Training bei Adipositas
Welches Trainingsformen eignen sich am besten zum Abnehmen?
Die Reduktion von Körperfett ist das Ziel vieler Fitnesskunden. Nathalie Milton erklärt, welche Trainingsformen und Alltagsgewohnheiten eine Gewichtsabnahme optimal fördern.
Adipositas wird zunehmend als eigenständige Erkrankung anerkannt und ist Hauptursache für kardiovaskuläre und Risikofaktor für viele weitere Erkrankungen. Der Anstieg der Adipositasprävalenz ist unter anderem mit körperlicher Inaktivität assoziiert. Diese ist einer der wichtigsten veränderbaren Risikofaktoren für die weltweite Sterblichkeit. So haben körperlich inaktive Menschen schätzungsweise ein um 20–30 Prozent höheres Risiko eines vorzeitigen Todes als körperlich aktive Menschen. Sport fördert, in angemessener Dosierung, die physische und psychische Gesundheit, beugt Krankheiten vor und kann zur Linderung oder Heilung bestehender Erkrankungen oder Beschwerden beitragen. Radikale Veränderungen, die dazu führen sollen, in kurzer Zeit viel Gewicht zu verlieren, sind jedoch sehr häufig nicht nachhaltig. Diese Veränderungen führen eher dazu, dass die Klienten immer wieder Rückfälle erleben und dies als Scheitern empfinden. Ziel eines Trainings sollte daher sein, Klienten ibei einer Lebensstiländerung zu begleiten und sie zu motivieren.
Anamnese
Gängige Zielformulierungen wie das Erreichen eines Wunschgewichts führen Bewegungshäufig dazu, dass die Klienten ihren Fokus zu stark auf die Zahl, die auf der Waage steht, legen. Bei diesen Zielformulierungen spricht man von „Resultatorientiertheit“, denn der Fokus liegt auf dem Ergebnis und Sport wird als Mittel zum Zweck betrachtet. Oft fehlt dabei eine Identifizierung mit dem Prozess, sprich mit der sportlichen Aktivität. Der Klient hält sich weiterhin für einen „Sportmuffel“ oder für einen „gemütlichen Menschen“ und die sportliche Aktivität dient nur dem Zweck, das Zielgewicht auf der Waage zu erreichen. Dieses Konzept halten viele Menschen nicht über lange Zeiträume durch, da das Selbstbild nicht zu dem Verhalten passt.
Eine andere Variante, um nachhaltig Erfolge mit adipösen Klienten zu generieren, ist die Veränderung der individuellen Lebensgewohnheiten. Hierbei geht es darum, dass die Kunden ihre Weltanschauung und ihr Selbstbild verändern und Schritt für Schritt Gewohnheiten aufbauen, die zu einem neuen Selbstbild passen. Der Klient soll versuchen, das Ziel nicht darin zu sehen, abzunehmen, sondern ein sportlicher, gesunder Mensch zu werden, als solcher zu handeln und Entscheidungen danach zu treffen. Das ist ein Prozess, der vielleicht länger dauern, dafür aber zu nachhaltigeren Veränderungen führen kann. Eine zusätzliche Wirkung zeigt auch die ausführliche Aufklärung und Beratung seitens der Trainer über die gesundheitlichen Vorteile eines körperlich aktiven Lebensstils, die ja weit über die Körperfettreduktion hinausgehen. Dabei rückt die Zahl auf der Waage vielleicht sogar immer mehr in den Hintergrund und das Training wird Ausdruck eines aktiven, gesunden Lebensstils, wodurch sich das Wunschgewicht nach und nach von ganz allein einstellt.
Das Training
Eine wichtige Säule zur Körperfettreduktion und Gesunderhaltung des Menschen ist körperliche Aktivität. Eine Steigerung von 0 auf 150 Minuten wöchentliche Bewegung mit mittlerer Intensität kann das Sterblichkeitsrisiko bereits deutlich senken. Je mehr ausdauerorientierte Bewegung im beruflichen Alltag und in der Freizeit stattfindet, desto besser ist die Herz-Kreislauf-Gesundheit. Sowohl kurze anstrengende Einheiten als auch Einheiten mit einem Umfang von unter 2 ½ Stunden pro Woche bei mittlerer Intensität haben bereits einen positiven Einfluss auf den Blutdruck. Das Risiko, an Diabetes mellitus Typ 2 zu erkranken, kann mit einem Bewegungsumfang von 150 bis 300 Minuten pro Woche bei mittlerer Intensität um ca. 25–35 Prozent reduziert werden. Bei Erkrankungen des Bewegungsapparates spielt Krafttraining eine wichtige Rolle. Regelmäßig ausgeführt, trägt es zum Erhalt der Knochen-, Knorpel- und Sehnenstruktur bei. Der Energieumsatz pro Zeit ist bei Krafttraining zwar geringer als bei Ausdauereinheiten – Krafttraining regt jedoch die Lipolyse an und kann das Gewicht langfristig positiv beeinflussen. Durch den Muskelaufbau lässt sich der Grundumsatz steigern, wodurch sich die Körperzusammensetzung nachhaltig verändert. Gerade Bauchfett ist nicht bradytroph, sondern in ihm werden u. a. Wachstums-, Gerinnungs- und Entzündungsfaktoren gebildet. Außerdem hat die metabolische Veränderung durch Training positive Auswirkungen auf die Insulin- und Leptinresistenz und somit auf das Diabetesrisiko. Deshalb sollte körperliches Training nicht nur als Mittel zur Kalorienverbrennung gesehen werden.
