Go green
Nachhaltige Eco-Fitnessanlagen
Der Klimawandel ist nicht zu leugnen. Mikroplastik im Meer belastet die Umwelt. Protest macht sich breit. Regelmäßig demonstrieren junge Menschen im Rahmen der Initiative „Fridays for Future“ für mehr Klimaschutz. Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, wie Fitnessclubs nachhaltiger werden können. Die ersten Vorbilder sind in Europa schon am Start.
Laut einer Studie des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung (ipb) sind die freitags stattfindenden Klimaproteste in Deutschland vor allem ein Protest von gut gebildeten Mittelschichtkindern. Dabei geht es nicht darum, an einem Event teilzunehmen. Viele der Demonstrierenden tun bereits etwas. Sie versuchen, Müll und besonders Plastik zu vermeiden, essen weniger Fleisch, kaufen in „Unverpackt Läden“, entscheiden sich für faire nachhaltige Mode, fahren mit dem Fahrrad, sparen Wasser und erinnern ihre Eltern daran, das Auto lieber stehen zu lassen, um Emissionen zu reduzieren. Diese junge Generation verlangt auch nach neuen nachhaltigen Konzepten in der Fitnessbranche.
Strampelnd Strom erzeugen
Mittlerweile sind „Umwelt“ und „soziales Engagement“ Themen, die sogar den Wert eines Unternehmens für Investoren entscheidend beeinflussen. Neben dem Energie- und Wasserverbrauch sind die Emissionen und die Vermeidung von Abfall besondere Faktoren, die von Fitnessstudiobetreibern überdacht werden können. Bezogen auf das Klima, kann man auf erneuerbare Energien und Ökostrom setzen oder den Strom gleich selbst erzeugen. Ein Vorreiter in Sachen Stromgewinnung durch Nutzung von Bewegungsenergie ist René Eick. Er ist Geschäftsführer von Europas erstem grünen Fitnessclub. Der Studiobetreiber bezieht nicht nur Strom aus erneuerbaren Energien von Greenpeace Energie, sondern erzeugt den Strom mit den Fitnessgeräten gleich selbst. Bereits seit Oktober 2009 wird in seinem „greengymberlin“ in Prenzlauer Berg die Bewegungsenergie laufende und strampelnder Mitglieder genutzt, um über einen Autostecker an Crosstrainern und Ergometern das eigene Smartphone oder Tablet zu laden. „Beim Strampeln auf einem Ergometer können Mitglieder bis zu 80 Wattstunden erzeugen“, sagt René Eick. Der Pionier in Sachen Stromgewinnung durch Bewegungsenergie hatte es nicht leicht, denn damals gab es weit und breit keinen einzigen Hersteller, der sich mit der Nutzung der erzeugten Energie von laufenden und radelnden Mitgliedern beschäftigen wollte. René Eick musste daher selbst eine Lösung erarbeiten. Auch heute noch sucht die Nadel im Heuhaufen, wer mit Fitnessgeräten Strom erzeugen möchte. Aber es gibt erste Anbieter, die es möglich machen. Dabei können nicht nur Akkus geladen werden; die durch Bewegung gewonnene Energie kann mittlerweile auch ins Stromnetz eingespeist werden.
Energy to go
In England betreibt das Unternehmen TGOGC (The Great Outdoor Gym Company) seit 2012 Fitnessparks auf öffentlichen Plätzen. Darunter auch Ergometer und Crosstrainer, die kinetische Energie in Strom umwandeln. Wer hier fleißig strampelt, kann mit seiner selbst produzierten Engergie sein Smartphone aufladen. Vorgestellt wurde das Konzept bereits auf dem Weltklimagipfel in Paris 2015 und in Marrakesch 2016. Überschüssige Energie wird ins Netz eingespeist. Für jedes verkaufte Gerät sponsert das Unternehmen einen Baum für das Projekt NHS Forest. Das Start-up Pedal Power aus den USA baut Fahrräder in verrückte Gefährte zur Stromerzeugung um; es gibt ein Rad mit Schreibtisch für den Laptop. So wird gearbeitet, gleichzeitig Sport gemacht und Strom für die Technik generiert. Vielleicht eine kuriose Idee für Coworking Spaces in einem Fitnessstudio. Jedenfalls entstünde so ein Gespür dafür, wie viel Energie wir für unsere mobilen Büros benötigten, gibt das Unternehmen auf der Website zu bedenken.
