body LIFE- EXPERTENTALK
„ Die Technologie ist im Wandel“
Um sich als Gesundheitsanbieter zu positionieren, sind Test- und Diagnosetools heute unerlässlich. Im body LIFE-Expertentalk tauschten sich Branchenexperten darüber aus, was gute Tests ausmacht, ob der Einsatz neuer bildgebender Testverfahren in Fitnessanlagen Sinn macht und wie wichtig die richtige Interpretation der Daten ist.
Die Teilnehmer des body LIFE-Expertentalks: Prof. Dr. Stephan Geisler (Professor an der IST-Hochschule), Markus Hennewald (Customer Success Manager, InBody Deutschland), Mareen Weitl (Head of Sales & Marketing, cardioscan GmbH), Dario Wempner (Vertrieb Scaneca GmbH), Angelina Zirkel (Vertriebsleiterin Medical Fitness DACH, seca), Thorsten Rebek (Geschäftsführer bodyLIFE Medien)
Thorsten Rebek: Tests und Re-Tests sind die Basis für die Erstellung des Trainingsplans. Wo sind die Schwächen in den Fitnessanlagen?
Prof. Dr. Stephan Geisler: Nach einer Bedarfsanalyse kommt im Optimalfall eine gewisse Art der Leistungsdiagnostik, Messung, Testung, Anthropometrie oder was auch immer man überprüfen kann und möchte. Dann kommt die Erstellung eines Trainingsplans und nach einer gewissen Zeit ein Re-Test. Das ist etwas, was mir grundsätzlich in der Fitnessbranche noch etwas fehlt. Jeder Trainer schreibt seinen Trainingsplan nach bestem Wissen und Gewissen. Das Problem ist, wir überprüfen das häufig nicht. Woher wissen wir denn, ob der Trainingsplan wirklich so funktioniert hat, wie wir uns das vorstellen? Genau für diese Situation brauchen wir Tests und Leistungsdiagnostik – und die ist abhängig vom Trainingsziel. Man darf auch nicht einfach drauflostesten. Testen macht nur Sinn, wenn man sich an bestimmte Gütekriterien wie Objektivität – Tests sind unabhängig vom Tester –, Reliabilität – Zuverlässigkeit – und Validität – Gültigkeit – hält. Mit diesen Gütekriterien im Hinterkopf misst man einfach besser.
Thorsten Rebek: Sollte immer alles getestet werden?
Prof. Dr. Stephan Geisler: Was wir testen, ist grundsätzlich immer abhängig vom Trainingsziel. Wenn der Trainer das Trainingsziel in der Anamnese schon heraushört, dann würde ich nicht unbedingt die ganze Testbatterie testen, die mir zur Verfügung steht, sondern ganz gezielt das, was für das Trainingsziel wichtig ist.
Thorsten Rebek: Es gibt neue Testtools wie bildgebende Verfahren, Labordiagnostik und MRT. Lohnt sich das?
Prof. Dr. Stephan Geisler: EMG ist etwas, was aus meiner Sicht kommt – auch in der Fitnessbranche und der Physiotherapie. Mit elektromyografischen Untersuchungen können Muskelaktivitäten gemessen werden. Es gibt Hersteller, die EMG in Wearables einbauen, etwas, womit sich die Fitnessbranche demnächst beschäftigen kann. Ultraschall sehe ich im Fitnessstudio nicht. Bildgebende Verfahren wie DEXA werden vermehrt eingesetzt. Da ist die Frage: Wie viel Geld können Fitnessstudios für so etwas ausgeben? Das ist immer noch sehr kostspielig. Auch ein MRT würde ich mir selbst wünschen, ist aber auch zu teuer und schwierig, weil die Auswertung zu kompliziert ist und teilweise auch nicht erlaubt, wie Röntgenstrahlung und Blutentnahmen. Es fängt bereits bei der Laktatmessung an. Die Blutentnahme ist in Deutschland nur dem Arzt oder medizinischem Fachpersonal mit Anweisung des Arztes erlaubt.
Angelina Zirkel: Wir nutzen das MRT, um Muskelmasse sichtbar zu machen – und gerade das viszerale Fett. Wir arbeiten auch mit dem DEXA und weiteren Labordiagnostiken zur Ermittlung der Fettmasse sowie der fettfreien Masse. So ist der Punkt „Ernährung“ gut abzubilden.
Thorsten Rebek: Sind Studiobetreiber gut ausgestattet oder besteht Nachholbedarf?
