„Glaubt an euch!“
Interview mit Christian Kannenberg, Geschäftsführer Expertennetzwerk Deutschland
Christian Kannenberg ist Geschäftsführer des Expertennetzwerks Deutschland. Das Expertennetzwerk ist eine bundesweite Anlaufstelle für Unternehmensgründer und bestehende Unternehmen. Im Interview spricht Christian Kannenberg über Finanzierungsmöglichkeiten, Businessplan und typische Fehler, die Gründer machen.
body LIFE: Herr Kannenberg, immer mehr Fitnessprofis interessieren sich dafür, ein Boutique-Studio zu eröffnen. Oft scheitert dieses Vorhaben an den finanziellen Mitteln. Welche Finanzierungsmöglichkeiten stehen Gründern zur Verfügung?
Christian Kannenberg: Natürlich ist es für viele Gründer schwierig, das erste Investment komplett selbst zu finanzieren. In diesem Fall gibt es jedoch viele Möglichkeiten einer Fremdfinanzierung – seien es Fördermöglichkeiten, klassische Bankdarlehen, das sog. KfW-Startgeld oder eine Kombination der einzelnen Bestandteile.
body LIFE: Wie sollten Gründer vorgehen, wenn sie sich für eine Fremdfinanzierung interessieren?
Christian Kannenberg: Eine sehr gute Vorbereitung ist das A und O. Man muss einen lückenlos ausgearbeiteten Finanzplan erstellt haben inklusive Rentabilität und Liquidität. An dieser Stelle darf ich darauf hinweisen, dass man sich schon zu diesem Zeitpunkt Gedanken über die eigene Kundenzielgruppe und – aus finanzieller Sicht – deren Zahlungsmoral machen muss. Verzögerte Zahlungseingänge, Kosten für Mahnwesen bis hin zu Zahlungsausfällen müssen direkt berücksichtigt werden. Des Weiteren sollten mehrere Szenarien durchgespielt werden: der Idealfall, eine realistische Entwicklung sowie ein Bad-Case-Szenario. Aus dem Finanzplan, in dem mindestens die ersten drei Jahre nachder Gründung durchkalkuliert sein müssen, ergibt sich der konkrete Kapitalbedarf. In der Kommunikation mit Finanzierungsberatern oder Banken ist es sehr wichtig, selbigen genau darlegen und begründen zu können. Banken sind sehr selektiv, mit Schätzungen oder dergleichen bekommt man noch nicht mal einen Termin.
body LIFE: Wie wichtig ist die Erstellung eines Businessplans?
Christian Kannenberg: Der Businessplan ist die Grundlage für die Selbstständigkeit. Je besser der Plan, desto höher die Erfolgswahrscheinlichkeit. Es reicht nicht aus, auf ein bis zwei Seiten die grundsätzlichen Ideen festzuhalten. Der Businessplan beinhaltet einerseits eine wichtige strategische Komponente. Man sollte – ähnlich wie beim Finanzplan – von Beginn an in verschiedenen Szenarien denken. Was ist, wenn das erste Geschäftsjahr weniger gut läuft als erwartet? Wie reagiere ich, wenn sich z. B. in direkter Umgebung die Konkurrenz niederlässt? Oftmals sind Existenzgründer zu euphorisch. Insbesondere der Risiken sollte man sich bewusst sein und einen Plan haben, wie man auf deren etwaiges Eintreten reagieren kann. Inhaltlich ist neben rechtlichen Aspekten besonders die Vermarktungsstrategie von hoher Relevanz. Hierbei spielt die Ausgewogenheit zwischen zielgerichtetem Online-Marketing und analogen Vertriebswegen eine wichtige Rolle. Das schönste Produkt findet keine Kunden, wenn man sie mit seinen Botschaften nicht erreicht. Hierfür muss man den Markt genau kennen. Zudem ist eine klare Kundensegmentierung notwendig.
body LIFE: Wie viel Eigenkapital muss ein Gründer mitbringen, um eine Finanzierung zu bekommen?
Christian Kannenberg: Das ist sehr unterschiedlich. Bei Kapitalbedarf im sechsstelligen Bereich sollten mindestens 15 Prozent Eigenanteil vorhanden sein. Bei niedrigeren Beträgen geht es auch mit weniger.
body LIFE: Gibt es auch Förderungsmittel für Neugründer?
