Globale Trendwende
Vom Fitness- zum Wellnessmarkt
Neue Trends und Techniken bringen Bewegung in die Fitnessbranche. Besonders die Neuorientierung in Richtung Wellness und Wellbeing bringt viel Positives mit sich. Laut einer Studie des amerikanischen Global Wellness Institutes zeigt sich, dass Ausgaben für Wellness positiv korrelieren mit einer höheren Zufriedenheit und Lebenserwartung. Es wird also Zeit, sich diese globale Entwicklung genauer anzuschauen.
Neue Herausforderungen wie die demografische Entwicklung, die die Bevölkerung zwar nicht in allen, aber vielen Ländern der Welt immer älter werden lässt, die Gesundheitssysteme, die dadurch wirtschaftlich immer mehr belastet werden, aber auch die Pandemie und die Klimakrise haben dazu geführt, dass Wellness und Wellbeing heute einen höheren Stellenwert haben. In den USA fordert das Global Wellness Institute als Non-Profit-Organisation, das auch für verschiedenste Länder „Wellness Wirtschaftsberichte“ herausgibt, neben einer bereits etablierten Gesundheitspolitik eine Politisierung von Wellness und Wellbeeing.
Trend zu „Wellbeing“
Das Global Wellness Institute will weltweit Wellness und „Wellbeing“ voranbringen und die Politik dafür sensibilisieren. Das Institut mit Sitz in Miami, Florida, wünscht sich nicht nur eine Gesundheits-, sondern auch eine „Wellnesspolitik“. Diesen Begriff definiert das Institut weit gefasst: „Wellnesspolitik ist eine Reihe von bereichsübergreifenden Maßnahmen, die eine gesunde Lebensweise fördern und ein Umfeld schaffen, welches die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen unterstützt.“ 1 Demnach gehören dazu nicht nur Wellnessresorts und -hotels, sondern auch neue Arbeitsorganisationen wie „New Work“ und Themen wie „Wellbeing“ und „Work-Life-Balance“.
Durch diese neue Ausrichtung hat die Fitnessbranche die Chance, auch die öffentliche Politik, das Verständnis von Arbeitswelt, Privatleben, Bewegung und Gesundheit mitzugestalten. Dabei spielen auch Wearables, Apps und künstliche Intelligenz sowie das Metaverse eine entscheidende Rolle. Bezogen auf den Begriff „Wellbeing“ geht es auch um einen gesunden Schlaf.
Den Schlaf tracken
Schlaf ist vermutlich die meistunterschätzte Komponente, wenn es um Gesundheit und Fitness geht. Mit voranschreitenden technologischen Errungenschaften wird hier von Bewegungssensoren bis hin zu Herzratentracking die Gesamtqualität des Schlafs ermittelt. Schaut man sich allein den weltweiten Markt für Smartwatches an, soll dieser bis 2030 um 20,1 Prozent auf 156,3 Milliarden steigen, wobei der chinesische Markt mit bereits 14,51 Milliarden US-Dollar der größte ist und sich zukünftig auch auf die Zielgruppe Kinder ausrichten will.
Die Geräte zur Erfassung von Daten über den Schlaf werden dabei immer besser in der Handhabung. Ein Beispiel hierfür ist „Oura“, ein kleiner intelligenter Fingerring, mit dem sich der Schlafrhythmus analysieren lässt.3 Allein im Sommer 2021 hat das Unternehmen 500 000 Ringe verkauft.3 Über Bewegungssensoren und Beschleunigungsmesser kann der Tracker messen, ob man schläft oder wach ist. Mit einem zusätzlichen Herzfrequenzsensor gehen Wearables noch einen Schritt weiter und zeigen an, was mit der Herzfrequenz während der verschiedenen Schlafphasen passiert. Ein Beispiel ist „Onvy“, eine App für Gesundheitscoaching.
Die psychische Gesundheit steht auch im Fokus
Auch auf dem Markt der Wearables verlagert sich der Schwerpunkt von Fitness und Ernährung auf die Gesundheit des ganzen Körpers. Zudem besteht ein Bedarf für Apps, die die psychische Gesundheit fördern.3 Die weltweiten Verbraucherausgaben für psychische Wellness- Apps erreichten im Jahr 2020 fast 270 Millionen US-Dollar, ein Anstieg um 32,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr.3 Der Markt für Wellness-Apps wächst. Im Jahr 2020 war durch die Pandemie ein Anstieg der Downloads von Mental- Wellness-Apps zu verzeichnen. Entwickler von Apps haben darauf reagiert. Viele dieser Apps legen den Schwerpunkt auf Achtsamkeit und Meditation. Eine beliebte App für Meditation ist z. B. „Headspace“, die das Ziel verfolgt, Stress und Ängste zu reduzieren und die Konzentration der Nutzer zu verbessern. Es gibt auch Apps für professionelle Online- Therapiesitzungen.
