Bereit für Teenager?
Jugendliche: Zielgruppe mit Potenzial
Fitness-Influencer wie Pamela Reif, Mady Morrison oder Sascha Huber sind Idole unserer Jugend! Den jungen Leuten geht es aber längst nicht nur rein um Bodystyling und -tuning – fit und gesund sein und bleiben steht ganz oben auf der Bucket List der Teenager. Hier können Betreiber ansetzen und die lukrative Zielgruppe für sich gewinnen.
Multiple Herausforderungen wie Energieprobleme, hohe Inflation und Umweltveränderungen belasten das Wirtschaftsleben in vielen Marktsegmenten. Dennoch erholt sich die Fitnessbranche sehr gut.
Maßnahmen zur Gesunderhaltung über das reine Funktionieren hinaus wie Bodystyling, Bodytuning und Bodycaring gönnen sich die Menschen jetzt erst recht. Digitale Medien verhelfen dem Thema zu einem neuen Kultstatus – vor allem bei der Jugend. Das Thema „Muskeltraining für Jugendliche“ hat auf Basis neuester medizinischer und wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie mit immer mehr Ärzten und Trainern als starke Befürworter einen völlig neuen Stellenwert erhalten.
Unsere Branche „handelt“ unbestreitbar mit dem besten „Produkt“: Gesundheit. Durch vielfältige Fitness- und Gesundheitsdienstleistungen schaffen wir es, dass es unseren Kunden nach dem Besuch im Club besser geht. Die positiven Wirkungen des aktiven Muskeltrainings auf Körper und Geist sind mittlerweile bestens untersucht. Unsere Muskelbotenstoffe, die Myokine, die bei Muskelaktivität ausgeschüttet werden, beeinflussen positiv viele Organe wie Darm, Leber, Herz und Gehirn sowie unsere Knochen. Und das in jedem Alter!
Die Kunden von morgen
Lange Zeit ging man davon aus, dass Kinder noch kein Krafttraining durchführen sollten. Und mancherorts hält sich immer noch hartnäckig die Meinung, dass es der körperlichen Entwicklung schaden und das Wachstum hemmen könne. Es sei „zu schwer für Kinder“, „bringt sowieso nichts“ und außerdem „wollen Kinder kein Krafttraining machen“.
Viele wissenschaftliche Studien der vergangenen 20 Jahre zeigen aber genau das Gegenteil. Dies erklärt Prof. Urs Granacher von der Universität Potsdam so: „Wie bei so vielen Dingen im Leben ist es auch beim Krafttraining gut, schon in der Kindheit damit zu beginnen.“4 „Wenn Krafttraining in jungen Jahren richtig ausgeübt wird, stärkt es die Knochenstrukturen, erhöht die Knochendichte und schützt unter Umständen bis ins höhere Lebensalter vor Verletzungen“, sagte Dr. Heinold von der Universität Hamburg Anfang des Jahres 2023 in einem Beitrag im ZDF5. Heinold ergänzt: „Wer erst im Jugendalter oder als Erwachsener mit Kraftsport anfängt, ist eigentlich schon spät dran. Je früher Bewegung zum Alltag gehört, desto besser ist das für die Entwicklung von Körpergefühl und für das Selbstverständnis für Bewegung.“
Jedes Kind und jeder Jugendliche braucht Bewegung und Training. Wie viel, zeigen die nationalen Bewegungsempfehlungen des Bundesinstituts für Sportwissenschaft6, die auf den 2015 neu postulierten Empfehlungen der WHO basieren. Die Empfehlung: Neben mindestens 60 – besser 90 – Minuten Bewegungszeit am Tag können Kinder und Jugendliche je nach Alter zwei bis drei Trainingseinheiten Kraft- und Ausdauertraining pro Woche absolvieren.
