Die Zukunft der Fitnessbranche
Umfrage unter Clubbetreibern, Trainern und der Industrie
Wir schreiben das Jahr 2022 und die Pandemie liegt weitestgehend hinter uns. Wie sieht die Fitnesslandschaft nach Corona aus? Welche Auswirkungen hat die Krise auf unsere Branche? Zu diesen und weiteren Fragen hat die bodyLIFE Medien GmbH im ersten Quartal 2021 eine Umfrage unter Studiobetreibern, Trainern und Vertretern der Industrie durchgeführt.
Andreas Mayer, Country Manager Technogym Germany GmbH:
Die Herausforderung nach der Pandemie besteht darin, sich auf die neuen Anforderungen des Marktes vorzubereiten und die Entwicklungen als grundlegende Veränderung in der Fitnessszene als auch in der gesamten Gesellschaft zu verstehen. Fitnesseinrichtungen müssen einen Weg finden, das Hometraining mit ihrem Betrieb verbinden zu können: Ein hybrides System, ein neues Businessmodell ist der Schlüssel zum Erfolg, denn ein „back to normal“ wird es mittelfristig nicht mehr geben. Ich denke, es wird noch dauern, bis die Normalität wieder eintritt, jedoch glaube ich auch, dass die Verabreichung der Corona- Schutzimpfungen das „Zurück“ zum stationären Fitnesstraining beschleunigen wird.
Christiane Reiter, Personal Trainerin und Presenterin:
Die Fitnessstudios werden sich, soweit sie überlebt haben, wieder füllen. Zusätzliche Online-Angebote der Studios sind wohl nicht mehr wegzudenken. Jüngere Fitnessbegeisterte sind vielleicht mehr und mehr angezogen von den schier unendlichen und günstigen Trainingsmöglichkeiten der Online-Anbieter. Hier könnte ich mir ein Abwandern zu den „Fitfluencern“ und zu Outdoor-Sportarten vorstellen. Ändern werden sich sicherlich die Hygienestandards und -anforderungen an die Studiobetreiber. Möglicherweise muss man dauerhaft über die maximale Anzahl der Teilnehmer auf der Fläche und in den Kursräumen nachdenken.
Mario Görlach, EGYM GmbH:
Vorausgesetzt, dass die Pandemie bis 2022 überstanden ist, gehe ich davon aus, dass die Leute wieder ganz normal zum Trainieren in die Studios kommen. Ich gehe davon aus, dass die Entwicklung auch davon abhängig ist, ob die Bevölkerung bis dahin durchgeimpft ist. Sollten die Leute nicht geimpft sein, wird eine latente Angst bleiben. Aus meiner Sicht wird die Pandemie 2022 jedoch noch nicht zu Ende sein und die Fitnessbranche damit bis auf Weiteres oder sogar dauerhaft unkalkulierbar bleiben. Zwei mögliche Szenarien sind denkbar: Fitness wird wieder kalkulierbar, wodurch immer mehr Studioketten expandieren, oder die Situation bleibt unkalkulierbar und bietet so Einzelunternehmern große Chancen.
Christine Schacht, Leitung Sales & Marketing, Fachbereich Fitness, IST-Studieninstitut GmbH:
Das Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung ist im Zuge der Pandemie enorm gestiegen. Wir merken es schon jetzt, dass die Menschen mehr auf sich und ihr körperliches wie seelisches Wohlbefinden achten. Wenn Corona wirklich hinter uns liegt bzw. sich im beherrschbaren Rahmen befindet, dann wird sich dieser Zustand positiv auf unsere Branche auswirken. Davon bin ich überzeugt! In diesem Zuge wird auch gut ausgebildetes und kompetentes Personal im gesundheitsorientierten Bereich noch einmal an Bedeutung gewinnen.
