Online Training: Chance statt Gefahr für Studios?
Waren es früher die Fitness-DVDs, die von den Fitnessclubs äußerst ungern gesehen wurden, so sind es heute die Online-Angebote, die noch weitaus bedrohlicher erscheinen. Auf den ersten Blick ist diese Betrachtungsweise sicherlich richtig. Setzt man sich jedoch mit diesem Thema intensiver auseinander, dann zeigt sich, dass sich durch dieses Angebot durchaus auch neue Chancen für Fitnessstudiobetreiber ergeben können.
Die Vorteile von Online-Training sind nicht von der Hand zu weisen: immer und überall abrufbar, kostengünstig und medial stets präsent. Doch genau wegen dieser Vorzüge stellt das Online-Fitnesstraining neben den Discountern die größte Konkurrenz für lokale Fitnessclubs dar. Wechseln wir jedoch die Perspektive – weg von der Angst vor neuer Konkurrenz, hin zu den Potenzialen, die die Digitalisierung mit sich bringt –, wird schnell klar: Online- Kurse stellen weniger eine Gefahr als vielmehr eine Chance für die Fitnessclubs vor Ort dar. Besonders Online-Präventionskurse nach § 20 SGB V nehmen hier eine Sonderstellung ein.
Richtige Ansprache neuer Zielgruppen
Auch wenn sich die Fitnessbranche nach wie vor über steigende Mitgliederzahlen freut, trainiert der Großteil der Bevölkerung trotzdem noch nicht in deutschen Fitnessclubs. Grund genug, sich die Frage zu stellen, welche Zielgruppen nicht erreicht werden. Welche Gründe oder auch Ängste haben Menschen, die nicht in die Clubs vor Ort kommen? Ein Hauptgrund ist mit Sicherheit Zeitmangel. Der zeitliche Aufwand, der neben der Trainingszeit auch An- und Abfahrtszeit beinhaltet, ist für viele nicht in den Tagesablauf integrierbar. Schon gar nicht, wenn die Zielvorgabe ist, diese Zeit zwei- bis dreimal pro Woche zu investieren. Wenn der Kunde also aus Zeitmangel nicht kommen kann, dann muss das zeitoptimierte Training eben nach Hause kommen. Online-Präventionskurse sind im Idealfall auf jedem internetfähigen Endgerät abspielbar und frei in den eigenen Tagesablauf integrierbar, da sie weder räumlichen noch zeitlichen Beschränkungen unterliegen. Nicht von der Hand zu weisen ist oft zusätzlich noch die finanzielle Belastung, die durch eine Mitgliedschaft im Fitnessclub entsteht, d.h. der Kosten-Nutzen-Faktor. Erkennt der Interessent nicht den Wert der Betreuung durch den Trainer und den damit verbundenen Kostenaufwand, wird er sich für den Discounter entscheiden, zu Hause trainieren oder gar nicht aktiv werden. Auch hier bieten Online-Präventionskurse nach § 20 Vorteile, da sie von den meisten gesetzlichen Krankenkassen anteilig bis vollständig erstattet werden. Weitere Gründe sind Hemmschwellen vor Fitnessclubs. Fragen wie „Bin ich fit genug?“, „Blamiere ich mich?“, „Habe ich das Passende anzuziehen?“ u.v.m. sind unüberwindbare Hindernisse für eigentlich sportwillige Menschen. Online-Angebote bieten eine weitestgehend anonyme Möglichkeit, einen ersten Kontakt herzustellen. Bestenfalls sind die Online-Konzepte so gestrickt, dass die Übergabe des Teilnahmezertifikats am Ende des Kurses im Rahmen eines persönliches Abschlussgesprächs im Fitnessclub bei der Person vor Ort stattfindet. Sie fragen sich warum? Wer kennt sie nicht, die Gespräche mit Interessenten, die zum ersten Mal im Fitnessstudio stehen und sich wundern, dass eben nicht nur fitte und gestylte Menschen vor Ort sind?!
Ressourcenschonend & kostengünstig
Präventionskurse nach § 20 SGB V für Fitnessclubs sind vorrangig eine Angebotserweiterung und ermöglichen den Zugang zu neuen Interessenten. Dies gilt sowohl für Präsenzkurse als auch für Online-Kurse, wobei Online-Kurse deutlich kostengünstiger sind, d.h., Personalkosten und eine erhöhte Frequentierung von Kursräumen, Parkplätzen, Umkleidekabinen und Sanitäranlagen entfallen. Die Betreuung der Kursteilnehmer wird über Telefon, E-Mail und Online-Foren abgedeckt und in der Regel vom Online-Kursanbieter übernommen. Der Fitnessclub kann sich um den Vertrieb und die Bereitstellung des Zugangs zum Online-Kurs kümmern. Besonders im Hinblick auf qualifiziertes Fachpersonal, das kostenintensiv und schwer zu bekommen ist, bieten Online- Präventionskurse eine einfache Möglichkeit, ein breites Produktportfolio kostengünstig anzubieten. Ein Fitnessclub benötigt keinen Sportwissenschaftler, Ökotrophologen, Physiotherapeuten oder Entspannungstrainer etc. mehr, um die Handlungsfelder Bewegung, Ernährung und Entspannung abzudecken; hier übernimmt der jeweilige Online-Kursanbieter diese entsprechende Funktion.
Einstieg ins BGM/BGF
Das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) und die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) sind für Fitnessclubs gewinnversprechende Handlungsfelder. Die meisten Projekte scheitern jedoch am hohen organisatorischen Aufwand der Maßnahmen in den Betrieben. Mit vergleichsweise geringem Aufwand bieten Online-Präventionskurse eine Einstiegsmöglichkeit in das BGM/BGF an.
