Bänderriss – und jetzt?
Die richtige Therapie
Bänderrisse gehören zu den häufigsten Sportverletzungen. Was man tun kann, um Betroffene beim Training zu unterstützen, erklärt die Sportwissenschaftlerin Petra Schreiber-Benoit.
Wenn der normale Bewegungsspielraum eines Gelenks überschritten ist, werden Bänder, Gelenkkapsel und Gelenkknorpel verletzt. Die typische Ursache für einen Bänderriss am Sprunggelenk (Knöchel) ist zum Beispiel das Umknicken – für einen Bänderriss an der Schulter, an der Hand oder am Arm zum Beispiel ein Sturz auf den ausgestreckten Arm oder den Oberkörper. Am Finger ist die Ursache meist eine Ballsportart oder ein Sturz. Ein Bänderriss im Bereich des Ellenbogens und der Schulter ist häufig mit einem Auskugeln des Gelenks verbunden. Den Bänderriss bezeichnen Mediziner auch als Bandruptur. Ist das Gelenk noch stabil und sind die Strukturen intakt, spricht man von einer Bänderdehnung oder -zerrung. Kommt es durch ein Verdrehen des Fußes zu keiner Schädigung eines Bandes, spricht man von einer Distorsion des Gelenks, einer Verstauchung.
Häufig betroffen: Das Sprunggelenk
Die häufigste Sportverletzung überhaupt betrifft das Sprunggelenk. Oft ist eines der drei Außenbänder des Fußes betroffen als Folge eines Umknick-Ereignisses, dem sog. Supinationstrauma. Wird das Knie bei feststehendem Unterschenkel verdreht, kann es zu einer der schwersten Knieverletzungen, dem Kreuzbandriss, kommen. Das passiert häufig bei Sportarten wie Fußball, Handball oder Skifahren. Ob Außenband-, Seitenband- oder Kreuzbandriss, meistens kommt es dazu, wenn ein Gelenk gewaltsam verdreht wurde. Nicht nur Sportarten mit vielen Start-, Stopp- oder Drehbewegungen, auch das Übersehen einer Bordsteinkante im Alltag oder ein unglücklicher Treppensturz kann zu einem Bänderriss führen.
Typische Symptome für einen Bänderriss nach einem Trauma:
- plötzlich einsetzender, sehr starker bis stechender Schmerz
- Druck- und Belastungsschmerz
- starke Schwellung
- Hämatom (Bluterguß)
Schnell Erste Hilfe leisten
Reagieren Trainer direkt nach einem Bänderriss routiniert, hat ein geschultes Erste-Hilfe-Verhalten einen positiven Effekt auf die Heilung der verletzten Strukturen. Die Behandlung sollte direkt vor Ort begonnen werden: Eine weitere Belastung sollte vermieden und die betroffene Stelle sofort mit Eis gekühlt werden, wenn möglich in Verbindung mit einem Druckverband. Dann sollte der betroffene Bereich hochgelagert werden; das kann das Einbluten und Anschwellen stark reduzieren, was die weitere Behandlung erleichtert und die Genesung sogar verkürzt. Als einfache Merkhilfe für Maßnahmen zur Ersten Hilfe dient die „PECH-Regel“. Dabei steht das P für Pausieren, das E für Eis, das C für Kompression (compression) und das H für Hochlagern.
Konservative und frühzeitige Therapie
Seit einigen Jahren wird die Therapie des Bänderrisses zunehmend frühzeitig konservativ durchgeführt. Bis ein Bänderriss im Fuß verheilt ist, dauert es mindestens sechs Wochen. Ein Bänderriss im Knie braucht zum Verheilen dagegen deutlich länger. Die frühzeitig einsetzende Physio- und Sporttherapie verhindert dabei starken Muskelschwund, beschleunigt die Regeneration und erhält die propriozeptiven Fähigkeiten. Um chronische Instabilitäten des Sprunggelenks zu vermeiden, ist die konsequente Durchführung der sporttherapeutischen Trainingsmaßnahmen entscheidend.
Muskelaufbau nach Bandverletzungen
Durch eine mehrwöchige Rehabilitation soll der Patient schnellstmöglich seine Bewegungsfreiheit und Belastbarkeit sowie die muskuläre Kontrolle und Koordination wiedererlangen. Ist die Heilung des verletzten Gelenks mit den entsprechenden Bändern bereits fortgeschritten, kann mit einem leichten Belastungsaufbau begonnen werden. Dabei sollte das Gelenk nach einer Trainingspause vorsichtig wieder an die normale Belastung herangeführt werden. In dieser Phase unterstützt die Physio- und Sporttherapie mit gelenkstabilisierenden Übungen sowie Übungen zur Verbesserung der Koordination und Propriozeption. Als Propriozeption oder Tiefensensibilität wird die Fähigkeit bezeichnet, die Gelenkstellung unterbewusst wahrzunehmen. Aber auch die Bänder gezielt wieder zu mobilisieren, ist wichtig. Ein Schnellkrafttraining, also Belastungen wie schnelle Richtungswechsel oder sogar Sprünge, sollte in Absprache mit dem behandelnden Arzt erst sechs bis acht Wochen nach dem Unfallgeschehen wieder in das Training eingebaut werden. In den ersten Wochen nach der Wiederaufnahme des Sports kann ggf. eine Stützbandage oder ein Tapeverband auch mental hilfreich sein.