Max Barth, Director Marketing IFAA GmbH:
So richtig ist Corona auch 2022 noch nicht vorbei. Aber wir haben uns daran gewöhnt, fanden Mittel und Wege für einen normalen Alltag. Selbsttests gehören dazu. Die Welt sieht jetzt anders aus. Es gibt keine ideologischen Abgrenzungen mehr zwischen Online- und Präsenz-Angeboten, nur noch konzeptionelle. Dass Service und Kundenbindung Rückgrat und Betriebsversicherung sind, ist überall angekommen. Dasselbe gilt für Liquidität und Reserven. Und dafür, dass auch die Unternehmensgröße hilfreich sein kann.
Irina Luxem, Deutsche Sportakademie:
Die Fitnesstreibenden werden nach der Pandemie dankbar in die Studios zurückkehren. Es wird Neukunden geben, die durch die Pandemie zum Fitnesssport gefunden haben – und es wird diejenigen geben, die nach der Pandemie lieber weiterhin Online-Angebote wahrnehmen. Hierhin verändert sich auch das Angebot der Studios und somit die Ausbildung der Trainer. Trainer müssen zukünftig fit darin sein, Online-Trainings mit Kunden effektiv durchführen zu können, um so auch die neue Zielgruppe zu bedienen.
Alexander Sosa, Geschäftsführer „Sports Club“-Studios:
Ich möchte Peloton-Gründer John Foley widersprechen, der prophezeit hat, dass 59 Prozent der Fitnessstudiobesucher nicht in diese zurückkehren werden. Wir befinden uns derzeit in der größten Isolation seit dem Zweiten Weltkrieg. Vermissen wir nicht alle die tollen Geräte, Livekurse und netten Trainer? Ich glaube, die Pandemie hat einen Sinn: uns aufzurütteln! Wir müssen noch besser werden, digitaler, kundenorientierter und unsere Arbeit hinterfragen. Hat der Kunde bei uns einen Nutzen, kommt er wieder!
Eckbert Ganns, Geschäftsführer Life Fitness Europe GmbH:
Die stark beeinträchtigte Fitnessbranche wird sich nach meiner Einschätzung ab ca. Mitte 2022 nicht nur deutlich erholen, sondern sogar vorherige Erfolgszahlen mittelfristig noch überschreiten. Im Zusammenhang mit der Pandemie wird es vielfältige Studien geben, die belegen, wie wichtig es in jeder Altersgruppe ist, sich durch regelmäßige sportliche Betätigung fit zu halten und dadurch sein Immunsystem widerstandsfähig zu erhalten. Erste Studien darüber, wie z. B. Diabetes Typ 2 bei jüngeren Bevölkerungsschichten einen deutlich schlechteren Krankheitsverlauf bei Covid-19-Erkrankten verursacht hat, gibt es ja bereits. Es wird daher zukünftig verstärkt sportliche Angebote geben, die genau diese Thematik ansprechen. Hieraus können ggf. auch neue oder veränderte Studiokonzepte und -angebote entstehen. Keine Krise, die nicht auch neue Chancen mit sich bringt!
Jasmin Kirstein, Geschäftsführerin „My Sportlady“:
Die Fitnessbranche wird nach der Pandemie wichtiger denn je sein. Die eigene Gesundheit, die Prävention, der Aufbau des Immunsystems werden im Vordergrund stehen. Mit dem schnellen Fortschritt der Digitalisierung haben wir die Möglichkeit geschaffen, online Programme anzubieten, an die sich die Kunden während des Lockdowns schon gewöhnt haben. Wenn wir es schaffen, eine Lobby für unsere Branche aufzubauen, uns Respekt und Gehör in der Politik zu verschaffen, dann werden uns auch solche Krisen nichts anhaben können.