Trainieren fürs Licht
In Sacramento hat das erste nachhaltige Boutique-Studio im Dezember 2016 eröffnet. In den Cycling-Kursen des „Sacramento Eco Fitness“ in Kalifornien treten die Mitglieder in die Pedale und liefern dabei Strom, der ins Stromnetz eingespeist wird. Die gewonnene Energie wird in einer Batterie gespeichert und kann während der Hauptauslastungszeiten im gesamten Gebäude wieder verteilt werden. Eingesetzt werden dafür Bikes des Geräteherstellers SportsArt. Das Unternehmen liefert neben Bikes auch Laufbänder und Crosstrainer, mit denen durch Bewegung erzeugte Energie in Stom umgewandelt und ins Stromnetz des Gebäudes eingespeist werden kann. Durch eine App können sich die Mitglieder anzeigen lassen, wie viel Strom sie durch ihr Workout erzeugt haben. „So erhalten sie wieder einen ganz anderen Zugang zu ihrem eigenen Stromverbrauch und realiseren, was ihre Smartphones und Laptops an Energie verbrauchen“, weiß Inhaber Jose Antonio Avina. Der Geschäftsführer des „Sacramento Eco Fitness“ setzt zusätzlich auf Solarenergie. Durch die Photovoltaik- Anlage auf dem Dach und die Strom produzierenden Geräte habe das Studio seine Kosten für Strom von 680 Dollar auf 30 Dollar pro Monat reduziert. Aber wie viel davon geht auf das Konto der durch Bewegung produzierten Energie auf Cardiogeräten?
Lohnt sich die Stromgewinnung über Cardiogeräte?
Laut Hersteller können durch die Nutzung eines Gerätes der nachhaltigen „Eco-Power-Linie“ pro Stunde etwa 160 Watt erzeugt werden. Dabei verwandeln die Cardiogeräte die menschliche Energie durch einen Microinverter, der der Technologie von Solarmodulen und Windturbinen ähnelt, in Strom. Nach dem Kalkulationsrechner auf der Website von SportsArt können 15 Bikes, die drei Stunden am Tag in Betrieb sind, ca. 2.592 Kilowattstunden (kWh) produzieren. Der durchschnittliche Energieverbrauch eines deutschen Zweipersonenhaushalts liegt bei ca. 2.400 bis 3.500 kWh pro Jahr. Die Ersparnis ist für ein großes Sportstudio nicht sehr hoch, aber dennoch lohnend. Besonders Boutique- Studios, die zusätzlich auf erneuerbare Energien setzen, können sich in Kombination mit stromerzeugenden Fitnessgeräten wie im „Sacramento Eco Fitness“ von Stromanbietern unabhängig machen.
Spin it back
Unter dem Motto „Spin it back“ wird auch im „Terra Hale“ in London die von Kunden in Cycling-Kursen erzeugte Bewegungsenergie in das hausinterne Stromnetz eingespeist. Das „Terra Hale“ ist das erste ökologische Boutique-Studio in London. Mittlerweile betreibt die Kette dort drei Eco-Studios, eins in Shepherd‘s Bush, das zweite in Fulham und ein drittes in Notting Hill. „Wir müssen die Art und Weise, wie wir konsumieren und produzieren, ändern“, sagt der Gründer Michal Homola. Die Cycler sind in seinem Club nicht ausschließlich darauf bedacht, Kalorien zu verbrennen oder lange Strecken zurückzulegen. Im „Terra Hale“ konzentrieren sie sich auf die Wattzahl, die sie selbst produzieren. „Das liegt vor allem daran, dass das gesamte Studio vom Licht, einer Anzeigetafel bis hin zur Musik, die aus den Lautsprechern kommt, von den dort trainierenden Menschen angetrieben werden“, sagt der ehemalige Profi-Snowboarder. Am Ende jedes Kurses werde die beim Training gewonnene Energie auf Bildschirmen angezeigt. Eine Sitzung allein könne z. B. einen Elektroventilator 20 Stunden lang betreiben oder die Lampen 43 Stunden lang leuchten lassen. Überschüssige Energie wird in das Londoner Stromnetz eingespeist. Neben der Stromerzeugung beim Strampeln wurde in den Studios auch bei der Einrichtung auf ökologische und nachhaltige Kriterien Wert gelegt. Die verwendeten Matreialien sind vorwiegend recyelt. Wände und Türgriffe bestehen aus recyeltem Holz. Überall rankt Efeu, um den Sauerstoffgehalt der Luft zu verbessern. Nachwachsende und natürliche Materialien, die Vermeidung von Plastik und viel Grün gehören auch zum Einrichtungskonzept von biofit. Das Unternehmen hat sich auf die Einrichtung von Green Gyms spezialisiert und 2017 in Notting Hill einen Showroom eröffnet.
