Standort, Immobilie und Mietvertrag sind immens wichtig
Interview mit Jörg Hidding, Inhaber AKTIV CONSULT Unternehmensberatung, Frankfurt, und Clubbetreiber
Immer mehr Clubbetreiber entscheiden sich dafür, ihr Studio an Discountketten zu veräußern. Warum das so ist, was beim Verkauf eines Studios beachtet werden muss und welche Chancen und Risiken der deutsche Immobilienmarkt für Studiobetreiber birgt, erklärt Jörg Hidding, Bankkaufmann, Dipl.-Betriebswirt und seit 30 Jahren in der Fitnessbranche aktiv, im Interview.
body LIFE: Herr Hidding, konsolidiert sich der Fitnessmarkt?
Jörg Hidding: Erst einmal muss man festhalten, dass durch das rasante Wachstum des Fitnessmarktes in den letzten zehn Jahren und den zunehmenden Anteil der Fitnessketten der Markt dichter geworden ist. Das heißt, die Marktpenetration und die professionelle Marktbearbeitung haben zugenommen. Zudem ist seitens institutioneller Investoren viel Geld in den Aufbau und die Expansion von Discountfitnessketten investiert worden, da im Fitnessmarkt höhere Renditen zu erzielen sind bzw. waren als zum Beispiel im Lebensmittel- oder Textileinzelhandel. Durch ein immer dichter werdendes Netz fällt die Gewinnung von Neukunden mittlerweile etlichen Anbietern, wie z.B. Einzelclubs, aber auch Filialbetrieben immer schwerer. Dies wird auch durch den Preiskampf vieler Discounter angeheizt. Meiner Ansicht nach wird es in diesem und in den nächsten zwei Jahren zu einigen Übernahmen kommen, da Einzelbetreiber die Chance sehen, ihre Clubs, die „noch“ in der Gewinnzone sind, verkaufen zu können.
body LIFE: Schon derzeit beschäftigen immer häufiger die Übernahmen von privat geführten Fitnessanlagen durch eine Fitnesskette den Markt. Warum sind bestehende inhabergeführte Anlagen für Investoren so interessant?
Jörg Hidding: Um ihre Marktposition weiter zu sichern, müssen die großen Anbieter, wie z.B. McFit, FitX, XTRAFIT, in den nächsten Jahren weiterwachsen. Wenn sie Anlagen komplett neu eröffnen wollen, müssen sie erst einmal passende Standorte finden, Baugenehmigungen einholen etc. Das kann von der ersten Planung bis die Anlage schwarze Zahlen schreibt zwei oder drei Jahre dauern. Diese Zeit haben viele Fitnessketten-Investoren nicht. Deshalb ist es ihr Ziel, bestehende Anlagen im Markt einzukaufen. Interessante Standorte werden gesichtet und der Betreiber wird bezüglich eines möglichen Studioverkaufs angesprochen. Als prominentes Beispiel ist die Unternehmensgruppe Pfitzenmeier zu nennen, die diese Vorgehensweise als einer der Ersten in Deutschland umgesetzt hat. Mit der sogenannten Multi-Brand-Strategie hat sie das Rhein-Neckar-Gebiet dicht gemacht, das heißt, durch unterschiedliche Clubtypen eine komplette Marktabdeckung bekommen. Die Betreiber der führenden Anlagen werden angesprochen, ob ein Verkauf für sie interessant wäre, um einen späteren Konkurrenzkampf zu vermeiden. Denn die Frage ist: Nehme ich als Einzelbetreiber den Konkurrenzkampf gegen eine kapitalkräftige Fitnesskette auf oder versuche ich, meine Anlage möglichst profitabel zu verkaufen?
body LIFE: Was muss beim Verkauf eines Fitnessstudios aus Sicht des Inhabers beachtet werden?
Jörg Hidding: Es gibt seitens der Investoren ganz klare Anforderungen an ihre Wunschimmobilie: Momentan werden sehr gerne Anlagen mit einer Fläche zwischen 1.500 und 2.500 m2 übernommen, weil sich diese Größe als betriebswirtschaftlich sinnvoll herausgestellt hat. Außerdem sollte ein Club wirtschaftlich entsprechend aufgestellt sein. Hier zählt immer noch die Kennziffer „Mindestens ein Mitglied pro Quadratmeter“. Fast noch entscheidender als diese Kennzahlen sind für Investoren allerdings der Mietvertrag sowie der Standort. Da ein Investor natürlich enorme Folgekosten hat, z.B. durch das Umbranding, neues Equipment etc., ist es gut, wenn der Mietvertrag mindestens noch zehn Jahre läuft bzw. die Option auf Verlängerung besteht. Wenn der Zeitkorridor des Mietvertrages zu kurz ist, um diese Kosten wieder einzuspielen, dann wird ein Club nicht übernommen. Denn häufig haben die Investoren nicht nur eine Hold-Strategie, also Clubs zu halten, sondern eine Exit-Strategie, das heißt, die Clubs wieder zu verkaufen. Viele Clubs werden günstig gekauft, aufgepimpt und in drei bis vier Jahren für ein Vielfaches wieder verkauft. Deshalb sind die Faktoren Standort, Immobilie und Mietvertrag immens wichtig.
body LIFE: Wie ermittle ich einen realistischen Preis für meinen Club?
