Atemnot
Sporttherapie bei Asthma bronchiale
Wie wirkt sich regelmäßiges Training auf Asthmatiker aus? Welche Sportarten sind zu empfehlen, wenn jemand unter Asthma leidet? Wie oft und wie lang sollten Asthmatiker Sport treiben und worauf ist im Training zu achten? Petra Schreiber-Benoit gibt Antworten auf diese und weitere Fragen und hat Tipps, wie man sich auf Kunden mit Asthma vorbereiten kann.
Asthma bronchiale zählt zu den chronisch entzündlichen Atemwegserkrankungen. Weltweit sind rund 300 Millionen Menschen davon betroffen. Beim Asthma kann es durch einen Bronchospasmus, ein Schleimödem, eine Hyperkrinie (übermäßige Drüsenabsonderung z. B. von Speichel) oder eine Dyskrenie (Bildung eines von der Norm abweichenden Drüsensekrets) mit Mukostase (Störung des Schleimabflusses z. B. aus den Bronchien) zu einer endobronchialen Obstruktion kommen. Dabei werden das allergische und das belastungsinduzierte Asthma unterschieden.
Regelmäßiges Training erhöht die Belastungsgrenze
Die Angst vor einem Asthmaanfall beim Sport bzw. einer sogenannten Obstruktion, also einer Verengung der Atemwege mit Atemnot, ist zwar berechtigt, aber Untrainierte haben mit einer niedrigeren Belastungsgrenze schon im Alltag ein erhöhtes Risiko, bei Alltagsaktivitäten wie zum Beispiel dem Treppensteigen eine Belastungsatemnot zu erleiden. Deshalb ist gerade für einen Asthmatiker die Bewegungstherapie sehr wichtig, denn ein gezieltes sporttherapeutisches Training erhöht die Belastungsgrenze und damit automatisch auch die Obstruktionsschwelle.
Sport- und Bewegungstherapien haben in der Prävention und vor allem auch in der Sekundärprävention einen enorm hohen Nutzen, denn die Trainierenden profitieren von den positiven Effekten des Sports. Evidenzbasiert gilt dies auch für Menschen mit Asthma bronchiale. Bewegung ist Leben und verbessert das Wohlbefinden physisch wie psychisch enorm! Vermeidet ein Asthmatiker die sportliche Belastung aus Angst davor, dass Husten, eine pfeifende Atmung oder Luftnot auftreten könnte, sinkt die Leistungsfähigkeit immer weiter ab und es kommt schon unter kleinsten Alltagsbelastungen zu einer stärkeren Atemnot. Die fortschreitende Inaktivität führt schließlich in die soziale Isolation. Ein Teufelskreis, vor dem die gezielte Bewegungstherapie schützen kann.
Sport bei Asthma bronchiale
Regelmäßiges Training bei Asthma bronchiale ist gesundheitsfördernd und hat für die Patienten etliche Vorteile. Es ist z. B.
- eine wichtige Ergänzung zur medikamentösen Therapie,
- erhöht die physische und psychische Belastbarkeit,
- wirkt sich positiv auf das Herz-Kreislauf-System sowie die Lungenfunktion aus,
- kräftigt den Bewegungsapparat,
- stärkt die Atemmuskulatur,
- erhöht die Atemtiefe,
- verbessert die Sauerstoffaufnahme,
- verbessert die Peak-Flow-Werte (die maximale Strömungsgeschwindigkeit der Atemluft),
- erhöht die Obstruktionsschwelle,
- fördert den Schleimabtransport in den Lungen,
- verbessert die Selbstreinigung der Lungen,
- wirkt positiv auf den Parasympathikus,
- steigert das körperliche Wohlbefinden und
- stärkt das Selbstvertrauen.
Welcher Sport ist sinnvoll?
Im Prinzip gibt es für die Auswahl der Sportart für Asthmatiker kaum Einschränkungen. Auch Spitzensport ist mit Asthma möglich. Dies zeigen zum Beispiel Claudia Pechstein im Eisschnelllauf und David Beckham im Fußball. Generell spielen individuelle Vorlieben und der aktuelle Gesundheitszustand bei der Wahl der richtigen Sportart eine große Rolle. Leidet man an einem allergischen Asthma, sollte man eventuell vor allem im Frühjahr – und wenn viele Pollen in der Luft sind – den Sport nicht draußen, sondern drinnen ausüben.
