Klage gegen die Schließung? Das sollten Sie wissen
Seit Anfang der Woche greift ein bundesweiter „Lockdown light“. Viele Betreiber von Fitnessstudios stellen sich jetzt die Frage: „Sollte ich gegen die Schließung klagen und was bringt eine Sammelklage?“ Rechtsanwältin Julia Ruch, Inhaberin der aktivKANZLEI, deren Schwerpunkt u. a. auf der Beratung von Fitnessstudios und Trainern liegt, sagt Ihnen, worauf Sie achten müssen und wie die Erfolgsaussichten sind.
Wenn Sie sich gegen die komplette Schließung des Studios wehren wollen, bleibt nur der Weg über die Gerichte. Eine Alternative wäre die Beantragung einer Sondergenehmigung beim Ordnungsamt für 1:1-Training und Beratungen im Studio. Bei dem Antrag ist darauf zu achten, dass gerade nicht pauschal eine Ausnahmegenehmigung für das Studio beantragt wird; diese wird aktuell definitiv abgelehnt.
Welches Gericht ist zuständig?
Wenn Ihnen Personal Training nicht ausreicht, müssen Sie gegen die Maßnahmen aus der Verordnung Ihres Bundeslandes bzw. gegen die Allgemeinverfügung Ihrer Stadt vorgehen. Zuständig sind die Verwaltungsgerichte. Mit einem Antrag im Eilverfahren wird über die Rechtmäßigkeit der Schließung binnen weniger Stunden bzw. Tage entschieden. Jedoch handelt es sich erst einmal um eine vorläufige Entscheidung – das Hauptverfahren findet zu einem späteren Zeitpunkt statt.
Wie sind die Erfolgsaussichten?
Da die Bundesregierung die geforderten Maßnahmen nicht als Gesetz erlassen hat, bleibt es bei den verschiedenen Verordnungen der Länder, was erneut zu unterschiedlichsten Regelungen geführt hat. In der Folge wird es somit auch unterschiedliche Gerichtsentscheidungen geben. Was in einem Bundesland aufgehoben wird, bleibt bei demselben Sachverhalt in einem anderen Bundesland bestehen.
Daher muss sich auf politischer Ebene etwas tun und die einzelnen Maßnahmen müssen umfassend begründet und erläutert werden. Insbesondere muss Klarheit darüber hergestellt werden, was mit den Maßnahmen erreicht werden soll: Verhinderung der Ausbreitung des Virus, Schutz von Risikogruppen, Gesundheitsschutz aller? Solange darüber Unklarheit herrscht, hat man recht gute Chancen vor Gericht, dass einzelne Maßnahmen aufgehoben werden.
Jedoch ist nicht zu erwarten, dass die Beschränkungen und Verbote insgesamt aufgehoben werden. Da klar ist, dass etwas getan werden muss, um die Pandemie einzudämmen, werden die Verwaltungsgerichte vermutlich zurückhaltend damit sein, die komplette Schließung infrage zu stellen.
Keine Sammelklagen in Deutschland
Es bringt in Deutschland auch keine großen Vorteile, wenn sich Kläger zusammenschließen. Sammelklagen, also Zusammenschlüsse von Klägern gegen einen gemeinsamen „Feind“, wie es in Amerika möglich ist, gibt es bei uns in Deutschland nicht. Der VW-Abgasskandal war eine Ausnahme und nur möglich, weil die Verbraucherzentrale als gemeinnütziger Verein im Namen der Verbraucher auftreten konnte. Dies ist bei den Fitnessverbänden jedoch nicht möglich.
Was es aber in Deutschland gibt – und das darf nicht mit einer Sammelklage verwechselt werden –, ist die sogenannte Streitgenossenschaft. Dabei treten mehrere Kläger zusammen vor Gericht auf. Diese agieren aber alle in eigenem Namen. Es handelt sich also trotzdem um mehrere an sich selbstständige Prozesse.
Das bedeutet für die Praxis: Wenn ein Gericht eine Regelung für ein Fitnessstudio aufhebt, gilt das nicht automatisch für die anderen auch und schon gar nicht für die ganze Branche. Das kann man auch nicht dadurch verhindern, dass man sich zusammenschließt und nur einen Anwalt beauftragt. Sie sparen auch kein Geld dadurch, da der Anwalt von jedem Studiobetreiber die Gebühren verlangen kann, die dieser bezahlt hätte, wenn er ihn allein beauftragt hätte.
Der Vorteil einer Streitgenossenschaft ist jedoch, dass Beweise und Indizien, die ein Fitnessstudio (als Streitgenosse) hat, auch zu Gunsten der anderen Fitnessstudios herangezogen werden können.
Fazit:
Die Chancen stehen nicht schlecht, dass man einen Prozess gewinnt und einzelne Maßnahmen aufgehoben werden. Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass Studiobetreiber eher in Digitalisierung investieren und die eigenen Verträge samt AGB krisenfest machen sollten (z. B. Gebühren für Online-Angebot bei Schließung, wirksame Höhere-Gewalt-Klauseln etc.), als darauf zu hoffen, mit einer Klage eine Wiedereröffnung oder eine Entschädigung zu erstreiten.
Julia Ruch ist Inhaberin der aktivKANZLEI. Nach ihrem Studium war sie zunächst als angestellte Rechtsanwältin in verschiedenen Anwaltskanzleien für Zivil- und Arbeitsrecht tätig, bevor sie als Juristin und Syndikusanwältin in die Wirtschaft wechselte. In großen mittelständischen Unternehmen erwarb sie langjährige und vielfältige Erfahrungen in den Bereichen Vertragsgestaltung, Arbeitsrecht und Verhandlungsführung. Ein Schwerpunkt ihrer Kanzlei liegt u. a. auf der Beratung von Fitnessstudios und Trainern.