Wie bei den Erwachsenen auch, weiß das nicht jedes Kind oder jeder Jugendliche, will das und kann sich dazu aufraffen. Zudem sind Kinder im Verhalten stark von ihren Eltern beeinflusst – Jugendliche mehr von Gleichgesinnten oder Influencern aus dem Netz. Der Bewegungsmangel bei Kindern und Jugendlichen, der bereits seit Mitte der 2000er-Jahre kontinuierlich voranschreitet, hat unter anderem dazu geführt, dass die motorischen Fähigkeiten und die Körpersysteme (Herz-Kreislauf- System, Gehirnleistung, Muskelmasse, Knochenmasse) unterdurchschnittlich ausgeprägt sind im Vergleich zu noch vor 30 Jahren7. Etwa 78 Prozent der Mädchen und etwas über 70 Prozent der Jungen im Alter von 6 bis 17 Jahren leiden unter Bewegungsmangel, d. h., sie bewegen sich laut WHO nicht genügend. Der beobachtete Geschlechterunterschied ist dabei besonders in der Altersgruppe zwischen 14 und 17 noch stärker ausgeprägt. Kinder und Jugendliche werden mit dem Alter tendenziell weniger aktiv8. Zudem sind 15,4 Prozent der 3- bis 17-jährigen Deutschen übergewichtig und 5,9 Prozent sogar adipös9. Die jetzt schon abzusehenden Auswirkungen der Coronapandemie sind hier noch nicht berücksichtigt und werden erst zeitversetzt in zwei bis fünf Jahren wissenschaftlich belegt sein. 30 Prozent der Jugendlichen sagen, sie seien besorgt um ihr Äußeres! Um die Zielgruppe richtig anzusprechen, optimale Programme für sie entwickeln und gezielt mit ihr kommunizieren zu können, sollten wir sie genau kennen.
Zielgruppe Kinder und Jugendliche
Die Kinder und Jugendlichen von heute sind anders als vor 20 Jahren. Und selbst die jüngeren Kinder von heute sind anders als die Jugendlichen von heute, denn sie gehören einer anderen „Generation“ an.
Die Generation Z oder auch Generation „YouTube“ – dazu zählen die 13- bis 17-jährigen Jugendlichen, die einen Anteil von ca. 5 Prozent der deutschen Bevölkerung ausmachen – sehen sich gerne im Netz Bilder und Videos via Instagram und YouTube an und holen sich über Fitness-Influencer Anregungen, Trainingstipps und -pläne. Die jüngere Generation „Alpha“ – die 6- bis 12-jährigen Kinder – tummelt sich eher auf Tik- Tok und Instagram und kommuniziert über Snapchat.
Pandemiebedingt hat sich eine Zwischengeneration, man könnte sagen eine „Generation Corona“, entwickelt, die die Ältesten der Generation Alpha (9- bis 12-Jährige) und die Jüngeren der Generation Z (13- bis 19-Jährige) vereint10. Durch den Einfluss digitaler Medien im Alltag und – durch die Coronapandemie noch befeuert – auch im schulischen Bereich mit der Nutzung von Notebook und Tablet hat sich das Gefühl für Selbstwirksamkeit geringer ausgeprägt. Nicht gelernt oder verlernt wurden häufig Arbeitshaltung und -organisation sowie die Fähigkeit, (Schul-)Stress zu bewältigen. Durch Online-Unterricht und die Nutzung von Lernplattformen haben nicht nur die soziale Interaktion und die persönliche Kommunikation, sondern auch das Bewegungs- und Naturerleben enorm gelitten. Der abnehmende soziale Zusammenhalt durch zwei Jahre der sozialen Isolation während der Pandemie, die durch Lernrückstände, fehlende Kompetenzentwicklung und Defizite in der Persönlichkeitsentwicklung gekennzeichnet ist, haben unbestritten Einfluss auf die Identität der Generation genommen. Die Ergebnisse einer Jugendstudie11 zeigen, dass die Überlagerung gleich mehrerer Krisen besonders die psychische Gesundheit der jungen Generation strapaziert hat. Auch die negativen Auswirkungen der Pandemie auf Bildung, Gesundheit, Ernährungsverhalten und das Wohlbefinden sind deutlich.
