Wenn aus Mitgliedern Schuldner werden
Nachgefragt bei Inkasso-Spezialisten
Rücklastschriften beim Einzug der monatlichen Mitgliedsbeiträge sind für viele Anlagenbetreiber seit jeher Teil des Alltagsgeschäfts. Seit einiger Zeit ist aber vermehrt von Studiobetreibern zu hören, dass die Anzahl der Mitglieder, bei denen die monatliche Abbuchung nicht reibungslos funktioniert, signifikant gestiegen sei. Ist diese Entwicklung „nur“ die Wahrnehmung einzelner Studios oder handelt es sich um ein Problem, das die Branche flächendeckend betrifft?
Das erste Quartal des Jahres 2023 gibt zweifelsohne Anlass zum Optimismus: Die meisten Fitnessstudiobetreiber freuen sich über einen hohen Zuwachs an Neumitgliedschaften, die Studios sind gut ausgelastet, die täglichen Check-in-Zahlen sind in vielen Fitnessanlagen sogar höher als vor der Pandemie.
Auch die mehr oder weniger flächendeckende Erhöhung der Mitgliedsbeiträge hat sich offensichtlich weniger negativ ausgewirkt als von vielen befürchtet: Eine Kündigungswelle ist ausgeblieben, die meisten Mitglieder sind ihrem Studio treu geblieben. Auf den ersten Blick könnte man also meinen, dass die Fitnessbranche – zumindest was die Einnahmenseite betrifft – das Schlimmste überstanden hat.
Ganz so rosig ist die aktuelle Situation aber leider nicht, denn es zeigt sich, dass nicht alle Studiomitglieder aufgrund der stark gestiegenen Lebenshaltungskosten derzeit finanziell in der Lage sind, am Monatsanfang für eine ausreichende Kontodeckung zu sorgen.
Stichtag: Monatserster
Für die Branche ist das ein Problem, denn die meisten Studiobetreiber ziehen die Mitgliedsbeiträge zum Monatsersten ein. Wenn das Konto des Mitglieds nicht ausreichend gedeckt ist und die Lastschrift deshalb zurückgeht, wirkt sich das auch unmittelbar auf die Liquidität des Studios aus – in mehrfacher Hinsicht. Es fehlt nicht nur die Einnahme aus der jeweiligen Mitgliedschaft, die Rücklastschrift kostet auch noch zusätzlich Geld, da die Gebühren für die Rücklastschrift im ersten Schritt dem Unternehmen berechnet werden, das die Lastschrift eingereicht hat, also dem Fitnessstudio.
Dass die Quote der Rücklastschriften in den vergangenen drei Jahren teilweise besorgniserregend gestiegen ist, ist ein offenes Geheimnis. Lag sie im Jahr 2019 durchschnittlich noch im niedrigen einstelligen Prozentbereich, stieg sie während der Lockdowns in den Jahren 2020 bis 2021 teilweise auf mehr als 10 Prozent, bei manchen Studios sogar auf mehr als 20 Prozent. Studiomitgliedåer haben der Lastschrift widersprochen, da die Studios ihre Leistungen nicht erbringen konnten.