Jörg Hidding: Die Frage ist immer: Was ist mein Club wert? Und auch hier gibt es Faktoren, mit denen die Kostenstruktur geprüft werden kann. Diese wird in der Regel von zwei Kennzahlen bestimmt: der Höhe der Miete und den Personalkosten. Das sind für einen potenziellen Käufer die ausschlaggebenden Kostentreiber. Beim Umsatz zählen Kennzahlen wie Mitgliederzahl und Durchschnittsbeitrag. Grundsätzlich muss ich als Verkäufer zahlentechnisch gut aufgestellt sein. Bei einer Due-Diligence-Prüfung gibt es einen Anforderungskatalog, den ich als Betreiber abarbeiten muss. Je besser ich als Verkäufer bei den Bilanzen, BWA, Langfristverträgen etc. vorbereitet bin, desto realistischer ist die Chance, den Club zu verkaufen und mich als professionellen Unternehmer zu präsentieren. Der Preis einer Anlage ist also auch stark abhängig von der Bilanz. Fragen wie „Gibt es einen Gewinn?“, „Wie hat er sich entwickelt?“, „Wie ist die Forecast für die nächsten zwei bis drei Jahre?“ „Welche Faktoren können den Preis nach oben bzw. nach unten treiben?“ stehen hier im Mittelpunkt. Auch drohende Eröffnungen von Mitbewerbern können sich negativ bzw. die Eröffnung eines frequenzstarken Einzelhändlers positiv auf den Preis auswirken.
body LIFE: Welche Chancen und Risiken ergeben sich für Clubbetreiber aufgrund der Entwicklung des Immobilienmarktes in Deutschland?
Jörg Hidding: Durch die Digitalisierung hat der Einzelhandel große Probleme. Der Online-Handel steigt. Klassische Filialisten im Einzelhandel verlieren und sind auf der Suche nach Lösungen, um die Besucherfrequenz wieder zu steigern. Peek & Cloppenburg hat in den letzten Jahren bspw. dramatische Rückläufe bei den Umsätzen zu verzeichnen. Deshalb überlegen sie derzeit, ihre Verkaufsflächen zu verdichten und in die übrige Fläche eine Dienstleistung zu integrieren, die für die verloren gegangene Besucherfrequenz sorgt. Die Integration eines Fitnessangebotes wäre eine gut vorstellbare Möglichkeit. Außerdem werden wir in Zukunft auch ein Bankensterben in den Innenstädten beobachten können. Hier können sich bspw. interessante Immobilien für Boutique Studios ergeben. Ähnlich ist es bei den Immobilien vieler ehemaliger Möbelund Automobilhäuser, die nach der Schließung häufig in Clubs umgewandelt wurden. Da Clubs immer für eine starke Besucherfrequenz sorgen, ergeben sich auch in Einkaufszentren von Mittelstädten gute Chancen. Hier habe ich als Betreiber durchaus die Möglichkeit, kostengünstig an eine Fläche zwischen 2.000 bis 4.000 m2 zu kommen. Denn ein Studio bringt jeden Tag Kaufkraft in ein Einkaufszentrum. Außerdem ergeben sich für Betreiber Chancen in den großen Metropolen. Hier eröffnen sogenannte Mixed- Used-Komplexe mit bis zu 50 Stockwerken. Auch das kann sehr lukrativ für eine Fitnessfläche sein. Zudem gibt es ein neues Hybrid-Modell, bei dem sich Konzepte vermischen, die bisher getrennt waren. Als Beispiel wäre das Soho House zu nennen. Hier werden die Themen Hotel, Langzeitwohnen, Fitness, Spa, Bar, Community unter einem Dach vereint. Solche Konzepte werden auch Deutschland erobern. Rainer Schaller mit seiner RSG Group ist derzeit dabei, eine Multi- Brand-Strategie zu entwickeln: Sein neuer Firmenkomplex in Berlin, der 2021 eröffnet werden soll, wird unterschiedliche Welten unter einem Dach vereinen. Diese Entwicklung sieht man weltweit und wird auch die deutschen Metropolen erobern. Ein Risiko ist, dass die Immobilien immer teurer werden. Die Mietpreise haben sich in etlichen Großstädten in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Und gerade wenn die Erstlaufzeit des Mietvertrages ausläuft, wird der Vermieter die Preise deutlich anheben, weil die Nachfrage nach Immobilien und Standorten gestiegen ist. Die Mietpreise bewegen sich dramatisch nach oben. Hier gilt es für die Betreiber, diese Risiken zu erkennen und frühzeitig neu zu verhandeln.
Foto: Jörg Hidding