Angelina Zirkel: Die Medical-Fitness-Industrie, ob es jetzt Gesundheitsstudios sind, Physiotherapie oder Lifestylestudios, die sind schon sehr gut ausgestattet. Wenn man sich solche Tools anschafft, sollte man auf eine medizinische Zulassung achten. Da zukünftig Medizin und Fitness immer weiter ineinandergreifen, sind Tools mit medizinischer Zulassung heute extrem wichtig.
Dario Wempner: Ich denke, dass Testingtools nach einer gewissen Zeit nicht mehr zeitgemäß sind. Die Technologie ist im Wandel. Man sollte in gewissem Maße auf dem aktuellen Stand bleiben, um sich mit Testingtools von Konkurrenten abzusetzen.
Mareen Weitl: Nachholbedarf besteht darin, zu überdenken: Habe ich Tests richtig positioniert oder habe ich vielleicht ganz tolles Testequipment und das steht irgendwo ganz hinten im Trainerzimmer, wo selbst der Trainer vergessen hat, dass da ja was drinsteht? Wenn Diagnostik ein entscheidender Hebel ist, dann gehört sie auch nach vorne. Verstecke sie nicht!
Thorsten Rebek: Warum ist es wichtig, dass Mitarbeiter im Umgang mit Testverfahren gut geschult sind? Sind Interpretationsfehler ein Problem?
Prof. Dr. Stephan Geisler: Die Bioimpedanzanalyse ist eine gute Messmethode. Allerdings muss man auf die Hydration achten und nicht kurz vor der Messung noch einen Liter Wasser trinken – das verfälscht die Ergebnisse. Grundsätzlich sollte man alle standardisierten Vorgaben der Hersteller beachten. Nur dann würde ich so einer Messung vertrauen wollen.
Markus Hennewald: Mit einem guten Körperanalysesystem kann man tatsächlich vom Patienten bis zum Leistungssportler – und alles, was sich dazwischen befindet – sehr gut vermessen. Die Messung, die wir machen, funktioniert dann komplett gleich für jede Person. Allerdings sind die Interpretationen, die daraus gewonnen werden, komplett unterschiedlich. Wir schulen Mitarbeiter deswegen entweder vor Ort oder über Zoom und versuchen sicherzustellen, dass das Onboarding von Mitarbeitern gut funktioniert und sie sich auch bei Rückfragen immer an uns wenden können.
Angelina Zirkel: Bei seca arbeiten wir mit Ampelfarben – Grün, Gelb und Rot. Das schafft eine geringe Hürde und eine Interpretation ist leicht. Wenn die Ampel bei der Muskelmasse auf Gelb oder tendenziell eher Rot steht, dann ist das leicht zu interpretieren.
Mareen Weitl: Es ist eine wesentliche Weiterentwicklung, dass wir die Hürden klein und es für den Trainer nicht kompliziert machen. Wir machen die Software immer klüger, sodass ich als Laie verstehe, was bei dem Test herausgekommen ist. Auch der Trainierende will sicherlich Tools haben, die er auch versteht. Für uns ist wichtig, die Barrieren herabzusetzen und Tests zu liefern, aus denen aussagefähige Empfehlungen abgeleitet werden können.
Thorsten Rebek: Von einem Zuschauer kam die Frage, ob die Daten der unterschiedlichen Hersteller miteinander vergleichbar sind.
Angelina Zirkel: Die medizinische Validierung ist in unserer Welt der Schlüssel. Wenn die medizinische Validierung bei allen Herstellern gleich wäre, was sie nicht ist, dann hätte man auch die gleichen Messergebnisse.
Markus Hennewald: Wir stellen die Vergleichbarkeit anhand von Validierungsstudien sicher, wie es jeder Hersteller auch machen sollte. Jeder Hersteller hat seine eigenen Ideen oder eigene technologische Verfahren, wie er glaubt, am genauesten zu messen – und das unterscheidet sich natürlich. Aber wichtig ist, dass man seine Messungen vergleichbar macht und sie mit Validierungsstudien belegen kann.
Dario Wempner: Genau, im Prinzip orientieren wir uns ja alle an einem gewissen Goldstandard. Klar ist auch, dass unterschiedliche Messmethoden auch gewisse Schwankungen untereinander aufweisen können. Wenn wir mit Scaneca, InBody, cardioscan, seca oder DEXA messen, werden wir vermutlich fünf verschiedene Ergebnisse haben, die sich alle in einem ähnlichen Rahmen bewegen, aber sich dem tatsächlichen Wert nur annähern.
Den ganzen Expertentalk können Sie unter www.bodylife.com/videos anschauen.
Foto: body LIFE