Die Folgen der Pandemie
Theodor Tetzlaff, Geschäftsführer der Finion Capital GmbH, erläutert die Folgen von Covid so: „Basierend auf den durch MemberCash ermittelten Daten erkennen wir in den letzten drei Jahren ganz deutlich die Auswirkungen auf die Rücklastschriftquote durch die Pandemie. Dabei ist diese jeweils zu den Zeiten, in denen Studios geschlossen bleiben mussten, signifikant gestiegen. In der ersten Coronaphase, Anfang 2020, ist der Anstieg noch relativ moderat ausgefallen. Dagegen gab es bei uns einen deutlichen Sprung – fast eine Verdopplung – der üblichen Rücklastschriftquote in der langen Lockdownphase zwischen Ende 2020 und Mitte 2021.“
Direkt nach den Lockdowns war die Zahlungsquote sogar etwas besser als vor den Lockdowns. Alexander Kraut von der KOHL GmbH & Co.KG erklärt sich diesen Effekt so: „Im Inkasso haben wir in den Jahren 2020 und 2021 bei den Forderungen sogar eine gute Zahlungsquote gehabt, was sicherlich an den eingeschränkten Ausgabemöglichkeiten lag. Damit meine ich ausgefallene Events, keinen Urlaub usw.“
Mitglieder haben existenzielle Probleme
Diese Zeiten sind aber offensichtlich vorbei: Seit dem 4. Quartal 2022 steigt aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten die Quote der Zahlungsausfälle. Die Inflation und die höheren Lebenshaltungskosten haben einer aktuellen repräsentativen Umfrage im Auftrag der Postbank zufolge für immer mehr Bundesbürger deutliche Konsequenzen. Jeder sechste Deutsche sehe sich bereits vor existenziellen Problemen, heißt es dort, und: „Rund 34 Prozent der Deutschen müssen nach eigenen Angaben wegen der hohen Preise inzwischen auf langjährige Ersparnisse zurückgreifen.“
Da man davon ausgehen kann, dass die Mitgliederstruktur der Fitness- studios annähernd identisch ist mit der Bevölkerungsstruktur, sind Fitnessstudiobetreiber also gut beraten, sich längerfristig auf eine steigende Quote der Zahlungsausfälle einzustellen. Und das nicht nur, wie man vermuten könnte, im Discountbereich, der vor Covid tendenziell höhere Rücklastschriftquoten zu verzeichnen hatte als das Mittelpreis- oder Premiumsegment
Dies bestätigt auch René Hinrichs, Senior Sales Manager bei Lowell: „Die Auswertung von Mitgliedsbeiträgen ist Teil unserer Analysen. Dabei zeigt sich, dass Zahlungsausfälle im Discountbereich grundsätzlich häufiger vorkommen als im Premiumsegment. Die sowohl mit der Coronapandemie als auch die mit der Energiepreiskrise einhergehenden Probleme scheinen allerdings prozentual in allen Preissegmenten gleich durchzuschlagen – in Relation sind die Ausfallquoten bei unseren Kunden in allen Segmenten gestiegen.“
Unterschiede zwischen Bestands- und Neukunden
Auffällig ist dabei, dass es bei den Zahlungsausfällen nicht nur signifikante Unterschiede zwischen Bestands- und Neukunden, sondern auch ein Zusammenhang zwischen der Check-in-Quote und der Rücklastschriftquote besteht. So ist die Ausfallquote bei Bestandskunden deutlich geringer als bei Neukunden und es scheint darüber hinaus folgender Grundsatz zu gelten: Je häufiger ein Mitglied das Studio nutzt, umso wichtiger ist ihm die Mitgliedschaft und umso mehr achtet es darauf, dass die Abbuchung der Mitgliedsbeiträge korrekt erfolgt.
Warum die Ausfallquote bei Neukunden höher ist als bei Bestandskunden, hat mehrere Ursachen. So rechnen beispielweise manche Neumitglieder einfach nicht damit, dass bei dem ersten Bankeinzug nicht nur der monatliche Mitgliedsbeitrag, sondern zusätzlich auch die Anmeldegebühr und eventuell Trainerpauschalen mit abgebucht werden – mit der Konsequenz, dass der Gesamtbetrag höher als vielleicht erwartet ist und das Konto nicht über eine ausreichende Deckung für diese Gesamtsumme verfügt.
Wann wird abgebucht?
Es gibt aber durchaus auch Möglichkeiten, die Rücklastschriftquote deutlich zu reduzieren. Die Inkasso-Spezialisten raten, bereits im Vorfeld Maßnahmen zu ergreifen.