Christian Kannenberg: Zunächst einmal gibt es in fast jedem Bundesland eine Förderung für die sogenannte Gründerberatung. Das heißt, man setzt sich kostenfrei und unverbindlich mit einem Gründungsberater zusammen, erklärt ihm den Sachverhalt und lässt sich ein Angebot für z. B. den Business- und Finanzplan sowie die Vermarktungsstrategie erstellen. Wenn man sich für eine Zusammenarbeit entscheidet, erhält man nach dem Beratungsprozess einen Teil der Kosten zurück. Wenn der Beratungsaufwand in der Vorgründungsphase beispielsweise 3.000 Euro umfasst, bekommt man zum Beispiel in NRW 50 Prozent und in Bayern 70 Prozent zurückerstattet. Mit den aussagekräftigen Unterlagen und der Feinmodellierung des Geschäftsmodells kann man dann gezielt in die Fördermittelrecherche einsteigen. Der Kapitalbedarf ist bekannt und aus der konkreten Gründungsidee geht hervor, welche Fördertöpfe gegebenenfalls bereitstehen. Im Jahr 2020 und den folgenden werden natürlich insbesondere Investitionen in den Bereichen Digitalisierung und Innovation gefördert – technische Erfindungen, die einen Mehrwert für die Gesellschaft bieten. Bei digitalen Geschäftsmodellen kann dies zum Beispiel auch das Programmieren einer Software oder einer künstlichen Intelligenz sein. Auch die klassische Ausstattung eines Studios kann fördermitteltauglich sein, da es auch regionale Förder- und Zuschussmöglichkeiten gibt, die man anfragen kann. Auch Gründungsvorhaben aus der Arbeitslosigkeit können gefördert werden. Hier gibt es den sogenannten Gründerzuschuss, den man bei der Agentur für Arbeit beantragen kann.
body LIFE: Wo können sich Gründer beraten lassen?
Christian Kannenberg: Recherchieren kann man natürlich online, um ein Grundwissen aufzubauen. Eine Face- to-Face-Beratung halte ich jedoch für unerlässlich. Bei zertifizierten Vorgründungsberatern, ist man gut aufgehoben. Auf unserem Portal deutschland- startet.de findet man relevante Informationen zum Thema „Gründung und Unternehmensentwicklung“. Zudem kann man uns kontaktieren und wir bringen Gründer mit einem Berater innerhalb unseres deutschlandweiten Netzwerks zusammen.
body LIFE: Welche typischen Fehler machen Gründer bei der „Finanzierung“?
Christian Kannenberg: Hier sehe ich grundsätzlich zwei Richtungen. Oftmals wird der Kapitalbedarf als zu niedrig eingeschätzt. Der Punkt, an dem das Fremdkapital aufgebraucht ist, tritt dann schneller ein als erwartet. Wenn man ein überzeugendes Konzept vorlegen und es gegenüber einer Bank in jedem Punkt verargumentieren kann, sind die dortigen Entscheider auch bereit, das Investment mit zu finanzieren. Es ist demnach keinesfalls einfacher, an zum Beispiel 50.000 Euro Fremdkapital zu kommen als an 70.000 Euro. Wer nicht überzeugt, bekommt nichts. Der andere Gründertyp setzt auch mal viel zu hoch an und möchte den Finanzierer dazu nutzen, sich von Beginn an ein hohes Gehalt und den sogenannten repräsentativen Firmenwagen sponsern zu lassen. Mit einer solchen Haltung hat man keine Chance. Darüber hinaus ist die Individualität der Finanzierung wichtig. Man sollte durchaus einige Anbieter anfragen oder über einen Berater anfragen lassen, um das beste Angebot identifizieren zu können. So kann zum Beispiel ein Angebot, das gegebenenfalls einen leicht höheren effektiven Zins ausweist als ein anderes, für meine persönliche Situation deutlich besser passen – beispielsweise, wenn es eine relativ lange tilgungsfreie Zeit beinhaltet und ich etwa für das erste oder gar die ersten beiden Jahre nach der Gründung noch keine Tilgung leisten muss.
body LIFE: Haben Sie weitere Tipps für potenzielle Neugründer?
Christian Kannenberg: Habe ich: Überlegt lieber einmal zu viel als zu wenig. Wenn ihr euch sicher seid, gebt Vollgas, trefft die richtigen Entscheidungen und glaubt an euch.
Foto: Christian Kannenberg/Expertennetzwerk Deutschland