Corona-Krise − Fragen und Antworten
Interview mit Julia Ruch, Rechtsanwältin, Inhaberin aktivKANZLEI
Betrifft die behördlich angeordnete Schließung alle Studios?
Am 16. März 2020 haben die Bundesregierung und die Regierungschefs der Bundesländer zur Eindämmung der Corona-Epidemie Leitlinien zur Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen Bereich vereinbart. Danach haben Anbieter ihr Angebot von Freizeitaktivitäten drinnen und draußen zu stoppen und der gesamte Sportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen, Schwimm- und Spaßbädern, Fitnessstudios und ähnlichen Einrichtungen ist einzustellen. Das betrifft tatsächlich so gut wie alle Studiobetreiber und Personal Trainer. Neben dem klassischen Training im Fitnessstudio müssen auch Präventionskurse wie Aquafitness und Pilates abgesagt werden. Ausgenommen sind unter bestimmten Umständen lediglich Einzelbehandlungen beim Rehasport und die Behandlung von Rezept-Patienten.
Sind auch die Outdoor-Aktivitäten untersagt worden?
In den Leitlinien heißt es auch, dass Zusammenkünfte in Vereinen und sonstigen Sport- und Freizeiteinrichtungen zu verbieten sind. Damit sind nicht nur die Institutionen an sich gemeint, sondern auch das organisierte Zusammenkommen von mehreren Menschen. Sinn und Zweck ist es ja, soziale Kontakte im öffentlichen Bereich zu verhindern. Daher kann auch ein Studio oder ein Fitnesstrainer nicht mehr darauf ausweichen, seine Kurse im Freien anzubieten. Besser wären daher Online-Kursangebote – vielleicht auch eine Aktion zu starten und die Mitglieder aufzurufen, dass sie Videos z. B. von ihrer effektivsten Bauchmuskelübung oder Ähnlichem erstellen, um die Mitglieder zu involvieren, die vielleicht auch zu Hause rumsitzen. Zur Motivation könnte man ja vielleicht Personal-Trainer-Stunden für danach unter allen Teilnehmern auslosen. Und natürlich würde dies auch dazu beitragen, die Mitglieder bei Laune zu halten.
Steht den Mitgliedern ein Sonderkündigungsrecht zu?
Da die Studioschließung eine zeitlich befristete Maßnahme ist, haben die Mitglieder erst mal kein Sonderkündigungsrecht. Natürlich kommt es darauf an, wie lange die Schließung erfolgen muss und was dann für ein Mitglied noch zumutbar ist. Da es sich aber um eine behördliche Anordnung handelt, die der Studiobetreiber nicht zu vertreten hat, dürfte das Abwarten bis zum Ablauf der behördlichen Frist zumutbar sein. Erst mal hat das Mitglied den Zeitraum der Schließung hinzunehmen, sodass sich grundsätzlich kein Sonderkündigungsrecht ergibt. Sollten Mitglieder trotzdem kündigen, sollte ein Sonderkündigungsrecht abgelehnt und der Beendigungszeitpunkt nach den normalen Kündigungsfristen bestätigt werden.
Müssen die Mitglieder trotz der Schließung weiterhin ihre Beiträge bezahlen?
Im Vertragsrecht gilt der Grundsatz: Wenn eine Leistung nicht erbracht wird, muss auch die Gegenleistung nicht erbracht werden. Übertragen auf den Fitnessstudiovertrag bedeutet dies, dass ab Schließung das Mitglied das Recht hat, den Beitrag zu mindern. Das Minderungsrecht besteht unabhängig davon, ob der Betreiber etwas dafür kann oder nicht. Daher ggf. aktiv auf Mitglieder zugehen und anbieten, für ein oder zwei Monate auszusetzen und die Vertragslaufzeit um die vereinbarte Zeit zu verlängern. Ein beitragsfreier Zeitraum in der Zukunft würde hingegen das Problem nur verschieben. Schadensersatzansprüche kann ein Mitglied jedoch nicht geltend machen, weil Schadensersatzansprüche stets ein Verschulden voraussetzen. Den Studioinhaber und Fitnesstrainer trifft jedoch kein Verschulden an der Situation der Schließung. Für die Inhaber ist vielleicht auch noch gut zu wissen, dass der Beitragseinzug trotz fehlender Gegenleistung keine unerlaubte Handlung ist, sondern allenfalls eine Vertragsverletzung darstellt. Das führt aber nicht zu einer persönlichen Haftung z. B. des Geschäftsführers, sondern es bleibt bei einem Erstattungsanspruch des jeweiligen Beitrags gegen das Studio.