René Hinrichs empfiehlt: „Viele Studios bieten ohnehin zwei verschiedene Abbuchungstermine an, zum Beispiel am Monatsanfang und in der Monatsmitte. Statt unverhältnismäßig teurer und aufwendiger Risikoprüfsysteme würden wir Studiobetreibern empfehlen, mit potenziellen Neukunden sehr transparent über die mit einem Vertrag einhergehenden Verpflichtungen zu sprechen, alle mit dem Vertragsabschluss einhergehenden Kosten nochmals darzulegen und auf klassische ‚Alarmzeichen‘ zu achten. Und wenn das Kind doch in den Brunnen gefallen ist, ist ein professionelles Mahnwesen das A und O – hier gibt es viele Folgeschritte, bei denen ein erfahrener Inkasso-Dienstleister mit Rat und Tat zur Seite stehen kann.“
Theodor Tetzlaff sagt dazu: „Ganz wichtig ist eine exzellente Kommunikation mit den Mitgliedern. Viele Mitglieder reagieren verständnisvoll auf Themen wie ‚Vertragsverlängerungen durch Covid-Schließzeiten‘ und ‚Preiserhöhungen‘, sofern sie aktiv und umfassend eingebunden werden. Darüber hinaus kann ein professionelles Beitragsmanagement wie das von Finion mit MemberCash helfen, die Rücklastschriftquote langfristig zu senken.“
Alexander Kraut ergänzt: „Am sinnvollsten ist es, die Termine individuell zu vereinbaren. Am besten klärt man mit dem Mitglied, wann in der Regel das Gehalt auf dem Konto ist, und vereinbart die Lastschrift für den Folgetag. Wenn das Mitglied am 25. das Gehalt auf dem Konto hat, buche ich im besten Fall am 26. ab und nicht erst am Ersten oder Zweiten. Daher als Tipp: Wenn es möglich ist, würde ich immer empfehlen den Termin individuell zu vereinbaren. Das bezieht sich natürlich auf monatliche Abbuchungen und ist bei wöchentlichen Abbuchungen nicht praktikabel.“
Wolfgang Gehrer, Senior Consultant bei der CashControl Consulting GmbH (Cash Control) ergänzt dazu: „Wir empfehlen gerade in diesen herausfordernden Zeiten, per E-Mail über den anstehenden Einzug zu informieren. Damit haben die Mitglieder Zeit, für eine ausreichende Kontodeckung zu sorgen oder zumindest das Gespräch mit dem Fitnessstudio zu suchen, um eine Rücklastschrift zu vermeiden und eine Zahlungsvereinbarung zu treffen.“
All diese Maßnahmen werden zwar nicht dazu führen, die Rücklastschriftquote auf null zu reduzieren, doch helfen sie dabei, die Folgekosten für das Mitglied und das Studio zu reduzieren.
Zutritt verwehren?
Zu guter Letzt stellt sich natürlich die Frage, wie man mit einem Mitglied umgeht, das seine Beiträge nicht bezahlt hat, aber trotzdem ins Studio zum Trainieren kommt. Die meisten Drehkreuze sind so eingerichtet, dass jederzeit der Zugang zum Studio verwehrt werden kann und auf dem Monitor gezeigt wird, warum der Zugang gesperrt ist. Ob man diese Möglichkeit bereits nutzt, wenn die erste Lastschrift nicht eingelöst wurde, muss jeder Studiobetreiber selbst entscheiden. Wichtig ist aber, dass der Bildschirm nicht von anderen Mitgliedern einsehbar ist und dass das Mitglied nicht am Empfangstresen mündlich über den Grund der Zugangssperre informiert wird.
Besser ist es, mit dem säumigen Mitglied in einen separaten Bereich zu gehen, um mit ihm über das Problem zu sprechen und im besten Fall eine einvernehmliche Lösung zu finden. Im Hinterkopf sollte man behalten, dass die gestiegenen Lebenshaltungskosten dazu geführt haben, dass rund ein Drittel der Deutschen nur noch eingeschränkt ihre laufenden Kosten über ihre Einnahmen decken kann, also nicht aus böser Absicht den Mitgliedsbeitrag nicht zahlen.
Ralph Scholz
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