Nachhaltiges Interior Design
Die Ausstattung des 120 m2 großen Raums mit der vier Meter hohen Decke erfolgte ausschließlich mit natürlichen Materialien. Statt mit Trainingsgeräten aus Kunststoff wird mit dem eigenen Körpergewicht oder mit Sandsäcken, Bällen, Gewichten und Seilen – gefertigt aus hochwertigen natürlichen Materialien wie Holz, Leinen, Bambus und Leder – trainiert. Jede Menge Pflanzen sorgen für frische Luft. In Calgary, Kanada, hat biofit ein Natural Movement Studio ausgestattet. In dem 500 m2 großen Studio hängen jede Menge mit Pflanzen bestückte Blumenampeln unter der Decke, um für mehr Sauerstoff zu sorgen. Die schalldämmenden Wandpaneele sind aus Kork und es gibt jede Menge recycelte Holz-Pflanzenkästen. Neben diesem Studio hat biofit auch ein Green Gym im Karolinska Institut der medizinischen Universität Stockholm ausgestattet, das den Studenten und Mitarbeitern seit Januar 2018 kostenlos zur Verfügung steht. Auch hier gibt es jede Menge Pflanzen, Moosteppiche an den Wänden, Moospaneele an der Decke und umweltfreundliches Traininsequipment aus Holz, Leder oder Kork. Bei der Innenarchitektur wird in Eco- Gyms auf nachhaltiges Baumaterial und ökologische Möbel sowie nachhaltige Trainingshilfsmittel geachtet, die keine Kunststoffe enthalten und nicht mit Schadstoffen belastet sind. Zu den verwendeten Materialien gehören vor allem FSC-Holz, Bambus, Leinen, Baumwolle, Kork und Keramik. Zu den von der Natur inspirierten und nachhaltigen Gestaltungsprinzipien gehört auch die Verwendung vieler Pflanzen, die platzsparend, meist an Wänden vertikal in die Höhe gepflanzt oder sogar unter die Decke gehängt werden. Wer sich mit dem Gedanken trägt, seine Einrichtung ökologisch auszurichten, sollte dabei auf Siegel wie den Blauen Engel, das FCS-Siegel und Öko-Control achten.
Nachhaltige Kleingeräte
Neben stromerzeugenden Cardiogeräten in Green Gyms sind Geräte aus natürlichen Materialien gefragt, bei denen die Hersteller möglichst nachhaltig produzieren. So ist die Holzvariante des WaterRowers, der als einziges Sportgerät schon im Designmuseum von London stand, in Eco-Studios sehr beliebt. Bei der Produktion werden Holz und Rinde restlos verwertet; Abfall gibt es nicht. Stofflich nicht verwertbare Resthölzer werden in der Manufaktur von NOHrD zur Energieerzeugung genutzt. Für die Produktion wird der eigene Solarstrom verwendet. Das Holz besteht laut Auskunft des Herstellers aus nachwachsenden Beständen und wird mit einem speziellen Hartwachsöl geölt, das auch für die Bearbeitung von Kinderspielzeug zugelassen ist. Auch bei Yogamatten wir auf nachhaltige Varianten gesetzt, die aus Naturkautschuk, Bio-Baumwolle, Flachs und Naturlatex, aus Schurwolle, Ökotex- 100-zertifiziertem PVC oder Recycling- Material bestehen und unter fairen Bedingungen produziert werden. Nachhaltige Matten gibt es von dem Münchner Start-up hejhej-mats, dessen Yogamatte aus Recyclingmaterial besteht und am Ende zu einer neuen Yogamatte recycelt werden kann. Auch die Herstellung von Manduka-Matten erfolgt nach dem „Zero-Waste“-Prinzip. Die Yogamatten von Prolana bestehen aus Bio-Schurwolle. Mittlerweile gibt es auch einige Hersteller wie zum Beispiel Edelkraft, Rollholz und Holz-Fit, die neben Matten kleine umweltfreundliche Trainingsgeräte herstellen. Noch besetzen sie damit einen kleinen Nischenmarkt. Nachhaltige Lösungen sind rar, allerdings kann sich das mit einer zunehmenden klimaund umweltfreundlichen Nachfrage schnell ändern.
Rita Hoogestrat
Foto: Terra Hale Fullham, London, UK
Foto: biofit health & fitness ltd. UK I Karolinska Institutet
Foto: biofit health & fitness ltd. UK I Showroom Notting Hill, London