Sport und Zyklus
Die Zyklusphasen sinnvoll fürs Training nutzen
Zwischen Pubertät und Menopause durchleben Frauen im Schnitt circa 400 Menstruationszyklen. Das sind 400 Chancen, etwas über den eigenen Körper zu erfahren und gegebenenfalls das eigene Verhalten zu verändern. Nadine Runggaldier hat sich ausgiebig mit dem Thema „Zyklusbasiertes Training“ beschäftigt und erklärt, warum es sinnvoll ist, Trainingspläne den Zyklusphasen anzupassen.
Das nachfolgende Zitat der Olympiagewinnerin und Ski-Rennläuferin Mikaela Shiffrin hatte für großes mediales Echo gesorgt: „I‘m kind of in an unfortunate time of my monthly cycle.“ Was übersetzt so viel heißt wie: „Ich bin gerade in einer unglücklichen Phase meines monatlichen Zyklus.“ Shiffrin sprach in dem kurzen Interview über ihren Zyklus und wie dieser ihre Leistungsfähigkeit beeinflusst. Der Simultandolmetscher verstand ihre Aussage falsch und übersetzte „monthly cycle“ mit „monatlichem Fahrradfahren“, zu dem sie aktuell nicht komme.
Einerseits ein grober Übersetzungsfehler, der vor allem in den sozialen Medien für Empörung und Belustigung sorgte, andererseits ein wichtiger Anstoß für ein lang tabuisiertes Thema. Mikaela Shiffrin klagte über große Müdigkeit und empfand es offenbar als unangenehm, während ihrer Periode zum Wettkampf anzutreten. Für ihre Offenheit und ihren Tabubruch wurde sie gefeiert! Jahrelang wurde die Menstruation nicht in der Öffentlichkeit thematisiert und auch viele Spitzensportlerinnen beschäftigen sich kaum oder gar nicht mit den Auswirkungen ihres Zyklus auf ihre Trainingseinheiten oder ihre Wettkampfergebnisse. Dass das Thema „Sport und Periode“ im Jahr 2023 immer noch als Tabu wahrgenommen wird, zeigt, wie dringend wir in diesem Feld mehr Aufklärung und Offenheit brauchen. Denn: Es gibt viele Möglichkeiten, den Zyklus besser zu verstehen und ihn in die sportliche Praxis zu integrieren.
Das Beste herausholen
Einen Weg zu finden, sich mit dem eigenen Zyklus und der damit verbundenen Funktionalität des Körpers zu beschäftigen, dauert seine Zeit. Im Alltag und beim Training wird mit der Menstruation oft eine verringerte Leistungsfähigkeit assoziiert und Schwäche ist oftmals nicht gern gesehen. Dabei kann ein Training, das den Zyklus berücksichtigt, viele Möglichkeiten eröffnen. Bei einem ergebnisorientierten Training ist es von Vorteil, das Training an die jeweilige Zyklusphase anzupassen, um das Beste herauszuholen.
Frauen, beziehungsweise weiblich geborene Personen, durchlaufen während ihres Menstruationszyklus im Grunde zwei beziehungsweise vier verschiedene Phasen. Hierbei wird zwischen dem ovariellen Zyklus (zwei Phasen) und dem Uteruszyklus (vier Phasen) unterschieden.
Die Zyklusphasen
Der ovarielle Zyklus beginnt mit der Follikelphase – ab dem ersten Tag der Menstruation (Beginn der Blutung). Die Menstruation kann bis zu acht Tage dauern, durchschnittlich erstreckt sich über drei bis fünf Tage. Die Dauer ist unterschiedlich und kann sich im Laufe des Lebens sowie durch äußere Einflüsse verändern. Die Hormone Östrogen und Progesteron sind in diesem Zeitraum abgefallen und haben den niedrigsten Stand im gesamten Zyklus.
In dieser Phase hat der Körper, entgegen der weitläufigen Annahme, eine höhere Kapazität an Energie und das Training kann intensiviert werden. Da Kohlenhydrate besser verwertet und in Energie umgewandelt werden können, wird der Muskelaufbau in dieser Phase unterstützt. Kraftintensive Workouts wie Gewichtheben oder Sprinttraining sind in dieser Phase also sinnvoll. Bei Betrachtung des Uteruszyklus wird diese Phase weiter in Menstruation und Follikelphase unterteilt.