Nico Scheller, Geschäftsführer „In Shape“-Fitnessclubs:
Nach Corona wird fast kein Stein auf dem anderen bleiben. Die Karten werden neu gemischt und die Branche wird sich stark verändern und teils längst überfällige Restrukturierungen werden umgesetzt. Investoren werden immer mehr den Markt betreten und versuchen, die Brücke zwischen On-site- und Online-Angeboten zu schlagen. Es werden kundenfreundlichere Angebote Einzug halten müssen, die den Angeboten der Online-Anbieter ebenbürtig sind. Denn eines ist klar: Der neue Mitbewerber ist nicht der Discounter nebenan. Der neue Mitbewerber sind eben diese Online-Angebote, die ihre Customer Journey bis ins letzte Detail ausgefeilt haben und dadurch immense Kundenzufriedenheitswerte und Weiterempfehlungsquoten erreichen. Und das nicht unbedingt zum günstigeren Preis. Unternehmer, die diesen Trend belächeln und denken, dass die Räder von Peloton bald als Kleiderständer in der Wohnung stehen, werden meiner Ansicht nach enden wie einst Nokia, das Apple belächelte, oder die Versandhändler Amazon. Sicherlich werden die Fitnessclubs nicht verschwinden und die Menschen nicht gänzlich zu Online-Angeboten wechseln. Die Clubs müssen sich aber neu erfinden, Angebote liefern, die auf ein neues Nutzungsverhalten abgestimmt sind.
Silke Frank, Event Director FIBO:
Die Menschen werden in die Fitnessstudios zurückkehren. Der Trend des Online-Trainings wird aber einen nachhaltigen Einfluss auf das Nutzerverhalten und die Angebotsstruktur haben. Hybride, auf die Kundenbedürfnisse abgestimmte Konzepte werden sich etablieren. Studios, die eine umfangreiche persönliche Betreuung anbieten, haben eine gute Basis für den zukünftigen Erfolg. Dabei geht es nicht nur um die korrekte Übungsausführung, sondern vermehrt um ein ganzheitliches Angebot rund um Training, Ernährung und mentale Stärke.
Stephan Müller, Inhaber GluckerKolleg, Vorstand Bundesverband Personal Training e.V.:
Der Trend im Fitnessmarkt wird sich in Zukunft sehr stark in Richtung PT und Hybridangebote entwickeln. Die Ergänzung durch Online-Angebote wird weiterhin gefragt sein – clevere Einrichtungen verstehen es, dies optimal zu kombinieren. Bei vielen Kunden wird erst einmal ein Vorbehalt beim Training mit größerer Menschenansammlung bestehen. In den Lockdownphasen haben die Buchungen von PT outdoor oder beim Kunden zu Hause um ca. 30 Prozent zugenommen. Ich denke, dass eine sinnvolle Kooperation zwischen PT und Fitnessmarkt für beide Seiten einen Mehrwert bringen wird. Das Alleinstellungsmerkmal als PT ist die persönliche und hochwertige Betreuung, verbunden mit sinnvollen Hygiene- und Abstandskonzepten.
Ralph Scholz, Geschäftsführer FitnessConnected:
Um einen weiten Sprung nach vorne zu machen, muss man manchmal einen Berg erst einmal runterfahren. Ich bin überzeugt, dass die Fitnesswirtschaft aus der Krise gestärkt hervorgehen wird. Weil die Menschen merken, was Bewegungsmangel auslöst, bzw. was „mens sana in corpore sano“ wirklich bedeutet: Nämlich, dass mentale und körperliche Fitness in einem direkten Zusammenhang stehen. Sicher wird das Fitnesstraining anders aussehen: digitaler, spielerischer, flexibler, virtueller und räumlich ungebundener. Aber die Kompetenzcenter werden weiterhin die Studios sein. Als Lotsen und Trainer, die den Menschen helfen, sich fit zu halten.