Offline trifft auf Online
Fitness-Apps und KI-basierte Trainingsprogramme setzen sich immer mehr durch. Durch die individuelle Übungsroutine, die auf KI oder maschinellem Lernen basiert, wird ein neuer Grad an Individualität erreicht. Daten werden nicht mehr nur gemessen und analysiert, sondern KI lernt aus den Daten und verbessert das Training. Auch hier setzen Anbieter mittlerweile nicht mehr nur auf Fitness und gesunde Ernährung, sondern auch auf mentale Gesundheit. Ein Beispiel ist „Noom“, eine Plattform zum Abnehmen, die auf die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Verhaltenspsychologie setzt und mittels psychologischer Erkenntnisse einen nachhaltigen Gewichtsverlust bewirken soll. Ein weiteres Beispiel ist „Aimo“, eine scanbasierte Bewegungsapp, die künstliche Intelligenz mit dem Thema „Neuroathletik“ und Verhaltens- sowie Bewegungswissenschaft zur Steigerung der körperlichen und mentalen Leistungsfähigkeit vereint.
Angebote im Metaverse
Das „Metaverse“ ist ein Virtual-Reality- Raum, in dem Nutzer mit anderen in einer computergenerierten Umgebung interagieren können. Die Verbraucher können VR-Headsets verwenden, um sich im Metaverse dreidimensional zu bewegen. Durch die Zusammenarbeit mit Spieleentwicklern und Fitnessmarken schaffen die Unternehmen immersive Fitnesserlebnisse. Ausgehend vom globalen Gaming-Markt rechnet man hier bis 2028 mit einem Anstieg von 31,4 Prozent auf 53 Milliarden US-Dollar. Ein Beispiel ist „OliveX“. Das in Hongkong ansässige digitale Gesundheits- und Fitness- Start-up macht sich gemeinsam mit unterschiedlichsten Partnern die Blockchain- und modernste Metaverse- Technologien zunutze, um die Branchen Fitness und Gaming zu verknüpfen. „OliveX“ kann zu Hause, in einem Club oder im Freien in mehr als 170 Ländern zum Training genutzt werden.
Ein weiteres Beispiel ist „Brainjo“, ein Anbieter von Virtual-Reality-Innovationen zur Burnout-Prävention und für Bewegungsprogramme im Betrieblichen Gesundheitsmanagement. Das Metaverse kann dazu beitragen, das Training in stationären Clubs und Online-Angebote zu verbinden. Es könnte auch dabei helfen, neue Zielgruppen und Märkte zu erschließen, da Fitnessstudios darüber die jüngere Generation erreichen können.
Verschmelzung von Fitness, Gesundheit und Wellness
Die Trennung zwischen erstem und zweitem Gesundheitsmarkt weicht nicht nur in Deutschland immer mehr auf. Global gesehen dringt Consumer Wellness immer stärker in das Gesundheitswesen ein und die Grenzen zwischen Prävention, Fitness und Rehabilitation verschmelzen immer mehr. Wellness wird immer mehr Teil des Gesundheitswesens und der Prävention, die chronischen Erkrankungen vorbeugt. Functional Food und Getränke, die mehr Energie, besseren Schlaf und ein besseres Immunsystem versprechen, boomen. Auch die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln profitieren.4 Durch die Nutzung von Laboren, Wearables und sogar DNA-Sequenzierung wird die Ernährung weiter individualisiert.
Trendwende als Chance
Es zeichnen sich also vielversprechende Trends ab, die Fitness und Gesundheit ganzheitlicher betrachten. Zudem machen technische Entwicklungen den Zugang zu Wissen einfacher und niedrigschwelliger. Die Ausrichtung auf Wellness, „Wellbeing“ und Langlebigkeit gilt es neben der physischen und der mentalen auch auf der sozialen Ebene nachhaltig zu manifestieren. Dies gelingt nur, wenn auch politisch und wirtschaftlich Gesundheit und Wohlbefinden in den Mittelpunkt rücken. Gerade in der Politikgestaltung müssen Gesundheit und Wohlbefinden als Priorität verankert werden. Hierbei eine verbindende Kraft für bestehende Bewegungen zur Verbesserung der menschlichen Gesundheit und des Wohlbefindens zu bilden, ist Aufgabe der Fitnessbranche. Mit Blick auf die 17 globalen Ziele, die es bis 2030 zu erreichen gilt, um eine grünere, gerechtere und bessere Welt zu schaffen, braucht es Mut, Innovationen und viel Neugierde.
Luise Walther
Mit ihrem neurozentrierten Training sorgt Luise Walther für Aufsehen in der Gesundheits- und Fitnessbranche. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Individualisierung und Professionalisierung von Trainingsprozessen, um Schmerzen zu reduzieren und Bewegungsabläufe zu optimieren. Die Spezialistin für Rehabilitation, Verletzungsprophylaxe und Performance-Steigerung stellt die ganzheitliche Betrachtung der körperlichen Leistungsfähigkeit in den Vordergrund. Die zentrale Grundlage ihrer neuroathletischen Arbeit ist die Erkenntnis, dass Schmerzen im Gehirn entstehen.
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