Während der Menstruation, insbesondere an den ersten Tagen der Blutung, können Schmerzen vom Training abhalten. Tatsächlich zeigt sich aber, dass Bewegung die Schmerzen lösen kann, da eine gut durchblutete Muskulatur weniger krampft. Wenn die Periode sehr stark ist und von starken Schmerzen begleitet wird, muss der erste (oder zweite) Tag nicht unbedingt der Tag mit der höchsten Anstrengung sein. Ein kompletter Ruhetag ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Zwischen dem dritten und fünften Tag steigt das Östrogen langsam wieder an und damit die Motivation, zu trainieren. Mit dem Heranreifen der Eizelle durch das follikelstimulierende Hormon (FSH) steigt der Östrogenspiegel stetig an.
Der Eisprung an sich ist ein singuläres „Event“. Die erste ovarielle Follikelphase endet mit dem Eisprung. Dieser wird durch das luteinisierende Hormon (LH) ausgelöst. Direkt danach sinkt der Östrogenspiegel ab. Die Ovulationsphase sind die drei bis fünf Tage um den Eisprung herum – ab etwa der Mitte des Zyklus. In dieser Phase können Frauen bzw. weiblich geborene Personen von einer erhöhten Herzfrequenz und einer verbesserten körperlichen Leistungsfähigkeit profitieren. Östrogen hat neuromuskuläre Wirkungen, d. h., die Muskelaktivität lässt sich besser ansteuern. Es gibt außerdem Hinweise darauf, dass sich die Erholungsfähigkeit verbessert, da Östrogen vermutlich vor Muskelschäden schützt. Es reduziert auch die Entzündungsanfälligkeit, sodass Muskelkater verringert werden können. Der Körper schützt sich für eine eventuelle Schwangerschaft und fährt daher alle Leistungssysteme hoch.
In dieser Zeit eignen sich Ausdauerund Intervalltrainings von hoher Intensität sowie Wettkämpfe. Denn: Persönliche Bestleistungen werden in dieser Zeit leichter erreicht. Beim Training ist jedoch auch Vorsicht geboten, denn während der Ovulation besteht eine erhöhte Verletzungsanfälligkeit aufgrund der durch das Östrogen verursachten Steifheit der Bänder und die Laxheit der Gelenke.
In der anschließenden Lutealphase, welche die zweite Zyklushälfte bis zur nächsten Blutung beschreibt, sinkt die Leistungsfähigkeit durch die hohe Progesteronkonzentration im Körper. Progesteron dient dem Körper zum Sichern der potenziellen Schwangerschaft, also zwingt das Hormon den Körper zur Ruhe. Das Training wird erschwert, der weibliche Körper verwertet jetzt weniger Kohlenhydrate und ermüdet schneller. Das Blut verdickt etwas, was die Herzleistung und den Sauerstoffverbrauch verringert; die kardiorespiratorische Effizienz sinkt. Der Körper kann in dieser Phase seine Temperatur nicht so gut regulieren und die Schweißproduktion ist erschwert.
Jetzt wird mehr Fett verwertet, was bei Sportarten mit niedriger bis mittlerer Intensität sowie moderatem Cardiotraining von Vorteil ist; bei zu hoher Intensität droht ggf. Muskelschwund. In dieser zweiten Zyklushälfte können Frauen empfindlicher auf Schmerzen reagieren und sollten sich öfter Ruhephasen gönnen.
Die Jahreszeiten als Merkhilfe
Mit der Orientierung an den Jahreszeiten lässt sich das Thema „Zyklus“ gut vereinfachen und verstehen. Im Frühjahr (Follikelphase) baut der Körper auf, im Sommer (Eisprung) ist er in der Blüte und im Herbst (Lutealphase) wird abgegeben, abgebaut. Im Winter (Periode) darf sich Ruhe ausbreiten und Hitze (Intensität) darf wieder zunehmen. Daraus ergibt sich ein zyklisches Training.
Fazit
Während des Zyklus gibt es verschiedene Phasen, in denen das körperliche Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit individuell unterschiedlich sind. Ein sich wöchentlich wiederholender Trainingsplan ist nicht sinnvoll – sondern die Belastung sollte je nach Zyklusphase und auch individuell betrachtet werden. Es sollte ein Plan erstellt werden, der in der ersten Zyklushälfte mehr fordert und in der zweiten Zyklushälfte graduell in die Regenerationsphase übergeht. Letztlich gilt es, auf den Körper zu hören und das Training dem Körper anzupassen – und nicht andersherum.
Nadine Runggaldier
Nadine Runggaldier ist Dozentin an der Deutschen Sportakademie. Sie ist Yogalehrerin für Vinyasa und Yin Yoga, unterrichtet seit über zehn Jahren Yoga in Köln und ist als Dozentin für Yogaausbildungen tätig. Zudem begleitet sie mit ihrem Zykluswissen Menschen in der Persönlichkeitsentwicklung.
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