Frauen im Business
Vier Vorbilder für Diversität und Innovation
Es gibt nicht nur einen Weg in die Fitnessbranche. Jenseits von Fitnesstraining, EMS-Studios und Franchise zeigen vier starke Frauen, wie sie ihre Leidenschaft zum Business gemacht haben. Luise Walther spricht mit Moni Homann, Janina Lemme, Gina Kappes und Anita Heß über spezifische Zielgruppen, persönliche Lebensgeschichten und die Herausforderungen und Chancen, die eine Existenzgründung mit sich bringt.
Was braucht es neben all den notwendigen bürokratischen Aspekten, um den Traum vom eigenen Unternehmen zu verwirklichen?Per definitionem bedeutet Existenzgründung den Start in die Selbstständigkeit als Unternehmerin. Es gibt ganz unterschiedliche Motive für diesen Schritt. Einige wünschen sich mehr berufliche Freiheit, während andere ihre eigenen Ideen und Konzepte umsetzen möchten. Die Aspekte der Selbstbestimmung und der finanziellen Gestaltungsfreiheit spielen ebenso eine Rolle. Was auch immer die Motive für eine Existenzgründung sind, sie führt immer zu einer großen Veränderung der jeweiligen Arbeitswelt. Besonders wenn man aus einem Angestelltenverhältnis kommt, bedarf es einer realistischen und kritischen Analyse, bevor man sich auf dieses Wagnis einlässt. Denn eines ist klar: Fachkompetenz im Trainingsbereich allein reicht nicht aus, um ein erfolgreiches Business zu gründen. Der Fokus auf das wirtschaftliche Verständnis ist essenziell und begleitet ab der Planungsphase jeden weiteren Schritt und jede Entscheidung. Es bedarf zudem viel Selbstdisziplin, Motivation und Geduld.
Bekannte Beispiele im Fitnessbereich
Im Fitnessbereich gibt es unterschiedlichste Möglichkeiten, sich selbstständig zu machen – sei es als Trainerin in Teilzeit oder Vollzeit oder mit der Eröffnung eines eigenen Studios. Die Branche bietet hier viele Optionen: von Franchisemodellen bis hin zu Fitness- und Freizeitanlagen.
Masse vs. Nische
Der Fokus des Geschäftsmodells kann ganz unterschiedlich sein: von Gruppenangeboten und Fitnesskursen hin zur individuellen Betreuung von Athlet:in nen und Kund:innen. Abhängig vom sportlichen Angebot, aber auch vom Investitionsaufwand und der Konkurrenzanalyse kann das Unternehmenskonzept entsprechend gestaltet werden.
Frauen vs. Männer
Auch im Jahr 2021 werden sich immer noch deutlich mehr Männer als Frauen selbstständig machen. Die Gründe dafür sind sehr vielfältig: der Druck von außen oder die Angst vor dem Scheitern, fehlende Vorbilder oder tradierte Rollenbilder. Doch zum Glück tut sich einiges. Sicherlich spielen starke Frauen dabei eine entscheidende Rolle; sie machen vor, wie es gehen kann, ein erfolgreiches Business zu gründen.
„Role Models“ mit Persönlichkeit
Vier Frauen geben im folgenden Interview Einblicke in ihren Weg der Existenzgründung sowie die damit verbundenen Herausforderungen und Chancen. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein in ihren Qualifikationen, Persönlichkeiten und Businesskonzepten. Damit zeigen sie deutlich, wie divers die Fitnessbranche sein kann. Und dass es sich lohnt, Risiken in Kauf zu nehmen, Mut zu fassen und die Geduld zu haben, die eigene Existenz aufzubauen – Stück für Stück.
Moni Homann betreut seit über zehn Jahren ihre Kundinnen auf deren sportlichem Weg nach der Entbindung. Sie schließt die Lücke, die nach der Rückbildung und vor dem (Wieder-)Einstieg in den Sport entstanden ist.
Janina Lemme unterstützt gestresste Frauen in Führungspositionen dabei, stark und fit zu werden und sich wieder wohl in ihrem Körper zu fühlen.
Gina Kappes hilft Unternehmer:innen, Selbstständigen und Führungskräften, Schmerzen in den Griff zu bekommen und Stress besser zu managen.
