Krise oder Chance?
wer auf Gesundheit setzt und in Digitalisierung investiert, hat nach dem Lockdown gute Chancen
Es wird noch lange dauern, bis die Studios im „New Normal“ angekommen sein werden. Bislang haben etwa 25 Prozent der Sporttreibenden ihre Mitgliedschaft gekündigt. Wie können Betreiber die verbliebenen Dreiviertel bei der Stange halten und möglichst auch die verlorenen Schäfchen nach dem Lockdown zurückgewinnen? Mit Kreativität, Flexibilität und auch einer großen Portion Mut.
Wer darauf hofft, dass sich die derzeitige Lage von allein wieder zum Guten wendet, und glaubt, dass es nach Corona so weitergeht wie vorher, der wird auf der Strecke bleiben. Gerade in der Krise ist es wichtig, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, sondern: Kopf hoch, Nase in den Wind halten und nach vorn schauen! Nutzen Sie die Zeit der Pandemie sinnvoll und entwickeln Sie Strategien zur Krisenbewältigung!
Die Krise als große Chance erkennen
Als Unternehmer sollte man sich grundsätzlich immer mal wieder die Zeit nehmen, das eigene Unternehmen zu beleuchten, Strategien zu hinterfragen, Pläne anzupassen und lieber am Unternehmen als im Unternehmen zu arbeiten. Im Tagesgeschäft kommt so etwas meist zu kurz. Besonnene Unternehmer sehen den Lockdown und die temporär frei gewordenen Kapazitäten daher auch inals Chance: Jetzt ist Zeit für Achtsamkeit, für die Entwicklung einer Vision – und vielleicht auch für einen Kurswechsel.
Unternehmensziele neu zu formulieren, kann viel Zeit in Anspruch nehmen, die man genau jetzt hat(te) oder die man sich genau jetzt nehmen sollte. Sinnvoll sind auch Überlegungen dazu, was Sie tun müssen, um den Wert Ihres Unternehmens in den nächsten fünf Jahren für Ihre Kunden und sich selbst erheblich zu steigern. Was macht Sie besonders? Was können Sie und Ihr Team besser als andere? Wohin geht der Markt und wie können Sie ihn erfolgreich mitgestalten? Was sind die entscheidenden Assets und Werttreiber für Sie und Ihr Unternehmen? Bevor man sich den wirklich großen Fragen stellt, kann es sinnvoll sein, sich erst einmal komplett aus allem herauszuziehen und herunterzufahren. Sogar Topmanager sind Selbstmanager, die auch mal die Bremse ziehen (müssen). Denn vielen fällt es gar nicht leicht, die Frage zu beantworten, wo man in fünf Jahren überhaupt stehen will. Wer im Daily Business immer nur Aufgaben abarbeitet und reagiert statt agiert, muss erst wieder den Weg in die aktive Entscheiderrolle finden. Egal, wo die Reise hingeht – an den folgenden drei Punkten kommt man aus meiner Sicht nicht mehr vorbei.
1. Fokus auf Gesundheit
Die Fitnessstudios werden in Zukunft viel mehr in der Pflicht sein, ihren Benefit zu rechtfertigen und sich knallhart und spitz zu positionieren. Gute Trainer, gute Geräte und „endlich wieder unter Menschen sein“ – das wird Bestandswie Neukunden als Motivation nicht mehr ausreichen. Diese Zeiten sind spätestens jetzt vorbei. In Wahrheit waren solche Studios ohne Unique Selling Point schon vor der Pandemie auf dem absteigenden Ast. Um langfristig erfolgreich im Markt zu bestehen, braucht jedes Unternehmen ein klares Profil.
Diejenigen, die echte Marken sind, die für etwas stehen – zum Beispiel besonders hartes, effektives, echtes Training –, brauchen sich keine Sorgen zu machen. Bei ihnen steht eine besondere User Experience auf dem Programm, die dazu führt, dass Kunden zu Fans geworden sind. Und Fans bleiben. Nein, es sind die gesichtslosen Studios, die mit nicht viel mehr als guten Geräten und einer Basic-Betreuung durch halbwegs motivierte Trainer punkten wollen. Um drei, vier Kilos abzunehmen, etwas für meine Haltung zu tun oder einfach ein bisschen fitter zu werden, brauche ich allerdings nicht zwingend in ein Studio zu gehen. Das haben die Leute spätestens jetzt gemerkt, wo ein Fitnessstudiobesuch eben einfach nicht drin war. Und warum wird Fitness nicht als systemrelevant betrachtet? Weil es zu viele Studios gibt, die Fitness mit der leider hierzulande überlieferten Bedeutungshistorie belegen, die eben nicht systemrelevant ist.
Gesundheit und gesundheitsorientiertes Training dagegen sind existenziell wichtig – und das ist inzwischen vielen Kunden und sogar Politikern klar geworden. Meine dringende Empfehlung: auf das Thema „Gesundheit“ setzen! Es ist das Thema der Stunde. Denn Fakt ist, dass sich der Markt ändern wird: Gesund bleiben, gesund werden – nie haben sich die Menschen in der Masse so intensiv und vorausschauend Gedanken über ihre Gesundheit gemacht wie in diesen Zeiten. Wie verhindere ich eine Ansteckung mit dem Virus? Wie stärke ich mein Immunsystem? Vor zwei Jahren hätte wohl niemand geglaubt, dass unsere Gesundheit einmal einen so hohen Stellenwert in der gesellschaftlichen Wahrnehmung haben würde.
