Krediten für Gründer ist vielfältig und je nach Region, Rechtsform und Förderzweck unterschiedlich ausgestaltet. Einen ersten Überblick findet man unter kfw.de oder foerderdatenbank.de. Darüber hinaus kann eine gute Hausbank, ein spezialisierter Fördermittelberater oder der Steuerberater weithelfen.
body LIFE: Egal, ob Neugründung oder Übernahme eines bestehenden Unternehmens: Um das Thema „Finanzen und Steuern“ kommt man nicht herum. Wann kommt der Steuerberater ins Spiel und wie unterstützt er den Mandanten konkret?
Uwe Riediger: Es gibt hier keinen idealen Zeitpunkt. Die Hilfe eines Fachmanns kann besonders für Gründer enorm vorteilhaft sein. Bestenfalls hat man seine Hausaufgaben gemacht, d. h., man hat konkrete Fragestellungen oder Herausforderungen, bevor man an einen Steuerberater herantritt. Steuerberater sind Dienstleister, die für ihre Expertise und ihre ehrliche Meinung bezahlt werden. Da kann es auch mal vorkommen, dass einem Gründer von seinem Vorhaben abgeraten wird. Die wichtigsten Fragen des Gründers können meist bereits im ersten Gespräch beantwortet werden. Im weiteren Verlauf der Gründung übernehmen wir – zumindest in unserer Kanzlei – fast in allen Fällen auch die Finanz- und/oder Lohnbuchhaltung sowie die anfallenden Steuererklärungen. Wir nutzen dabei die Möglichkeiten der digitalen Zusammenarbeit. Das entlastet die Gründer nicht nur zeitlich und lässt sie besser schlafen, sondern ist oft auch weit weniger kostspielig, als viele erwarten. Wer sich selbst um die Buchhaltung kümmert und es am Ende doch nicht fehlerfrei hinbekommt, bezahlt doppelt: mit Nerven und Geld. Gerade in der Anfangszeit haben Gründer zahlreiche Fragen – da ist es gut, immer einen kompetenten Ansprechpartner zu haben. Besonders in steuerlichen Fragestellungen hilft einem das Internet nicht immer weiter.
body LIFE: Wie wichtig sind gute Business- und Finanzpläne?
Uwe Riediger: Wirtschaftliche Entscheidungen sollten anhand von fundierten Informationen getroffen werden. Diesbezüglich gut aufgestellte Unternehmer profitieren natürlich gerade auch in der Krise davon. Ein aktueller Überblick über das Wettbewerbsumfeld, die eigene Kostenstruktur, Kalkulation und Liquidität ermöglicht ein schnelles Reagieren auf Veränderungen und Anpassen daran. Aber nicht nur Einsparungen, sondern auch Produkt- und Dienstleistungserweiterungen sind so besser möglich. Darüber hinaus schärfen gute Business- und Finanzpläne das Verständnis für das eigene Unternehmen und die eigenen Produkte bzw. Dienstleistungen.
body LIFE: Haben es Franchisenehmer aus finanzieller Sicht leichter als Solo-Selbstständige?
Uwe Riediger: Das kommt darauf an. Es gibt viele tolle Konzepte, die bereits am Markt erprobt sind. Entsprechend leichter gestaltet sich dann auch die Finanzierung mit Fremdkapital durch Banken. Darüber hinaus profitiert der Franchisenehmer direkt vom Know-how und dem Erfahrungsschatz des Franchisegebers – was dieser sich natürlich auch vergüten lässt. Besonders innovative Gründer werden dahingegen weniger profitieren oder sogar Nachteile durch die vorgegebenen Strukturen und Abläufe haben.
body LIFE: Was sollte bei der Nachfolgeregelung beachtet werden?
Uwe Riediger: Hier gilt es, besonders vorsichtig zu sein. Die Übernahme eines Unternehmens kann gravierende Auswirkungen haben. Je nach vertraglicher Ausgestaltung übernimmt der übernehmende Neu-Selbstständige die Haftung für Fehler seines Vorgängers. So können Steuernachzahlungen oder Ansprüche von Mitarbeitern aus Altjahren schnell zu einer teuren Überraschung werden. Keinesfalls sollte dabei an dem Rat eines erfahrenen Rechtsanwaltes oder Steuerberaters gespart werden.
body LIFE: Gründen in der Krise – lohnt sich das aus Ihrer Sicht?
Uwe Riediger: Krise kann auch immer eine Chance sein. Sofern man schon länger über eine Selbstständigkeit nachdenkt, sollte man den Gedanken zumindest noch einmal konkretisieren. Corona kann für ganz Mutige auch eine Megachance sein. Gründer profitieren derzeit von günstigeren Mieten und einem Überangebot an Personal. Ob und wie schnell sich das Vorkrisenniveau wieder einstellen wird, steht – Stand heute – noch in den Sternen. Sicherlich werden auch neue Geschäftsmodelle im Fitnessbereich an Fahrt aufnehmen. Besonders die Digitalisierung bietet enormes Potenzial für Start-ups.
body LIFE: Wie kann man sein Unternehmen krisenfest machen?
Uwe Riediger: Ein Unternehmer muss seine Zahlen kennen und im Blick haben, damit er auf Veränderungen reagieren kann. Das Zahlenmaterial findet seinen Ursprung in der Finanzbuchhaltung. Ein guter Steuerberater agiert nicht nur als zuverlässiger Zahlenlieferant, sondern nimmt bei Auffälligkeiten auch mal proaktiv das Telefon in die Hand und steht als Sparringspartner zur Verfügung. Wie wichtig ein guter Steuerberater ist, zeigt sich besonders in der aktuellen Krisensituation. Themen wie „Kurzarbeit“ und „Beantragung von Fördermaßnahmen“ stehen im Raum. Auch ein offenes Ohr zu haben und für Fragen ihrer Mandanten da zu sein, gehört in diesen schwierigen Zeiten für gute Berater dazu.
body LIFE: Welche Tipps und Ratschläge können Sie Gründern ganz allgemein mit auf den Weg geben?
Uwe Riediger: Kenne deinen Markt und deine Wettbewerber! So oder so ähnlich wäre mein erster Rat. Jeder Gründer sollte sich Zeit lassen und den Tag X bestmöglich vorbereiten. Informieren Sie sich und denken Sie auch die Alternativen durch. Viele Gründer unterschätzen am Anfang die administrativen Aufgaben wie Steuern, Buchhaltung und Rechnungsschreibung. Planen Sie vernünftig und konzentrieren Sie sich auf die Dinge, die Sie gut können. Für den Rest sollte man sich zuverlässige Dienstleister suchen.
body LIFE: Vielen Dank für das Interview!
Foto: Uwe Riediger