Anita Heß ist ehemalige „Miss Universe“ und Krafttrainingsexpertin. Aus Leidenschaft begleitet sie seit mehr als 15 Jahren Menschen dabei, ihren Körper und ihr Leben zu verändern.
entscheidend bei der existenzgründung ist, das problem der kund:innen zu kennen und es in den mittelpunkt der dienstleistung zu stellen. moni homann macht das, indem sie jedes problem, das eine mutter nach der schwangerschaft hat, thematisiert: gewichtsprobleme, mangelnde rumpfstabilität, eingliederung von sinnvollen sport- und bewegungsprogrammen in einen lebensabschnitt, der unter völlig neuen vorzeichen steht. bei den business- kundinnen von janina geht es darum, dass die frauen stark und fit sind und das auch körperlich nach außen ausstrahlen. „eigentlich bin ich ‚energiemanager‘. wir finden heraus, welche ressourcen da sind und wie man diese nutzt, um das jeweilige ziel zu erreichen“, sagt janina.
Interview
Was hat euch dazu gebracht, euer eigenes Business aufzubauen?
Moni: Die eigene Situation. Als mein Sohn vor 15 Jahren geboren wurde, habe ich nach einer Trainerin gesucht, die sich nur mit postnatalen Klientinnen beschäftigt. Ich habe keine gefunden. Also habe ich selbst ein Programm entwickelt: „Schöne Mütter“.
Janina: Der Wunsch, auf die Weise zu arbeiten, die ich für richtig halte.
Gina: Persönliches Drama und Krisen – mit dem Wunsch, meine eigenen Entscheidungen treffen zu können.
Anita: Ich habe aus der Not eine Tugend gemacht. Nach jahrelangem Angestelltenverhältnis war die Rückkehr in meine Heimat die Chance, endlich in den eigenen Räumlichkeiten mit meinen Kunden zu trainieren. Ich bin mein eigener Herr und stecke meine gesamte Energie in meine Firma und mich. Ich stehe für all meine Entscheidungen gerade, egal ob daraus Pleiten und Pech oder Freude entsteht.
Was war eure größte Herausforderung?
Moni: Den Mut zu haben, eine dermaßen kleine Lücke zu besetzen. Und daran zu glauben, dass es funktioniert.
Janina: Anfangs: zu verkaufen. Das hatte ich nie gelernt und ich habe mich schlecht dabei gefühlt. Aber ohne Verkauf kein eigenes Business. Eine andere riesige Herausforderung: zu wissen, dass ich nicht alles weiß und nicht alles wissen werde.
Gina: Frau sein in einem männerdominierten Markt.
Anita: In die Selbstständigkeit zu gehen und mit dem eigenen Tun seine Brötchen zu verdienen. Herausforderungen sind auch die unternehmerischen Fehlentscheidungen. Ich musste schnell lernen, mich emotional sehr zu distanzieren, ohne dabei die Nähe zu meinen Kunden zu verlieren.
Welche Chancen habt ihr gesehen?
Moni: All den anderen Müttern zu helfen, denen es genauso ging wie mir damals.
Janina: Meine Kunden auf die für mich sinnvollste Weise zu betreuen. Meinen Tag nach meinen Bedürfnissen zu planen. Mich fortzubilden, wann und in was ich will. Ich muss nicht über Sinnhaftigkeit verschiedener Systeme diskutieren oder mich ihnen beugen.
Gina: Mehr Erfolg – persönlich und auch finanzieller Art.
Anita: Ich bin eine Frau – und damit immer noch sehr „selten“ in der Branche. In Netzwerkcalls sitze ich oft allein zwischen Männern. Ferner weiß ich, was ich kann. In mir stecken fast 20 Jahre Handball und ich habe die letzten Jahre vornehmlich mit der Sportart Bodybuilding verbracht. Bodybuilding ist eine Sportart, die bei Frauen eher mit gerümpfter Nase gesehen wird, doch dadurch weiß ich mittlerweile auch sehr gut, was ich nicht kann und schon gar nicht mehr will. Das lässt mich sehr klar mit Kunden, Interessenten und Geschäftspartnern kommunizieren und voranschreiten.
Hattet ihr Mentoren, Unterstützer?
Moni: Meinen Mann. Ohne den wäre das alles nicht entstanden.
Janina: Meine ehemalige Chefin hat mir Mut für die Selbstständigkeit gemacht, weil sie an mich geglaubt hat. Das habe ich anfangs gebraucht, sonst hätte ich den Sprung nicht gewagt.
Anita: Meine Mutter als Geschäftsfrau und mein Kollege Guido, der leider der Einzige war, der mir in meinen Anfangszeiten das Gespräch angeboten hat. Mittlerweile ist dadurch eine gute Freundschaft entstanden, für die ich sehr dankbar bin.
Wie seid ihr mit Kritik umgegangen?
Moni: Ich habe sie für mich genutzt und geändert, was sinnvoll und konstruktiv kritisiert wurde.
