Gleiche Bedingungen für alle
Die Geschlechtergleichstellung in der Fitnessbranche anpacken
„Diversität am Arbeitsplatz“ ist in vielen Branchen mehr und mehr ein Thema – gut so! Doch wie ist die Fitnessindustrie diesbezüglich aufgestellt? Um hier einen Einblick zu bekommen, hat die Sport Alliance in Zusammenarbeit mit der Women in Fitness Association die Umfrage „Gender Equality in the Fitness Industry“ initiiert. Maike Kumstel stellt die wichtigsten Ergebnisse vor.
Erfolgreiche Unternehmen wissen, wie sie alle Potenziale innerhalb der Belegschaft nutzen können. Doch betrachten sie auch alle Faktoren, wenn es darum geht, das Unternehmen noch profitabler in die Zukunft zu führen? Wie sieht es zum Beispiel mit dem Faktor der ausgewogenen Geschlechterverteilung in Unternehmen der Fitnessbranche aus? Welchen Einfluss hat der Faktor auf Unternehmen und Personal? Und was können wir tun, um ungenutztes Potenzial zu nutzen? Studien von McKinsey zeigen, dass Unternehmen und Firmen mit einem diversen Führungsteam männlich dominierte Unternehmen mit 21 Prozent hinsichtlich des EBIT übertreffen und 27 Prozent häufiger einen langzeitigen Wert erzielen.
“47 % der angestellten Männer und 36 % der angestellten Frauen sind in einer Führungsposition tätig.“
Da schlummert Potenzial
Unternehmen in der Fitnessbranche sollten sich diese Zahl und ihre Auswirkung auf den Erfolg bewusst machen. Außerdem gilt es, genau zu analysieren, wie die Personalstruktur in ihren Unternehmen hinsichtlich der Geschlechterverteilung aussieht. Nur so können sie bewerten, ob sie tatsächlich ihr volles Potenzial nutzen.
Für die Fitnessbranche gab es bislang keine Daten zu diesem Thema. Daher wurde die Umfrage „Gender Equality in the Fitness Industry“ durchgeführt. Die Daten sind zwar nicht repräsentativ für die Branche, dennoch geben die Ergebnisse interessante Einblicke in die Strukturen der Branche. Zunächst kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die Fitnessbranche immer noch männerdominiert ist – zumindest in Führungspositionen und auf Geschäftsführerebene. Unter den Selbstständigen der Branche sind 70 Prozent der Männer Studiobesitzer, während nur 29 Prozent der in der Fitnessbranche selbstständig tätigen Frauen ein eigenes Studio führen. Weitere Geschlechter sind hier nicht abgebildet, da die vorliegenden Zahlen hierfür zu gering sind.
“27 % der Frauen und 7 % der Männer in Führungspositionen gaben an, dass der Weg zur Führungsposition aufgrund ihres Geschlechts schwieriger gewesen sei.“
Als Nicht-Führungskräfte stoßen Männer und Frauen auf ähnliche Hindernisse während ihres Karrierewegs. Doch je höher man die Karriereleiter erklimmt, desto deutlicher wird der Unterschied zwischen den Geschlechtern. Und die Frauen haben das Nachsehen. Chef zu sein, ist im Jahr 2022 leider immer noch männerdominiert“, sagt Artur Jagiello, Head of Marketing, Sport Alliance. Beide Geschlechter haben laut Umfrage übrigens die gleichen Ziele in Unternehmen: 32 Prozent der Frauen und 27 Prozent der befragten Männer streben eine Führungsposition im Management an. Leider sagen 27 Prozent der Frauen, die es in eine solche Position geschafft haben, dass sie es als schwerer empfunden hätten, in diese Position zu kommen, als ihre männlichen Kollegen. Hindernisse, denen sich Frauen gegenübersehen, sind laut der Studie die schwere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, schlechtere Chancen auf eine Beförderung und das Gefühl, unterschätzt und nicht respektiert zu werden. Diese Fakten zeigen deutlich, dass die meisten Unternehmen in der Fitnessbranche noch viel Potenzial ungenutzt lassen. Würden diese Hindernisse abgebaut werden und Frauen öfter Teil der Managementebene sein, ließen sich aufgrund der unterschiedlichen Einflüsse und Perspektiven bessere unternehmerische Entscheidungen treffen.
Auch Männer profitieren
Diversität nützt dabei nicht nur Unternehmen und Frauen. Studien zeigen, dass auch Männer davon profitieren, wenn sie in einer Umgebung arbeiten, in der es keine Diskriminierung der Geschlechter gibt. Es verbessert ihre Gesundheit, sie haben die Freiheit, sich selbst zu entfalten, und die Möglichkeit, finanzielle Verantwortung mit ihren Partnern zu teilen.