Welche Folgen gehen mit der Schließung einher? Was bedeutet eine Schließung für die weiterhin zu leistenden Fixkosten (Miete etc.)?
Aktuell ist es immer noch so, dass das Risiko der Studioschließung aufgrund des Corona-Virus vom Mieter und nicht vom Vermieter getragen werden muss. Das bedeutet, der Vermieter kann weiterhin seine Miete verlangen, auch wenn das Studio wegen der behördlichen Verfügungen nicht öffnen kann. Da eine Nichtbezahlung des Mietzinses im gewerblichen Mietrecht schneller als bei Wohnraum, nämlich schon bei Rückstand einer Monatsmiete, eine Kündigung rechtfertigen kann, sollte hier im Vorfeld auf jeden Fall mit dem Vermieter Kontakt aufgenommen werden, um eine einvernehmliche Regelung für den Zeitraum zu finden. Anzuraten ist jetzt zum einen, sich den Mietvertrag anzuschauen − einige Verträge enthalten Minderungsrechte −, und zum anderen zu prüfen, ob im Versicherungspaket eine Betriebsausfallversicherung enthalten ist. Diese könnte gegebenenfalls für Ihren Schaden z. B. im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Fortzahlung der Miete aufkommen.
Können Betreiber eine finanzielle Entschädigung beantragen?
Grundsätzlich dienen Entschädigungsansprüche dem Ausgleich eines Schadens. Wenn die Mitgliedsbeiträge weiterhin eingezogen werden, dann ist noch kein Schaden entstanden. Anders natürlich, wenn Kurse von Fitnesstrainern abgesagt werden oder Mitglieder die Beiträge mindern. Aktuell gibt es rechtlich eigentlich nur zwei Möglichkeiten – die Länder und insbesondere auch die Sport- und Kulturbehörden arbeiten aber derzeit mit Hochdruck an Hilfsmaßnahmen, um Selbstständige zu unterstützen.
- Infektionsschutzgesetz
Im Infektionsschutzgesetz gibt es den § 65, der eine Entschädigung vorsieht:
Soweit aufgrund einer Maßnahme zur Verhinderung der Verbreitung von Krankheiten Gegenstände vernichtet oder in sonstiger Weise in ihrem Wert gemindert werden oder ein anderer nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht wird, ist eine Entschädigung in Geld zu leisten.
Eine Entschädigung für ausgebliebene Mitgliedsbeiträge oder Kursgebühren über das Infektionsschutzgesetz wegen der Schließungsverfügungen ist jedoch eher unwahrscheinlich. Sinn und Zweck des Gesetzes ist es, punktuelle Schäden, z. B. bei Lebensmittelvernichtungen wegen Salmonellen, auszugleichen – und war nicht als gesamtgesellschaftliche Schadensversicherung gedacht. Das Infektionsschutzgesetz setzt auch voraus, dass ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen wurde. Dies ist bei einer Schließungsverfügung jedoch nicht der Fall, da die Schließung nicht in einer Erkrankung oder drohenden Erkrankung von Mitarbeitern begründet ist. Vielmehr erfolgt diese vorbeugend, um die Übertragungsgeschwindigkeit des Virus zu verlangsamen. Daher ist ein Entschädigungsanspruch aufgrund der Verfügungen wohl nicht anzunehmen. Anders verhält es sich jedoch, wenn dem Trainer ein Berufsverbot erteilt wird, weil er erkrankt ist und in Quarantäne geschickt wird. Sinkt das Einkommen aufgrund der Quarantäneanordnung, bekommen Selbstständige eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz. Ebenso verhält es sich, wenn das Studio geschlossen wird, weil Gegenstände mit meldepflichtigen Krankheitserregern behaftet sind. Rein vorsorglich können natürlich entsprechende Ansprüche gegenüber der Behörde geltend gemacht werden. Dies muss innerhalb von drei Monaten nach Erlass der Schließungsverfügung erfolgen.