Leidet man an einem belastungsinduzierten Asthma (BIA), muss besonders auf die Intensität der sportlichen Einheiten geachtet werden. Ausdauersportarten mit gleichbleibender Intensität wie Joggen, Radfahren, Wandern oder Schwimmen sind für Menschen mit Asthma bestens geeignet, weil sie den Körper gleichmäßig belasten. Schwimmen ist dabei wegen der feuchtwarmen und allergenarmen Umgebungsluft besonders gut geeignet. Zu stark gechlorte Schwimmbäder können allerdings zu Reizungen und Asthmaanfällen führen und sollten dann eher gemieden werden.
Sportarten mit hohen Belastungsspitzen wie Tennis, Paddle-Tennis, Squash, Ballsportarten wie Fuß-, Hand-, Basket- oder Volleyball, bei denen sich kurze Belastungs- mit Ruhephasen abwechseln, sind unter erhöhter Achtsamkeit möglich und sollten gut geplant sein. Auch Kampfsportarten, Pump, Step, Hot Iron oder Functional Training sind möglich. Hier sollte der Asthmatiker unbedingt die eigenen Grenzen kennen und die intervallartigen Belastungsphasen, Gewichte oder Widerstände dem individuellen Erschöpfungsgrad anpassen; am besten langsam unter fachmännischer Leitung herantasten. Ein gutes Körperwahrnehmungsgefühl ist bei allen Belastungen die Basis, um sich angepasst an die jeweilige Tagesform moderat zu belasten.
Voraussetzung für das Training: Messung der Atemluft
Bevor man mit seinem Training startet, sollte bei einem Lungenarzt ein Termin für einen Check-up vereinbart werden. Die Kenntnis der persönlichen Belastbarkeit ist Voraussetzung für ein effektives Training. Ein Asthmatiker sollte seinen tagesaktuellen Peak-Flow-Wert kennen. Die maximale Ausatmungsgeschwindigkeit kann mit einem Peak- Flow-Meter einfach vor jedem Training gemessen werden. Mit diesem Gerät können Asthmatiker mehrfach am Tag überprüfen, wie gut ihre Atmungsfunktion gerade ist. Ein Wert über 80 Prozent des persönlichen Bestwertes ist eine gute Voraussetzung, um mit dem Training zu beginnen. Bei einem Wert unter 60 Prozent sollte das Training unbedingt verschoben werden.
Eine weitere Kontrollmöglichkeit bietet die FeNO- Messung (Fraktioniertes exhaliertes Stickstoffmonoxid, kurz: FeNO). Hier wird ein Entzündungsmarker in der Ausatemluft gemessen, der den aktuellen Entzündungsgrad der unteren Atemwege anzeigt. Beide Messungen sind mit Heimmessgeräten leicht selbst durchzuführen. Sie bieten nicht nur dem Sportler eine gute Orientierungshilfe für die Belastbarkeit, sondern auch jedem Trainer. Sie erleichtern auch die Entscheidung, ob eine sportliche Belastung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu empfehlen ist oder nicht. Zusätzlich kann das subjektive Belastungsempfinden regelmäßig über die Borg-Skala abgefragt werden. Auch die kontinuierliche Messung der Herzfrequenz bietet eine optimale Kontrolle vor allem bei Ausdauertraining.
Auf den Notfall vorbereitet sein
Macht sich der Sportler zusätzlich mit einem guten Notfallmanagement vertraut, kann er ein sicheres Trainingsgefühl aufbauen. Kennt man für den Notfall atemerleichternde Übungen wie die Lippenbremse oder die Kutscherhaltung, wird man seinen Sport gelassener ausüben können. Das Notfallspray zur Erweiterung der Bronchien sollte in der Sporttasche immer griffbereit sein.Achtung: Bei einer akuten Infektion, besonders einer Lungeninfektion, ist von einer sportlichen Betätigung gänzlich abzuraten, das gilt nicht nur für Asthmatiker, sondere für alle Sportler. Und noch ein praktischer Tipp: Asthmatiker sollten ein Notfalldokument mit sich führen, das Informationen über die Erkrankung, den Krankheitsverlauf und die Medikation beinhaltet. Je besser jemand für den Notfall gewappnet ist, desto beruhigter kann er trainieren und desto eher tritt der Notfall nicht ein.
Was ist beim Sport an der frischen Luft zu beachten?