Wer schlummerndes Potenzial wecken möchte, sollte sich mit dem Thema „Vorurteile“ und deren Auswirkungen im Unternehmen auseinandersetzen. Die Umfrage zeigt, dass Männer und Frauen Vorurteile generell sehr unterschiedlich wahrnehmen. So glauben etwa 82 Prozent der Männer, dass in ihrem Arbeitsumfeld keine Vorurteile herrschen – bei den Frauen sind es nur 62 Prozent.
“70 % Männer und 29 % Frauen sind unter den Selbstständigen der Branche Studiobesitzer.“
Bezeichnend ist, dass sich die Meinungen der beiden Geschlechter zu Vorurteilen annähern, wenn sie in Führungspositionen arbeiten. 47 Prozent der Männer und 38 Prozent der Frauen in Führungspositionen sind der Meinung, dass es Vorurteile gegenüber Frauen gäbe, wohingegen 32 Prozent der Frauen und 22 Prozent der Männer glauben, dass Vorurteile gegenüber Männern vorherrschten. Es wird also deutlich, dass Vorurteile in Führungspositionen weitaus verbreiteter sind als auf der operativen Ebene und vor allem hier noch ein großer Handlungsbedarf besteht, um für Gleichberechtigung und Akzeptanz, und damit für erfolgreiche, diverse Teams – zu sorgen.
Gleiche Bedingungen
Um erfolgreich zu sein, ist gutes Personal unerlässlich. Daher gewinnt Gleichberechtigung auch in diesem Kontext immer mehr an Bedeutung. In einem umkämpften Arbeitsmarkt ist es erforderlich, dass gleiche Bedingungen für alle herrschen. Nur so gelingt es, auf einen größtmöglichen Talentpool zugreifen zu können. Für die Rekrutierung von talentiertem und motiviertem Personal sollten Arbeitgeber flexible Arbeitszeiten und -orte anbieten. Auch Teilzeitmodelle, die es beiden Elternteilen ermöglichen, Beruf und Familie zu vereinen, helfen, attraktive Bedingungen für alle zu gewährleisten.
“59 % der Frauen und 35 % der Männer gaben an, dass ihnen eine gleichmäßige Verteilung der Geschlechter in Führungspositionen am Arbeitsplatz wichtig sei.“
So können Sie vorgehen
Wenn Unternehmen anfangen möchten, für mehr Gleichberechtigung zu sorgen und dabei langfristig erfolgreich sein wollen, ist ein strategischer Ansatz unabdingbar. Die Vorgehensweise könnte wie folgt aussehen:
1. Analysieren: Prüfen Sie die Personalstruktur auf eine ausgewogene Geschlechterverteilung. Achten Sie dabei besonders auf die Verteilung in den einzelnen Abteilungen/Rollen sowie die Positionen der Beschäftigten.
2. Zuhören: Fragen Sie die Belegschaft nach ihrer Meinung und ihren Beobachtungen. Erkundigen Sie sich, ob Ihre Mitarbeiter das Gefühl haben, dass in ihrem Unternehmen Gleichberechtigung herrscht, und lassen Sie die Aussagen begründen. Am besten geben Sie den Mitarbeitern die Möglichkeit, ihre Meinung anonym zu äußern (zum Beispiel über eine Umfrage), damit es keine Hemmungen gibt.
3. Transparenz und Ziele: Zeigen Sie den Beschäftigten, dass man sich im Unternehmen mit dem Thema „Gleichberechtigung“ auseinandersetzt, und kommunizieren Sie die aktuelle Personalstruktur, die Ergebnisse der Umfrage mit Verbesserungspotenzialen und klare Ziele, die erreicht werden sollen. Hier sollten Sie ebenso systematisch und strategisch wie mit anderen unternehmerischen Zielen vorgehen.
4. Mitarbeiter einbeziehen: Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter bei der Ideensuche für Initiativen mit ein. Sie wissen meistens am besten, was dem Unternehmen helfen kann, tatsächlich mehr Gleichberechtigung zu schaffen.
5. Handeln: Aus den gesammelten Ideen sollten konkrete Handlungen resultieren. Trainings zu unbewussten Vorurteilen oder die aktive Suche nach weiblichen Kandidaten für bestimmte Positionen sind Beispiele hierfür. Allerdings sind die Handlungen stark von den individuellen Zielen und Schwachstellen jedes Unternehmens abhängig.
Die Umsetzung dieser Schritte wird die Unternehmenskultur verbessern, zufriedene und loyale Mitarbeiter mit sich bringen und sich in mehr Erfolg widerspiegeln. Ein Änderungsprozess benötigt immer Zeit – und Anpassungen gehören dazu. Wichtig ist, dass Sie den Prozess in Gang bringen!
Maike Kumstel
Maike Kumstel
ist International Business Development Managerin bei der Sport Alliance und Botschafterin der Women in Fitness Association (WIFA), die Frauen zusammenbringt, um sich gegenseitig im Businessumfeld zu unterstützen. Ziel der WIFA ist es zudem, dem Thema „Geschlechtergleichheit in der Fitnessbranche“ mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
Foto: adobe.stock – kay fochtmann