Die Mischung machts
Wann ist ein kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining sinnvoll?
Es gibt Studien, die zu dem Ergebnis gekommen sind, dass es bei einem Training zur Steigerung der Kraft und Ausdauer in der gleichen Trainingseinheit oder innerhalb weniger Stunden zu einer Hemmung der Kraft- und Ausdauerleistung kommen kann. Das bedeutet aber nicht, dass ein kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining nicht sinnvoll ist. In manchen Fällen kann die Kombination verschiedener Trainingsmethoden tatsächlich von Vorteil sein.
Häufig stellt sich die Frage, welchen Trainingsschwerpunkt man im heutigen Training setzen sollte und wie man mittelfristig seine Trainingsinhalte in den nächsten Wochen oder Monaten gestaltet. Diese Frage ist schwer zu beantworten. Zu individuell sind die Anforderungen an den Sportler und auch zu verschieden die Effekte der Adaptationsmechanismen, die durch ein Training und körperliche Belastung ausgelöst werden. Letztlich wird sich wahrscheinlich nie eine allgemeingültige Vorgehensweise definieren lassen. Allerdings zeigen diverse Studien, dass sich die Inhalte mit etwas Know-how gut aufeinander abstimmen lassen und man verschiedene gewünschte Adaptationen verstärken und kontraproduktive Effekte verringern oder komplett vermeiden kann.
Ausdauer- und Krafttraining in Kombination
Fangen wir mit einer klassischen Fragestellung im Fitnessbereich an, also der Frage, ob und wie sich Ausdauer- und Krafttrainingsmethoden sinnvoll kombinieren und ob und wie sich die Anpassungserscheinungen beider Trainingsziele miteinander vereinbaren lassen. Mit dem Thema „Kombination von Ausdauer- und Krafttraining“ ließe sich sicherlich ein komplettes Buch füllen. An dieser Stelle soll nur auf die wesentlichen Punkte eingegangen und an verschiedenen Beispielen der Sinn der Kombination verschiedener Ausdauer- und Krafttrainingsmethoden verdeutlicht werden. Eine Verallgemeinerung der Auswirkungen von Kraft- und Ausdauertraining macht dabei wenig Sinn, da sich nicht nur die Trainingsmethoden, sondern auch die entsprechenden Effekte grundlegend voneinander unterscheiden. Insofern sollte man bei einer angemessenen Bewertung der Kombination von Kraft- und Ausdauertraining immer die jeweiligen Trainingsmethoden differenziert betrachten. Nachfolgend einige ausgewählte Beispiele.
Muskelaufbau und grundlagenorientierte Ausdauer
Schon das erste Beispiel, die Kombination von Hypertrophie- und Ausdauertraining, zeigt, dass Kraft- und Ausdauertraining in ihren verschiedenen Trainingsmethoden und damit auch den Adaptationsmechanismen unterschiedlich sind, wenn es um eine adäquate Beurteilung einer kombinierten Trainingsgestaltung geht. So ist gerade für die muskelaufbaurelevante Proteinsynthese die Ausschüttung des Enzyms mTOR (mammalian Target Of Rapamycin) als entscheidender Signalgeber und Katalysator für hypertrophe Effekte ausschlaggebend. Kombiniert man allerdings ein Hypertrophietraining mit einem nachgeschalteten Grundlagenausdauertraining, so hemmt das dabei ausgeschüttete Enzym AMPK (AMP-abhängige Kinase) die anabolen Effekte des vorangegangenen Trainings, indem es eher die Fettstoffwechselvorgänge und die ökonomische Energiebereitstellung in den Fokus stellt.
Beide Trainingsmethoden lassen sich zwar miteinander kombinieren, eine stimmige Kombination von Hypertrophie- und Ausdauertraining wäre aber besser durch ein (intensives) Intervalltraining zu erreichen, das eher auf eine Vergrößerung der Glykogenspeicher als auf eine Verbesserung der Laktatkinetik abzielt. Aber auch bei der Kombination von Kraft- und Ausdauertraining sind verschiedene Aspekte zu beachten.
Kombitraining zur Verbesserung der Laktatkinetik
Das Verwerten von Laktat als Energieträger und zur Glukoneogenese ist ein zentraler Parameter zur Verbesserung der allgemeinen Ausdauerleistungsfähigkeit. Exemplarisch kommt es nicht nur zu einer verbesserten enzymatischen Situation in den entsprechenden Organen (z. B. Herz, Leber), sondern auch zu einer erhöhten MCT1- und MCT4-Dichte im Blut. Die aktuelle Studienlage zeigt, dass sich bestimmte Trainingsmethoden eignen, um diese Effekte bestmöglich anzustoßen, unter anderem „3+7-Intervalle“. Dabei wird durch hochintensives Training für ca. drei Minuten ein erhöhter Laktatspiegel erreicht, der dann möglichst lang im Bereich einer mittleren intensiven Phase (vgl. Steady-State-Modell) gehalten wird. Voraussetzung für eine adäquate Adaptation ist ein entsprechend hohes Laktatniveau, das sich nur einstellt, wenn die Glykogenspeicher ausreichend gefüllt sind. Für eine Kombination mit Krafttraining bedeutet das, dass vor allem nach kraftausdauerorientierten Inhalten ein laktatspezifisches Ausdauertraining nur bedingt Sinn macht, da dann die Speicher bereits zu einem erheblichen Maß geleert sind. In diesem Fall wäre ein grundlagenorientiertes Ausdauertraining sicherlich eher zu diskutieren, um, ähnlich wie bei einem Nüchterntraining, die aeroben Energiegewinnungswege in den Fokus zu stellen.