Auch ein hochintensives Intervalltraining (HIIT) kann bei Menschen mit Adipositas nach einem ärztlichen Check-up angestrebt werden. Im Vergleich zu einem Training mit konstanter moderater Intensität hat HIIT bei adipösen Klienten Vorteile bezüglich der Verbesserung der cardiorespiratorischen Fitness (CRF) und der Zeiteffizienz. Mit ca. 40 Prozent geringerem Zeitaufwand lassen sich die gleichen Effekte bezüglich Körperfettreduktion beobachten. Wichtig ist jedoch, dass die individuelle Situation der Kunden berücksichtigt wird, um sie nicht zu überfordern. Um Klienten an ein Intervalltraining zu gewöhnen, kann auch erst einmal mit einem moderat intensiven Intervalltraining (MIIT) begonnen werden. Bezogen auf die positiven Wirkungen auf Blutdruck und VO2max schneidet HIIT in manchen Studien allerdings besser ab. Durch die verschiedenen Wirkungen von Ausdauer- und Krafttraining profitieren Menschen mit Adipositas am meisten von einer Kombination aus beidem.
Veränderungen außerhalb des Trainings
Nicht zu vernachlässigen sind die kleinen Bewegungsgewohnheiten außerhalb des eigentlichen Trainings. Hierbei gilt es gemeinsam mit den Klienten zu überlegen, welche Art körperlicher Aktivität zusätzlich in den Alltag einfließen kann, um daraus feste Gewohnheiten entstehen zu lassen. Damit eine Gewohnheit zu einem wichtigen Teil des Lebens werden kann, ist es sinnvoll, einen Auslösereiz für sie zu schaffen. Je auffälliger dieser Auslösereiz ist, desto leichter wird er beachtet. Es ist z. B. sinnvoll, den Klienten zu raten, sich eine kleine Auswahl an Trainingsequipment anzuschaffen und es am besten sichtbar zu positionieren. Um die neuen Gewohnheiten attraktiver zu gestalten, kann man sie auch mit anderen Gewohnheiten verknüpfen, z. B. wenn der Klient regelmäßig am Tag vom Schreibtisch aufsteht, um sich einen Kaffee zu holen, macht er jetzt jedes Mal vorher eine kleine Bewegungspause. Das Fahrrad, das direkt vor der Haustür steht, verleitet eher dazu, mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zur Arbeit zu fahren.
Atmung
Auch die Atmung spielt bei Adipositas und Körperfettreduktion eine wichtige Rolle und sollte im Training und im Alltag nicht außer Acht gelassen werden. Viele Menschen mit Adipositas neigen zu schlechten Atemgewohnheiten wie chronischer Hyperventilation und Mundatmung, was wiederum zu dauerhaft anhaltenden Stressreaktionen im Körper führt. Bei der Bewertung der Atmung spielen verschiedene Kriterien eine Rolle. Ein wichtiger Parameter der Atmung ist die CO2-Toleranz. Kohlendioxid ist daran beteiligt, dass Sauerstoff in die Zellen und somit auch in die Muskeln gelangt. Bei übermäßiger Atmung, vor allem durch den Mund, wird zu viel CO2 abgeatmet, was zu einer Verminderung der Sauerstoffaufnahme in den Zellen führt. Wird dieses Muster über einen längeren Zeitraum beibehalten, nimmt die CO2-Toleranz ab. Ein einfaches Mittel, diese zu messen, ist der Body-Oxygen-Level-Test (BOLT). Bei diesem Test wird die Zeit gemessen, wie lange eine Person nach entspannter Ausatmung ohne Anstrengung die Luft anhalten kann. Wichtig ist, dass es nicht um Willenskraft geht, sondern nur darum, wann der erste Drang entsteht, wieder atmen zu müssen. Ist der BOLT-Wert niedrig (< 20 Sekunden), heißt das, dass die Atemrezeptoren sehr empfindlich auf Kohlendioxid reagieren. Erstrebenswert ist in der Regel ein BOLT-Wert um die 30 Sekunden oder mehr.
Die einfachste Methode, die ganz am Anfang des Trainings der Atmung stehen sollte und mit der die CO2-Toleranz wieder gesteigert werden kann, ist das Etablieren der Nasenatmung. Die Klienten können erst einmal angewiesen werden, sich ihrer Atmung bewusst zu werden und diese zu unterschiedlichen Tageszeiten zu beobachten. Sollten sie bei sich feststellen, dass sie häufig durch den Mund atmen, können sie versuchen, immer häufiger durch die Nase zu atmen. Als nächster Schritt, nach der Nasenatmung, kommt „reduziertes Atmen“ als adäquate Übung zur Steigerung der CO2-Toleranz in Betracht. Hierbei wird jede Einatmung etwas reduziert, es wird also nicht so tief eingeatmet wie zuvor, gefolgt von einer entspannten Ausatmung, bis ein leichter bis mittlerer Lufthunger verspürt wird und das Gefühl entsteht, eigentlich etwas mehr atmen zu müssen. Diesen Zustand sollten die Klienten ein paar Minuten aushalten. Auf diese Weise kann die CO2-Toleranz langsam wieder gesteigert und die Atmung normalisiert werden.
Nathalie Milton
Nathalie Milton
ist Personal Trainerin in Köln und vereint bei der Arbeit mit ihren Klienten seit 15 Jahren Krafttraining, Yoga und Entspannung. Sie hat Gesundheitsmanagement studiert und unterrichtet als Hochschuldozentin u. a. die Fächer Fitness- training und psychologisch orientiertes Training.
www.nathaliemilton-training.de
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