Janina: Aufgrund von Kritik habe ich die schnellsten Fortschritte gemacht; ich bin sehr dankbar für Kritik! Auch wenn ich natürlich lieber ein Lob höre.
Gina:: Reflexion und Mindset-Arbeit.
Anita: Zuerst einmal nehme ich Kritik sehr ernst und sehe sie als Chance. Kritik ist grundsätzlich nur Feedback und die Meinung eines anderen. Ich hinterfrage, warum Kritik entsteht, wer kritisiert wen, warum, um dann selbstkritisch meine Anschauungen zu hinterfragen.
Was ist euer größtes Learning aus der Existenzgründung?
Moni: Selbstständig zu sein bedeutet, „selbst“ und „ständig“ zu arbeiten. Sich zurückziehen, wenn es zu viel wird, sich Pausen nehmen. Immer beweglich bleiben im Kopf. Und nach vorn schauen. Was heute noch gut funktioniert, passt in ein, zwei Jahren vielleicht nicht mehr.
Janina: Dass sie nur gut gelingt, wenn ich mich selbst entwickle. Es war die beste Schule, um schnell „in mir“ zu wachsen!
Gina: Entscheidungen zu treffen.
Anita: Vertraue dir selbst und wähle dein Netzwerk weise!
Was war euer größter Fehler und wie würdet ihr es heute besser machen?
Moni: Ich würde alles genauso wieder machen. Ich würde wahrscheinlich mein Pricing von Beginn an etwas höher ansetzen und mich nicht zu billig verkaufen.
Janina: Ich habe anfangs alle Kunden bedient und mich selbst dabei hinten angestellt. Das hatte zur Folge, dass meine Klienten weniger Erfolg hatten, weil ich nicht richtig abgeklärt hatte, dass sie tatsächlich diesen Weg gehen wollten. Und ich war irgendwann ausgebrannt, hatte keine Lust mehr auf meinen Job, weil ich zu viele Stunden für zu wenig Geld gearbeitet habe. Diese Erfahrung war aber sehr wichtig für mich! Heute achte ich enorm auf meine eigene Energie, weil mit dieser mein ganzes Business steht und fällt. Das heißt: Ich sortiere Klientinnen im Erstgespräch aus und arbeite nur mit denen, mit denen es gut passt. Die rauben keine Energie. Und ich habe feste Arbeitszeiten inkl. Wochenende, Urlaub etc.
Gina: Zu viel Vertrauen in Menschen um mich herum. Vorsichtiger sein.
Anita: Keinen Unternehmensberater engagieren. Das Geld hätte ich in neue Gerätschaften besser investieren können. Mehr Geduld hätte mir den ein oder anderen Euro gespart
Welchen Tipp würdet ihr anderen Gründerinnen geben?
Moni: Prüfe, ob dein Weg ein Herz hat. Wenn ja, beschreite ihn.
Janina: Einfach machen. Ja, irgendwann auch den Kopf einschalten und sich an den Stellen Hilfe holen, wo man nicht weiterkommt. Aber ohne „einfach machen“ wird nichts passieren!
Gina: Sich selbst treu bleiben.
Anita: Als Frau hat man sicherlich in manchen Bereichen einen klaren Weiblichkeitsbonus, doch muss man sich bewusst sein, dass das Geschäftsleben harter Boden ist. Frau muss bereit sein, oft hart zu fallen und auch Nettigkeiten hinausstellen zu können.
Was war für euch die größte Veränderung auf eurem Weg?
Moni: Meine eigene Wahrnehmung auf mich, auf das, was ich kann, und auf das, was ich wert bin. Das war und ist typisch für uns Frauen und immer noch meine größte Herausforderung.
Janina: Die Verantwortung für alles zu übernehmen. Das hat in meinem ganzen Leben alles verändert! Als ich noch angestellt war, hatte ich immer jemandem „über mir“, der letztlich die Verantwortung trug. Selbst komplett die Verantwortung für alles zu übernehmen, kann anstrengend sein, aber macht so frei und selbstbestimmt!
Gina: Weniger Menschen um mich herum zu haben.
Anita: Der Sprung vom Angestellten in die Selbstständigkeit.
Glaubt ihr, dass Männer anders gründen als Frauen?
Moni: Einem Mann würde der Gedanke „Ob ich wohl gut genug bin?“ niemals in den Sinn kommen. Männer haben weniger Selbstzweifel. Selbst wenn sie krachend scheitern, finden sie sich immer noch klasse. Das ist bei Frauen oft anders, leider.