- Amtshaftung
Amtshaftungsansprüche kommen immer dann zum Tragen, wenn festgestellt wird, dass eine Maßnahme einer Stadt oder Gemeinde nicht rechtmäßig war. Ob und inwieweit die Stilllegungsmaßnahmen der Städte und Gemeinden rechtmäßig sind oder nicht und ob eine Amtspflichtverletzung überhaupt vorliegt oder nicht, werden Gerichte in den nächsten Jahren zu klären haben. Damit etwaige Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer eventuell rechtswidrigen Schließung nicht verloren gehen, müsste der Betreiber die Verfügung rechtlich angreifen. Welches das richtige Rechtsmittel ist, steht ebenfalls in der Verfügung – in den sogenannten Rechtsmittelbelehrungen. In manchen Bundesländern muss Widerspruch gegen die Verfügung eingelegt, in anderen gleich Klage erhoben werden. Auf jeden Fall beträgt die Rechtsmittelfrist immer nur einen Monat. Wenn die Verfügung also am 16.3.2020 erlassen wurde, muss bis zum 16.4.2020 Widerspruch eingelegt oder Klage erhoben werden.
Hat der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung zu leisten, wenn eine behördliche Anordnung zur Schließung des Betriebs ergeht?
Unabhängig von möglichen Ansprüchen auf Kurzarbeitergeld ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Mitarbeiter weiter zu bezahlen, wenn dieser arbeiten könnte, aber nicht darf. Ebenso verhält es sich, wenn keine Arbeit da ist. Dies fällt unter das sogenannte Betriebsrisiko des Studioinhabers.
Welche Möglichkeiten haben die Betreiber nach einer Schließung im Umgang mit ihren Mitarbeitern?
Sind Überstunden vorhanden, kann der Arbeitgeber anordnen, dass diese abgebaut werden. Sollten gar keine Einnahmen mehr erzielt werden, kann auch unter bestimmten Umständen Zwangsurlaub im Rahmen von Betriebsruhen angeordnet werden. Ob und in welchem Umfang, ist in der Rechtsprechung jedoch umstritten. Je nach vertraglich vereinbarter Tätigkeit kann dem Mitarbeiter auch eine andere – der Qualifikation angemessene – Tätigkeit zugewiesen werden. So kann der Trainer z. B. verpflichtet werden, Online-Kurse aufzunehmen, nicht hingegen die Umkleiden zu renovieren. Weiter kann überlegt werden, Kurzarbeit anzuordnen und Kurzarbeitergeld zu beantragen. Bei einem erheblichen Arbeitsausfall mit Entgeltausfall, welcher auf Sicherheitsmaßnahmen wegen des Corona-Virus beruht, stellt dieser in der Regel ein unabwendbares Ereignis dar, was Voraussetzung für die Beantragung von Kurzarbeitergeld ist. Die Möglichkeit besteht jedoch nur bei einem ungekündigten Arbeitsverhältnis und für Mitarbeiter, für die Sozialabgaben abgeführt werden, also nicht bei geringfügig Beschäftigten oder Auszubildenden. Zu empfehlen sind eine schnelle Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Sachbearbeiter der örtlichen Agentur für Arbeit und der Abbau von Überstunden und Resturlaub. Die Höhe des Kurzarbeitergeldes berechnet sich nach dem Nettoentgeltausfall. Die Kurzarbeitenden erhalten grundsätzlich 60 Prozent des ausgefallenen pauschalierten Nettoentgelts und 67 Prozent, wenn der Arbeitnehmer mit mindestens einem Kind in einem Haushalt lebt.
Julia Ruch ist Inhaberin der aktivKANZLEI. Nach Ihrem Studium war Sie zunächst als angestellte Rechtsanwältin in verschiedenen Anwaltskanzleien für Zivil- und Arbeitsrecht tätig, bevor Sie als Juristin und Syndikusanwältin in die Wirtschaft wechselte. In großen mittelständigen Unternehmen erwarb Sie langjährige und vielfältige Erfahrungen in den Bereichen Vertragsgestaltung, Arbeitsrecht und Verhandlungsführung. Ein Schwerpunkt ihrer Kanzlei liegt u. a. auf der Beratung von Fitnessstudios und Trainern.
Kontakt:
Julia Ruch
Magirus-Deutz-Straße 12
89077 Ulm
E-Mail: j.ruch@aktivkanzlei.de
www.aktivkanzlei.de
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