Und eine Frage stellen sich alle, die zurückkommen wollen: Wie geht das eigentlich mit dem Sport „nach Corona“ weiter? Hier wird Diagnostik eine größere Rolle spielen, denn die richtige Eingangsdiagnostik mit den richtigen Trainingsempfehlungen vermittelt verunsicherten Mitgliedern Sicherheit, egal ob nach überstandener Coronainfektion oder einfach nur nach längerer Lockdown- Sportpause. Ganz sicher werden sich Trainer mit Kunden konfrontiert sehen, die entweder nachgewiesenermaßen eine Coronainfektion durchgestanden haben oder sich nicht sicher sind, ob sie das Virus tatsächlich gehabt haben. Es gibt keine Schema-F-Empfehlung à la „nach Corona sechs Wochen lang keinen Sport machen“. Einige Menschen sind vielleicht früher wieder belastbar, andere brauchen viel mehr Zeit für ihre Regeneration. Jeder kennt die besorgniserregenden Geschichten von vermeintlich gesunden Menschen, die nach einer Grippe sportlich zu früh durchgestartet sind und dann dem Herztod erlagen. Eine Coronainfektion ist ein wenig mit einem grippalen Infekt vergleichbar, was die Beeinträchtigung des Herzens betrifft.
Ich würde jedem Sportler nach überstandener oder möglicher Coronainfektion und auch nach einer längeren Lockdown- Sportpause dringend eine Messung seiner Herzfrequenzvariabilität (HRV) oder eine sportärztliche Untersuchung empfehlen. Trainer, die die Herzfrequenzvariabilität bestimmen und individuell lesen können, können Mitgliedern helfen, gefährliche Überbelastungen zu verhindern. Die Herzfrequenzvariabilität kann mittels EKG, aber auch durch Fitnesstracker mit daran gekoppelten Apps bestimmt werden. Die Investition in die Positionierung im Gesundheitsbereich dient also zum einen der Sicherheit der Trainierenden, aber auch ganz klar dem Mehrwert des Studios in Form von Medical-Fitness-Expertise.
2. Aufwachen und jetzt investieren!
Neben der Investition in Visionsentwicklung und Positionierung muss jetzt auch Geld in die Hand genommen werden. Natürlich tut das weh. Aber dank dieser Investitionen können Sie zu 100 Prozent gestärkt aus der Krise hervorgehen und darauf vertrauen, dass sich Ihre Bemühungen gewinnbringend entfalten und Sie wieder richtig Gas geben. Es führt meiner Meinung nach kein Weg daran vorbei: Wer am Markt zukunftsfähig sein möchte, muss investieren. Die Mittel aus den staatlichen Coronaförderprogrammen sollten in Standards wie Hygienemaßnahmen investiert werden. Das sind die Basics. Wer für die Zukunft gerüstet sein will, muss aber den Fokus unbedingt und ganz klar auf die Digitalisierung legen. Wer das die letzten Jahre verschlafen oder gar den Kopf in den Sand gesteckt hat, muss schleunigst aufwachen und die Sachen anpacken! Der Markt hat sich verändert und wird sich rasend schnell immer weiter verändern. Wer stehen bleibt, wird das vielleicht nicht sofort zu spüren bekommen, aber irgendwann wird das Dilemma „digital or dead“ bei jedem angekommen sein.
3. Digital or dead
Wer nicht spätestens jetzt auf Digitalisierung setzt, wird die Pandemie langfristig nicht überleben. Das fängt bei einfachsten Basics wie Zugangskontrollen und Terminvergabe an, geht bei den Themen „Körperdaten“ und „digitale Trainingssteuerung“ weiter und setzt sich beim Training selbst, der Trainingsdokumentation und hybriden Angeboten fort. Die Mitglieder, die an Bord geblieben sind, haben zwischenzeitlich mit digitalen Formaten geliebäugelt. Online- Angebote der Studios, aber vor allen Dingen „Online only“-Angebote haben einen riesigen Zulauf erlebt.
Nehmen wir das US-Unternehmen Peloton als Beispiel: Bereits 2019 hat Peloton ein wahnsinniges Wachstum erfahren. Auch ohne Corona. Warum? Weil die User Experience stimmt! Peloton ist cool und motivierend. Die User trainieren im Schnitt 21-mal im Monat. Fitnessclubs liegen im „Engagement“ der Mitglieder weit darunter. Durch Corona hat Peloton dann einen Mega-Boost erlebt. Aber eben auch schon vorher. Von solchen Erfolgsmodellen sollte man sich etwas abschauen – auch was die Ansprache der Kunden anbelangt. Die große Frage der Zukunft wird sein: Wie kann ich das Face-to-Face-Studiotraining mit digitalen Homefitnessangeboten verbinden und meine Mitglieder so langfristig happy machen und an mich binden? Solche digitalen Add-ons sind auch ein Sicherheitsnetz für etwaige zukünftige Krisen und Lockdown-Situationen. Hierfür gibt es viele smarte Tools, die es Ihnen ermöglichen, über die Distanz in Kontakt mit den Mitgliedern zu bleiben, sie aus der Ferne zu trainieren und digital Körper- und Trainingsdaten abzurufen, um optimale Empfehlungen geben zu können.
Dr. Marc Weitl
Dr. Marc Weitl ist ehemaliger Kunstturner. Er hat in Sportmedizin promoviert mit dem erklärten Ziel, den plötzlichen Herztod bei Sportlern zu bekämpfen. 2001 gründete er nach vielen Jahren in Klinik und Forschung in Hamburg die cardioscan GmbH für eine bessere Diagnostik von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Weltweit setzen über 10 000 Health Professionals großer Kliniken und Unternehmen die cardioscan- Technologie ein.
Foto: Watchara – stock.adobe.com,Monster Ztudio – stock.adobe.com; Dr. Marc Weitl