Janina: Ich glaube, Männer machen einfach und haben vielleicht auch eher das Thema „Finanzen“ im Blick. Frauen haben eine große Stärke durch eher weibliche Eigenschaften wie Empathie etc. Sie laufen aber, denke ich, viel eher Gefahr, beim Geben an andere sich selbst zu vergessen. Es braucht beides, das Analytische und das Emotionale. Wir alle tragen beides in uns und können auch die jeweils andere Seite in uns weiterentwickeln.
Anita: Das mag sein, vielleicht schauen Männer weniger nach links und rechts und wollen nicht mit allen gut befreundet sein!
Welche Eigenschaften brauchen Gründer und Gründerinnen?
Moni: Leidenschaft – du kannst nur das in anderen entzünden, was in dir selbst brennt. Vertrauen in dich und in die Menschen um dich herum. Geduld – manche Dinge brauchen Zeit.
Janina: Ausdauer, Freude oder Sinn an der Sache, die Bereitschaft, vom ursprünglichen Plan abzuweichen.
Gina: Handy, Computer, Essen.
Anita: Disziplin, Leistungsmotivation, wirtschaftliches Denken.
Was hättet ihr gerne vor der Existenzgründung gewusst?
Moni: Wie viel Arbeit das bedeutet.
Janina: Es ist gut, dass ich nicht wusste, was da auf mich zukam. Ich hätte es sonst nicht gemacht. Heute bin ich unendlich froh über diesen Weg.
Gina: Wie viel Angst man hat.
Anita: Dass man viele Trottel auf seinem Weg trifft und nicht alle sofort identifiziert und eliminiert!
Was fehlt der Fitnessbranche?
Moni: Kluge und visionäre Menschen, die den Blick konzentriert auf ihre Kunden richten und nicht irgendwelche Trainings mit der Gießkanne über alle auskippen.
Janina: Gespür und Lösungen für das Individuum. Oft werden alle durch Schema F gejagt und nicht da abgeholt, wo sie gerade wirklich stehen, vor allem mental. Dadurch können immer weniger Menschen wirklich Bezug zur Bewegung aufbauen und haben deshalb langfristig keinen Erfolg.
Gina: Klarheit.
Anita: Die Zusammenarbeit mit übergreifenden Institutionen, Physiotherapeuten, Ärzte usw. Wir Trainer sorgen dank der Motivation und dem geballten Wissen dafür, dass mehr Menschen dem Gesundheitssystem NICHT zur Last fallen; das sollte besser funktionieren.
Moni Homann (o. l.): Personal Trainerin, spezialisiert auf Mütter. www.monihomann.de
Janina Lemme (o. r.): Personal Trainerin und Coach bei www.changelife-berlin.de
Anita Heß (u. l.): Personal Fitness Coach. www.anitahess.de
Gina Kappes (u. r.): Personal Trainerin für Schmerz- und Stressproblematik. www.true-evolution.com
Fazit
Die Fitnessbranche ist bisher kaum ein Vorbild für Diversität und Innovation. Doch aktuell verändert sich das; auch durch die Coronakrise wird sich der Fitnessbereich zum Teil neu erfinden müssen. Man darf also gespannt sein, was sich hier in den nächsten Jahren noch alles tun wird. Eines ist bereits sicher: Mehr Vielfalt, starke Ideen und innovative Konzepte werden sich auch in Zukunft durchsetzen. Die Beispiele dieser vier Frauen machen Mut und sind mit Sicherheit Inspiration und Vorbild für viele.
Das System „One size fits all“ ist gerade in der Fitnessbranche längst überholt. Fangen Sie also einfach an. Schreiben Sie Ihre Ideen auf, tauschen Sie sich mit anderen Gründerinnen aus, sprechen Sie mit Gleichgesinnten, suchen Sie sich Vorbilder und Mentorinnen. Oder um es mit den Worten von Janina zu sagen: „Frauen, traut euch zu gründen! Es gibt viele andere tolle Gründerfrauen, mit denen man in den Austausch gehen kann. Ihr seid da nicht alleine!“
Luise Walther
Luise Walther ist Expertin im Bereich neurozentriertes Training an der Schnittstelle Medizin und Fitness. Als Personal Trainerin fokussiert sie sich auf Schmerzbewältigung durch Neuro Education und ganzheitliches Training für Gehirn und Körper. Neben ihrer individuellen Arbeit mit Kunden und Leistungssportlern arbeitet sie an der digitalen Umsetzung des neurozentrierten Trainings. 2020 gewann sie den Gründerinnen-Preis vom Grace Female Accelerator Programm und erhielt außerdem ein R + D Fellowship der Robert-Bosch-Stiftung und des Media Lab Bayern.
Foto: Luise Walther,Thomas Groth; Janina Lemme; Magulski Photography; Moritz Schulze