Kraft- und Schnelligkeitstraining
Auch wenn das Training der Bewegungsschnelligkeit im klassischen Fitnessbereich (zumindest im Studiobetrieb) keine zentrale Rolle spielt, stellt ein entsprechendes Training für viele Kunden einen Mehrwert dar. Es kann für viele Sportarten in Form von z. B. Sprüngen oder kurzen Antritten mit wenig Platzbedarf durchgeführt werden. Entsprechend dem fast schon in Stein gemeißelten Motto „Schnelligkeitstraining immer nur im ausgeruhten Zustand“ verbietet es sich ja schon fast, Kraft- und Schnelligkeitstraining in dieser Reihenfolge zu kombinieren. Grundlegend ist dies auch richtig, aber auch hier gibt es in der Trainingslehre eine Ausnahme.
Der Effekt der sogenannten Post Activation Potentiation (PAP) zeigt in Labor- und Felduntersuchungen, dass es zu einer erhöhten Muskelantwort kommt, wenn der Proband vor Sprints, Anritten, Würfen oder Sprüngen (80 bis 90 Prozent des RPM) in drei Sätzen mit einer Satzpause von ca. 1,5 bis 2 Minuten und einer darauffolgenden Pause von acht Minuten die Zielmuskulatur voraktiviert. Dies mag sicherlich ein zeitaufwendiger Ansatz sein, aber gerade im leistungsorientieren Bereich ist es ein probates Mittel, um Innervationsbarrieren zu durchbrechen und die Leistungsfähigkeit zu steigern. Übrigens funktioniert der PAP-Effekt auch mit ähnlichen Mustern für sportartspezifische Bewegungen der oberen Extremitäten, z. B. in der Kombination von Bankdrücken mit Schlagbewegungen.
Regeneration
Ob Regeneration als Trainingsmethode bezeichnet werden kann, ist sicherlich zu diskutieren. Fest steht allerdings, dass die dem Training nachgeschalteten Maßnahmen eben nicht unbedingt immer eine schnellstmögliche Erholung und Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit als Ziel haben sollten. Vor allem dann nicht, wenn es die angestoßenen leistungsfördernden Adaptationsmechanismen negativ beeinflussen würde. Das Wort „Regeneration“ suggeriert häufig eine schnelle Wiederherstellung der größtmöglichen Leistungsfähigkeit. Dies mag im Profibereich sicherlich in vielen Fällen sinnvoll sein. Bei einem zwei- bis dreimaligen Training pro Woche sollte man sich allerdings eher fragen, welche Trainingsinhalte miteinander sinnvoll kombiniert werden können und wie man die entstandenen Adaptationseffekte am besten ausnutzt. Klassische Regenerationsprozesse sind zwar nicht als typische Trainingsmethoden zu sehen, unter dem Gesichtspunkt einer nicht unerheblichen Relevanz für die Anpassungserscheinungen sollten sie dennoch Beachtung finden. Dies kann an einem einfachen Beispiel, der Kälteapplikation, dargestellt werden.
Verschiedene Studien zeigen, dass Kälteapplikationen, wie sie im Leistungssport häufig Anwendung finden, ein probates Mittel sind, um Muskelkatererscheinungen mit großer Wahrscheinlichkeit zu reduzieren. So werden sie gern bei eng aufeinanderfolgenden Belastungen genutzt, um eine schnelle Wiederherstellung des Leistungsvermögens zu ermöglichen. Verschiedene Studien zeigen allerdings, dass eine Kälteapplikation häufig auch mit einer signifikant verminderten Testosteronausschüttung einhergeht, was für den Muskelaufbau gerade bei einer hypertrophieorientierten Zielsetzung definitiv als kontraproduktiv zu werten ist. Insofern sollten Kälteanwendungen auch nur mit dem Ziel einer Verminderung von Muskelschmerzen eingesetzt und im Regelfall nicht mit Hypertrophietraining kombiniert werden.
Fazit
Die dargestellten Beispiele zeigen, dass es gar nicht so einfach ist, verschiedene Trainingsmethoden und deren Auswirkungen im Zusammenspiel miteinander zu beurteilen. Ich hoffe, dass dieser Artikel ein wenig Einblick geben konnte, wie sich wissenschaftliche Erkenntnisse und physiologische Anpassungserscheinungen zur gezielten Verbesserung der Trainingsplanung nutzen lassen.
Dr. Lutz Herdener
Dr. Lutz Herdener
beschäftigt sich mit dem Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Trainingspraxis. Seine Schwerpunkte liegen neben der Trainingsplanung in der Entwicklung präventiver und rehabilitativer Konzepte sowie Regenerationsstrategien.
www.sportpraxismuenchen.de
Foto: Flamingo Images – stock.adobe.com; Dr. Lutz Herdener