Weitere Vorteile von Online-Kursen in BGM & BGF sind:
- Geringer finanzieller Eigenaufwand: Trägt der Mitarbeiter die Kurskosten selbst, kann dieser die Gesundheitsmaßnahme nach erfolgreichem Abschluss von seiner gesetzlichen Krankenkasse anteilig oder komplett rückerstatten lassen. Zudem können Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern Zuschüsse in Höhe von 500 Euro pro Jahr für Maßnahmen zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands sowie zur Betrieblichen Gesundheitsförderung geben. Denn auf Gesundheitsangebote, die nach § 20 SGB V zertifiziert sind, kann auch § 3 Nr. 34 EStG angewendet werden, d.h., der Arbeitnehmer muss diese Zuschüsse nicht versteuern, sofern sie die Grenze von 500 Euro nicht überschreiten.
- Räumliche und zeitliche Flexibilität: Wie oben schon angesprochen, ist es grundsätzlich schwer, Zeit für Sport freizuschaufeln. Auch wenn die BGM/ BGF-Angebote vor, während oder direkt nach der Arbeit stattfinden, ist die Teilnahmequote in der Regel sehr gering, da viele Mitarbeiter nicht das dafür vorgesehene Zeitfenster nutzen können. Für diese Menschen muss das Angebotsportfolio im BGM/BGF zeit- und raumflexible Möglichkeiten wie Online-Kurse beinhalten, um eine höhere Teilnahmequote bei Mitarbeitern zu erreichen.
- Anonymer Zugang zur Gesundheit: Viele Mitarbeiter – darunter leider meistens die Mitarbeiter mit einem hohen Bedarf an Gesundheitsmaßnahmen – finden keinen Zugang zum BGM/BGF, und zwar besonders im Bereich Bewegung, da sie auf keinen Fall mit Arbeitskollegen Sport treiben wollen. Warum? Gründe gibt es viele: Scham, Scheu vor Konkurrenzkampf auch im Sportbereich, Angst vor Sport mit anderen, Angst vor dem Versagen etc. oder einfach keine Lust, die Kollegen auch noch in der Freizeit zu treffen. Online-Fitnesskurse bieten diesen Mitarbeitern die Möglichkeit, trotzdem an Sportprogrammen teilzunehmen.
Hochwertiger Online-Inhalt
YouTube, Facebook, Instagram u.a., das Internet ist voll mit Videos und Online- Kursen zum optimalen Training und der optimalen Ernährung. Ob tatsächliche oder nur selbst ernannte Experten hier aktiv sind – für den Endverbraucher ist es extrem schwer zu erkennen, ob der Inhalt tatsächlich wertig und fundiert ist. Genau diesen Missstand können sich Fitnessclubs zunutze machen, indem sie sich mit seriösen Online-Angeboten platzieren. Online-Präventionskurse eignen sich hierfür, da sie von der Zentralen Prüfstelle Prävention (ZPP) als externe und offizielle Instanz überprüft wurden.
Zusatzeinnahmen bei Bestandskunden
Jeder gesetzlich Versicherte hat in der Regel Anspruch auf einen Präventionskurs im Jahr, den die Krankenkasse anteilig beziehungsweise vollständig erstattet. Das bedeutet pro Mitglied eine potenzielle Zusatzeinnahme, die einen geringen personellen und finanziellen Aufwand benötigt. Auch bei der Kundenbindung und zur Reduzierung von Kündigungen können sich Vorteile ergeben: Kommt ein Kunde weniger als einmal in der Woche, ist der Schritt zur Kündigung nicht mehr weit. Angesprochen auf das unregelmäßige Training, ist in der Regel „Zeitmangel“ der häufigste Grund. Was spricht dagegen, dass der Kunde eine Trainingseinheit pro Woche zeitoptimiert zu Hause durchführt? Verbunden mit einem guten Wording der Trainer, haben Unternehmer so die Möglichkeit, den Kunden erneut von der positiven Wirkung seines Angebotes zu überzeugen und einen Drop-out zu verhindern. Eine Lösungsstrategie zur weiteren Kundenbindung kann ein zeitoptimiertes und flexibles Training sein, ansonsten wird das Bedürfnis des Kunden nicht befriedigt. Jedes kündigende oder ehemalige Mitglied zählt somit zur potenziellen Zielgruppe für Online-Kurse. Zum einen generiert man so eine Zusatzeinnahme mit einem scheidenden Mitglied, zum anderen bieten Online-Kurse die Möglichkeit, mit dem Kunden in Kontakt zu bleiben. Denn spätestens zur Übergabe der Teilnahmebescheinigung am Ende des Online-Kurses gibt es noch einmal die Möglichkeit für eine Rückholaktion im Rahmen des Übergabe- und Abschlussgesprächs.
Daniel Rothmund/Peter Röhr
Daniel Rothmund & Peter Röhr sind beide Dipl.-Sportwissenschaftler und Lehrbeauftragte an der Universität Bielefeld im Arbeitsbereich „Sportmedizin – Gesundheit und Training“. Zudem sind sie Geschäftsführer von Valitudo – Zentrum für interdisziplinäres Gesundheitsmanagement und Entwickler von „Mein Gesundheitsmanager (MGM) – Die Online Fitnesskurse“ und „Mein Gesundheitsmanager (MGM) – Das Diagnostiktool“.
Infos: www.valitudo.de