Wie erreichen wir die jungen Leute?
Wenn wir uns entscheiden, Kinder und Jugendliche trainieren zu wollen, dann müssen wir zum einen attraktiv für die Zielgruppe sein und wir müssen vertrauenserweckend und überzeugend hinsichtlich unserer Qualität für die Eltern sein. Oft ist der Mitgliedsbeitrag nebensächlich, wenn der Sprössling unbedingt im Club trainieren möchte. Bereits seit den späten 80er-Jahren sind Kinder und Jugendliche als kaufkräftige und lukrative Marketingzielgruppe im Fokus vieler Unternehmen12. Wenn Kinder und Jugendliche etwas wirklich wollen, bekommen sie dies in der Regel.Das gilt auch für kostspielige Produkte wie Handy, Markenkleidung oder Beautyprodukte. Aus diesen Erkenntnissen ergeben sich zwei Fragen:
1. Wie werde ich zur Fitnessmarke und interessant genug für Jugendliche?Parameter, die Jugendliche überzeugen:
- Sie möchten zum „coolsten Club der Stadt“ gehen,
- sie möchten sich mit coolen Trainern, die für sie echte Vorbilder sind, identifizieren,
- sie möchten Teil einer Community sein und suchen Gleichgesinnte,
- sie suchen Problemlösungen (z. B. bei Übergewicht, Schmerzen, Schulstress),
- sie möchten ein Ziel erreichen (Figur verbessern, Muskelaufbau o. Ä.).
2. Wie überzeuge ich die Eltern? Parameter, die Eltern überzeugen:
- wissenschaftliche Studien und Erkenntnisse,
- qualifiziertes Personal,
- gutes Betreuungssystem,
- kurze Vertragslaufzeiten zum Einstieg.
Was wir uns als Fitness- und Gesundheitsunternehmen noch zu Herzen nehmen sollten und womit wir punkten können: Den jungen Zielgruppen ist das Thema „Klima- und Umweltschutz“ wichtig. Sie verzichten auf umweltschädigende Hobbys, bevorzugen urbane Anbieter, die mit dem Rad erreichbar sind, und Bio- sowie Umweltthemen werden großgeschrieben.
Um die junge Zielgruppe für sich zu gewinnen, beginnt man am besten mit interner Aufklärungsarbeit bei den vorhandenen Mitgliedern, die Familienmitglieder, Eltern oder Großeltern sind. Jugendliche Mitglieder können sehr gut als Testimonials fungieren und zum Beispiel über Videobotschaften (bei Einverständnis der Eltern) auch für werbliche Aktivitäten auf den externen Social-Media- Kanälen genutzt werden. Bauen Sie intern und extern eine Fitness-Community auf!
Unter dem Motto „Tue Gutes und sprich darüber!“ können sportliche Schulaktivitäten als Aktionstag, im Rahmen einer Projektwoche oder als Schulsport im Club stattfinden. Über Schulmedien und über die Schule eingeladene Pressevertreter werden die Aktivitäten in die Bevölkerung weitergegeben. Wer sein Angebot um Rehasport für Kinder oder Präventionskurse für Jugendliche erweitert, der hat auch gute Karten, von Orthopäden, Allgemein-, Kinder- und Jugendärzten empfohlen zu werden.
Mitarbeiter auf die Zielgruppe vorbereiten
Kinder und Jugendliche sind keine kleinen Erwachsenen. Somit sollten sich hochqualifizierte Trainer in Bezug auf Wissen zur motorischen Leistungsfähigkeit in der jeweiligen Entwicklungsstufe und Belastbarkeit der Heranwachsenden fachlich fit machen.
Aber um die Zielgruppe im Club bei Laune zu halten, braucht es neben der fachlichen Qualifikation Trainerpersönlichkeiten, die glaubwürdige Mentoren sind (Stichwort „Walk what you talk“), den Jugendlichen auf Augenhöhe begegnen, sie auf Basis vereinbarter Regeln begleiten und sie werteorientiert und wertschätzend anleiten.