Stefan Liebezeit, Personal und Athletik Trainer, Co-Founder Munich Personal Training Lounge:
Meiner Meinung nach wird die Fitnessbranche nach der Pandemie eine andere sein. Gerade Online-Training via Zoom und Co. wird gerade im PT einen festen Platz behalten. Grundsätzlich bin ich fest davon überzeugt, dass die gesundheitlichen Folgen des Lockdowns dazu führen werden, dass noch mehr Menschen eine professionellere Bewegungsbetreuung suchen. Da mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein gewisser Respekt vor größeren Gruppen bleiben wird, wird es eine Verschiebung in Richtung Microstudios, Outdoor- und Personal Training geben. Letztendlich wird aber die gesamte Fitnessbranche weiterwachsen.
Yassin Jebrini, Inhaber Jebrini Training:
Durch die Pandemie und die Einschränkungen hat das Gesundheitsbewusstsein zugenommen. Das Training mit anderen Menschen wird zukünftig mehr wertgeschätzt werden. Ich gehe davon aus, dass sich vieles wieder zurück zum Training in Boxen, Gyms, Sportvereinen oder dem Personal Training verschieben wird und der Trend zu mehr Bewegung eher noch zunimmt. Dennoch wird das digitale Training weiterhin von Bedeutung sein, da wir uns daran angepasst haben. Wir werden uns das Beste aus beiden Welten herauspicken – was das für den Einzelnen genau ist, bleibt abzuwarten. Der Markt wird nach Corona differenzierter sein als vor der Pandemie. Allerdings sehe ich für Anbieter von Training in Person keinerlei Nachteile, da die Anzahl an potenziellen Kunden weiterhin groß ist und für alle ausreichen wird.
Simal Yilmaz, Geschäftsführer gym80:
Auch die Fitnesswelt musste erkennen, wie angreifbar wir alle sind. Stark aus der Krise gehen die hervor, die umdenken. Ich bin mir sicher, dass wir einen Boom erleben werden. Die Menschen werden zu schätzen wissen, nach der Krise wieder ein normales Leben zu führen, Kontakte zu pflegen und sich zu bewegen. Zu leben! Die Bedeutung von Fitness- und Kraftsport wächst. Die Menschen, für die Fitness, Kraftsport und Bewegung kein großes Thema war, haben während Corona ein größeres Bewusstsein für die Wichtigkeit von Gesundheit entwickelt. Es ist nun noch mehr die Aufgabe unserer Branche, zu vermitteln, dass regelmäßiges Training ein gesünderes Leben bedeutet. „Gemacht aus Stahl, um die Welt zu kräftigen!“ Das ist unsere Mission, dafür tritt das Team King of Machines täglich an. Mit und für unsere Kunden!
Oliver Sekula, CEO ACISO Fitness & Health GmbH:
Ich bin davon überzeugt, dass die ganzheitliche Gesundheit – basierend auf den drei Säulen Training, Ernährung und Entspannung – zukünftig eine noch entscheidendere Rolle spielen wird als bisher. Trotz aller aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen blicke ich mittel- und langfristig optimistisch auf die Entwicklungen. Auf Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und auch Insolvenzen werden wir sicher zurückblicken – das gehört zur Wahrheit dieser Krise. Aber: Die monatelangen restriktiven Maßnahmen wie z. B. Kontaktverbote führen nicht nur zur Vereinsamung, sondern auch wieder zu mehr Nähe in der Gesellschaft. Die Mitarbeiter sind das größte Potential. Wer in Bildung und Fachkräfte investiert, wird am Qualitätsmarkt den Kundenzuspruch erhalten. Franchisesysteme werden zunehmend Orientierung, Sicherheit und Perspektiven bieten. Bei bestehenden Partnern, Existenzgründern und vor allem bei den Endverbrauchern.
Fotos: Stephan Müller; FIBO; clever fit GmbH; Nico Scheller; Jasmin Kirstein;Life Fitness Europe GmbH; Alexander Sosa; Deutsche Sportakademie; Peter Dennig ;ACISO Fitness & Health GmbH; gym 80 International GmbH; Stefan Liebezeit; Yassin Jebrini