Reflexe und Reflexantwort trainieren
In der Sportwissenschaft werden schon lange reflexive oder reflektorische Trainingsmethoden eingesetzt. In Ballsportarten, aber auch in der Leichtathletik wird trainiert, schneller auf bestimmte Situationen zu reagieren. Um das Sprunggelenk vor einem Supinationstrauma zu schützen, sollte insbesondere die Reflexantwort der peronealen Muskelgruppen auf einen Umknickreiz trainiert werden. Das bedeutet, bei der Gefahr eines Umknickens wird reflektorisch der Fußaußenrand durch die Peronealmuskulatur (Teil der Unterschenkelmuskulatur) angehoben. Ihre Hauptaufgabe besteht im Heben des äußeren Fußrandes. Wird dies bewusst und reflektorisch in das sportartspezifische Training integriert, können schwere Verletzungen durch Umknicken oftmals verhindert werden. Durch eine geschulte reflektorische Reaktion kann das reflexartige Hochziehen des äußeren Fußrandes, die sogenannte Pronation, den Sportler vor solchen schwereren Verletzungen bewahren. Der Fußaufsatz wird reflexartig korrigiert und das Abrollverhalten beim nachfolgenden Schritt kontrolliert. In Studien konnte gezeigt werden, dass eine schnellere peroneale Reflexantwort zu einem selteneren Umknicken bei Patienten mit chronischer Sprunggelenkinstabilität führt.
Kraft-, Koordinations- und Gleichgewichtstraining
Im Profisport haben sich seit Jahren spezielle Präventionsprogramme etabliert. Mit gezielten Übungen im Krafttraining werden z. B. verletzungsanfällige Körperregionen wie das Knie oder die Schulter trainiert. Eine muskuläre Stabilität als Schutz führt zu weniger Verletzungen. Auch im Freizeitsport ist die Verletzungsprophylaxe sinnvoll. Eine gut trainierte muskuläre Basis ist die beste Voraussetzung, um die Verletzungsgefahr zu reduzieren. Sei es beim Golfen, Skifahren oder Tennisspielen: Kraft-, Koordinations- und Gleichgewichtstrainings sind die beste Vorbereitung für die Golf-, Ski- oder Tennissaison. Besonders Gleichgewichtsübungen auf instabilen Untergründen eignen sich dafür. Im Alter kann ein solches Training die Gefahr von Stürzen und somit das Risiko für altersbedingte Frakturen reduzieren. Gleichzeitig wirkt es sich positiv auf die Knochenmasse aus, was wiederum die Osteoporose-Prophylaxe unterstützt.
Reaktives neuromuskuläres Training mit der Halbrolle
Neuromuskulär wird ein Training immer dann, wenn das Zentralnervensystem (ZNS) und der gesamte Bewegungsapparat mit der Muskulatur gleichermaßen gefordert werden. Über Propriozeptoren, die sich in Muskeln, Sehnen, Bändern und Gelenken befinden, erhält das Gehirn über die afferenten Nervenbahnen die Informationen über Haltung, Bewegung und Lage des eigenen Körpers. Sie dienen der Wahrnehmung von der Stellung und Bewegung des Körpers im Raum sowie von der jeweiligen Muskelspannung, Muskellänge und Stellung der Gelenke. All diese Informationen werden zum Kleinhirn (unbewusste Tiefenwahrnehmung) gesendet und weiter zum Kortex (bewusste Tiefensensibilität), wo sie verarbeitet werden. Auf propriozeptive Signale reagiert das Gehirn und sendet Befehle über efferente Neuronen an die Muskeln. Die Muskulatur reagiert dann auf notwendige Positionsveränderungen des Körpers mit veränderten Muskelspannungen.
Petra Schreiber-Benoit
ist Dipl.-Sportwissenschaftlerin, Sporttherapeutin und gibt zertifizierte Kurse in den Bereichen Bewegung, Ernährung und Entspannung sowie Rückenfitness und Good Aging. Im Laufe der Jahre hat sie mit bekannten deutschen Sportlern, z. B. dem ehemaligen Zehnkämpfer Jürgen Hingsen, zusammengearbeitet. Sie ist außerdem Autorin mehrerer Gesundheitsratgeber.
www.schreiber-benoit.de
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