Hilfreich ist auch, wenn sich die Trainer mit der Szene der aktuellen Fitness- Influencer beschäftigen, um bei Empfehlungen der Online-Stars und Entwicklungen im Netz mitreden und diese falls nötig auch entkräften können. Eine weitere Idee könnte sein, erfahrene Mitglieder – ältere Jugendliche, junge Erwachsene oder auch langjährige, ältere Fitness „Role Models“ – im weiteren Prozess als Mentoren oder „Fitness Friends“ zu nutzen. Vielleicht entpuppt sich dabei der ein oder andere sogar als potenzieller neuer Mitarbeiter und startet eine (Trainer-)Ausbildung im Club!
Der Mitarbeiter muss sich bei den Heranwachsenden auf die Unterschiede innerhalb der „Generation“ sowohl in der Kommunikation, im Umgang und in der Trainingsplanung einstellen als auch auf die unterschiedlichen Gruppierungen der Eltern der Kinder und Jugendlichen in den Beratungsgesprächen vorbereitet sein.
Von der Beratung zur Bindung
Sollen junge Leute konkret angesprochen werden, ist es hilfreich, sich auf das Erstgespräch gut vorzubereiten und sein Gegenüber zu kennen. Hier eine Checkliste, wie der Ablauf vom Ersttermin bis zur langfristigen Kundenbindung gestaltet sein könnte:
- Erstberatung mit den Eltern
– Millennial-Eltern (Generation Y oder „Digital Natives“) der Generation Alpha (Kinder) · sehr Social-Media-affin · enormer Leistungsdruck/wollen in der Erziehung alles richtig machen · müssen lernen, abzuschalten
– Generation-X-Eltern (auch Generation Golf) der Generation Z (Jugendliche) · starkes Sicherheitsbedürfnis · starkes Konsumverhalten und Markenbewusstsein · Eigenständigkeit, Fleiß und Strebsamkeit als Werte - klare Regeln, mit altersgerechter Ansprache der Eltern, Kinder und Jugendlichen
- zielgruppenangepasste Diagnostik und individuelle ganzheitliche Trainingsplanung
- altersgerechte Einführung an geführten – idealerweise elektronischen – Zirkelgeräten, wenn die Körpergröße dies zulässt, später Hinführung zu freien und später komplexeren Bewegungsmustern
- feste Trainingszeiten für die Zielgruppe, ggf. im Kleingruppensetting
- digitale Tools (Studio-App) zu Motivationszwecken nutzen
- Trainingsgruppen/Mentoren oder Friends- Programm einführen (erfahrene junge Mitglieder kümmern sich um neue)
Motivation durch Aufzeigen des zukünftigen Trainingsprozesses und altersgerechter Begleitung fortgeschrittener jugendlicher Trainierender, ggf. Einzel- und Team-Challenges
Erfolgreich umsetzen
Aus meiner über 30-jährigen Erfahrung in der Branche weiß ich, dass es in der Vergangenheit schwierig war, Programme für die Zielgruppen Kinder und Jugendliche langfristig und vor allem gewinnbringend zu etablieren. Wer hier das schnelle Geld erwartet, der sollte auf ein anderes Pferd setzen. Wer sich aber langfristig als ganzheitlicher Qualitätsanbieter in allen Segmenten etablieren möchte und auch gesellschaftlich etwas bewegen will, der sollte jetzt mit einem durchdachten Konzept, dem Herzblut seiner Mitarbeiter und aktiver interner und externer Leistungskommunikation beginnen, die neue Zielgruppe zu aktivieren!
Mirelle Herpel
Mirelle Herpel
ist Diplom-Sportökonomin (Univ.), EMSc. und als Senior Consultant und Service-Partner von INJOY | ACISO tätig.www.gluckerkolleg.de
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