Bei Outdoor-Sportarten sollte ein Asthmatiker das Wetter beachten, um extreme klimatische Reize zu vermeiden. Die Nasenatmung filtert und erwärmt die Luft beim Einatmen. Ist diese Art der Atmung aufgrund einer erhöhten Trainingsintensität nicht mehr möglich, sind die klimatischen Bedingungen besonders zu berücksichtigen. Hohe Ozonwerte im Sommer oder kalte trockene Luft im Winter reizen die Atemwege besonders. Bei hohen Ozonwerten ist ein Training z. B. in den frühen Morgenstunden sinnvoll. Ein Regenschauer lässt die Allergene zu Boden „rieseln“ – ein Outdoor- Training, wie z. B. ein Waldlauf, bietet sich dann besonders an. Im Winter sollte die Lunge über die Nasenatmung schrittweise an die kalte Atemluft gewöhnt werden.
Wie viel Sport ist ratsam?
In Abhängigkeit vom Trainingszustand empfehlen Experten anfänglich zwei bis drei Trainingseinheiten pro Woche mit einer Dauer von 20 bis 30 Minuten. Mit der Zeit können Umfang und Intensität auf drei bis fünf Einheiten pro Woche bei mittlerer Intensität und auf eine Dauer von jeweils 20 bis 60 Minuten gesteigert werden. Überlastungen sind immer zu vermeiden. Eine Studie der Concordia University1 zeigt, dass eine sportliche Aktivität von nur 30 Minuten pro Tag die Symptome von Asthma bronchiale deutlich reduzieren kann. Das Optimum für Gesundheitssport liegt also bei nur einer halben Stunde täglich, um im Schnitt Symptome von Asthma zweieinhalbmal besser unter Kontrolle zu haben als Testpersonen, die gar nicht trainieren. Die Intensität ist dabei generell nicht so entscheidend – auch ein regelmäßiger Spaziergang reicht schon aus, um die Vorteile zu spüren.
Das Aufwärmprogramm ist besonders wichtig
Um eine plötzliche Belastung der Atemwege zu vermeiden und den Kreislauf langsam zu aktivieren, sollte gerade auch bei Outdoor-Aktivitäten mit einer niedrigen Intensität begonnen werden. Das Aufwärmtraining sollte langsam progressiv an die Hauptphase angepasst werden. Ein sanftes Herz-Kreislauf-Training oder ein zügiges Gehen mit bewusstem Einsatz der Arme und Koordinationsübungen eignet sich besonders gut dafür. Dann folgt die eigentliche Phase des sportartspezifischen Ausdauertrainings. Jeder Trainingsplan richtet sich dabei nach dem jeweiligen Ziel. Für ein Grundlagenausdauertraining eignet sich ein lockerer Lauf bei 60 bis 70 Prozent der maximalen Herzfrequenz oder einem Wert auf der Borg-Skala von 4 bis 6 (RPE 10). Luftnot und Atembeschwerden sind über die Anpassung der Intensität zu vermeiden. Treten sie trotzdem auf: sofort die Intensität vermindern und kleine Pausen einlegen. Das Cool-down gewinnt beim Asthmatiker ebenfalls an Bedeutung, um einen Asthmaanfall zu vermeiden und den Körper langsam wieder auf sein Normalmaß „abzukühlen“.
Effektiv ist, was Spaß macht
Die richtige Art der sportlichen Betätigung zu finden ist die Voraussetzung, dass diese leichter in den Alltag zu integrieren ist und dann zu einer gesundheitsfördernden Routine wird. Asthmatiker profitieren am meisten von einem abwechslungsreichen und ausgewogen gestalteten Kraft- und Ausdauertraining. Es ist auch die beste Voraussetzung, um Asthma bronchiale positiv zu beeinflussen. Sport zu zweit, mit Freunden oder in speziellen Sportgruppen unter fachmännischer Leitung machen besonders viel Spaß und wirken nachhaltig. Eine entzündungshemmende Ernährung und der gezielte Einsatz von Supplementen können den positiven Effekt von Sport auf Asthma bronchiale noch unterstützen.
Petra Schreiber-Benoit
Petra Schreiber- Benoit
ist Dipl.-Sportwissenschaftlerin, Sport- und Ernährungstherapeutin und gibt zertifizierte Kurse im Bereich Bewegung, Ernährung und Entspannung sowie Rückenfitness und Good Aging. Im Laufe der Jahre hat sie mit bekannten deutschen Sportlern zusammengearbeitet. Sie ist Autorin mehrerer Gesundheitsratgeber und Fachbücher. Ihr neuestes Werk ist das „Trainingsbuch Halbrolle“.
www.schreiber-benoit.de
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