Das Karpaltunnel- Syndrom
Überblick und Übungen, um die Symptome zu lindern
Was ist das Karpaltunnelsyndrom, welche Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten gibt es und welche Übungen können helfen, die typischen Symptome zu lindern? Stephan Müller vom GluckerKolleg klärt auf.
Der Karpaltunnel ist ein Kanal im Bereich der Handwurzel, der überwiegend durch Knochen und Bindegewebe begrenzt wird. Er liegt an der Innenseite von Handgelenk und Handwurzel und wird von einem festen Bindegewebsband, dem Karpalband (Retinaculum flexorum), überspannt. Durch den Karpaltunnel verlaufen Sehnen und der Medianusnerv (Nervus Medianus). Dieser Nerv steuert die Empfindungsfähigkeit und Beweglichkeit des Daumenballens und von Teilen der Hand. Wenn das Gewebe im Karpaltunnel anschwillt,kann der Medianusnerv unter Druck geraten und ein Karpaltunnelsyndrom auslösen. Wenn dieser Nerv z. B. durch eine einseitige belastende Handhaltung komprimiert oder gereizt wird, können Schmerzen, Taubheitsgefühle, Kribbeln oder eine Schwäche in der Hand und in Fingern auftreten, besonders im Daumen, Zeige- und Mittelfinger. Die Symptome können sich vor allem nachts oder bei bestimmten Handbewegungen verstärken. Dabei können neben bestimmten, sich ständig wiederholenden Handbewegungen auch Faktoren wie Verletzungen, hormonelle Veränderungen oder Erkrankungen wie z. B. eine Gelenkentzündung (Arthritis) das Risiko, ein Karpaltunnelsyndrom zu entwickeln, erhöhen.
Entstehung des Karpaltunnelsyndroms
Das Karpaltunnelsyndrom entsteht immer durch Druck auf den Medianusnerv, der durch den Karpaltunnel verläuft. Dieser Druck kann durch unterschiedliche Faktoren verursacht werden.
1. Anatomische Gegebenheiten
Manche Menschen haben einen etwas verengten Karpaltunnel, was zu einem erhöhten Risiko für die Kompression des Nervs führen kann.
2. Wiederholte Handbewegungen
Tätigkeiten, die bestimmte, sich ständig wiederholende Hand- und Handgelenksbewegungen erfordern, wie das Tippen auf einer Computertastatur oder auf einem Mobiltelefon, das Arbeiten mit Werkzeugen oder das längere Halten von Alltagsgegenständen, die Vibrationswellen aussenden (z. B. Rührgerät oder Bohrmaschine), können den Druck auf den Nerv erhöhen.
3. Verletzungen oder Schwellungen
Verletzungen am Handgelenk oder Schwellungen z. B. aufgrund von Arthritis oder Flüssigkeitsansammlungen im Handgelenk durch einen Sturz oder beim Sport können den Raum im Karpaltunnel verengen und somit Druck auf den Nerv ausüben.
4. Hormonelle Veränderungen
Schwangerschaften oder hormonelle Veränderungen können Flüssigkeitsansammlungen im Körper verursachen, die den Druck auf den Nerv ebenfalls erhöhen können.
5. Bestimmte Erkrankungen
Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen oder bestimmte Formen von Arthritis können das Risiko für ein Karpaltunnelsyndrom erhöhen. Dies sollte von einem Arzt abgeklärt werden.
6. Genetische Veranlagung
Auch eine genetische Veranlagung kann dazu führen, dass einige Menschen etwas anfälliger für die Entwicklung eines Karpaltunnelsyndroms sind als andere.
Auswirkungen eines Karpaltunnelsyndroms
Das Karpaltunnelsyndrom kann verschiedene Auswirkungen und Folgen auf die Gesundheit und den Körper haben, die je nach Schweregrad der Erkrankung variieren. Ein erstes, typisches Anzeichen für ein Karpaltunnelsyndrom ist es, wenn nachts die Hand einschläft. Zu den häufigsten Symptomen gehören entsprechend ein Kribbeln, Taubheitsgefühle oder ein brennendes Gefühl vor allem in der Handfläche und in den Fingern, aber auch Schmerzen. Betroffen sind meist Daumen, Zeige-, Mittel- und Ringfinger. Die Symptome verschlimmern sich nachts oder bei bestimmten Handbewegungen. Ein fortgeschrittenes Karpaltunnelsyndrom kann zu einer Schwäche in der Hand führen, was die Fähigkeit beeinträchtigen kann, Dinge zu greifen oder zu halten. Feinmotorische Fähigkeiten wie das Zuknöpfen von Hemden oder das Halten von Gegenständen können ebenfalls beeinträchtigt sein. Bleibt die Ursache länger unbehandelt, kann es zu einer dauerhaften Schädigung des Medianusnervs kommen, was zu chronischen Taubheitsgefühlen oder sogar zu Muskelschwund in der Hand und im betroffenen Arm führen kann.
Die Symptome des Karpaltunnelsyndroms können die Fähigkeit beeinträchtigen, tägliche Aufgaben auszuführen, insbesondere solche, die eine manuelle Geschicklichkeit erfordern. Menschen, die in Berufen arbeiten, die bestimmte, sich wiederholende Handbewegungen erfordern, können aufgrund des Karpaltunnelsyndroms nur eingeschränkt arbeiten. Langfristige Schmerzen und Einschränkungen der Handfunktion können sich auch negativ auf die emotionale Gesundheit auswirken und so zusätzlich zu Stress führen.
Behandlung
Die Behandlung eines Karpaltunnelsyndroms hängt von der Schwere der Symptome und der individuellen Situation ab. Mögliche Behandlungsmethoden sind:
1. Bandage oder Schiene
Das Tragen einer Schiene oder Bandage am Handgelenk kann den Druck auf den Karpaltunnel verringern und die Symptome insbesondere nachts lindern. Sie verhindern das Abknicken der Hand und können die Beschwerden um 30 bis 50 Prozent reduzieren. Bandagen sollten aber nicht dauerhaft eingesetzt werden, da die Muskulatur am Handgelenk dadurch geschwächt wird.
2. Physikalische Therapie und Training
Physiotherapeuten oder ausgebildete Trainer können spezielle Übungen und Techniken empfehlen, die helfen, den Druck auf den Nerv zu verringern und die Handfunktion zu verbessern.
3. Medikamente
Schmerzstillende Medikamente können die Schmerzen lindern. In einigen Fällen können auch Corticosteroide direkt in den Karpaltunnel injiziert werden, um Schwellungen zu reduzieren und Symptome zu lindern; dies sollte aber nur die Ausnahme sein.
4. Ergonomische Anpassungen
An Arbeitsplätzen können ergonomische Anpassungen wie spezielle Tastaturen und/oder Mauspads helfen, die Belastung des Handgelenks langfristig zu verringern.
5. Chirurgischer Eingriff
In schwereren Fällen oder wenn konservative Methoden nicht helfen, ist eine Operation sinnvoll. Bei einer Operation wird das Karpalband durchtrennt, das an der Beugeseite der Handwurzel verläuft. Dadurch wird der Mittelnerv entlastet.
6. Kälte- oder Wärmebehandlungen
Der Einsatz von Kälte- oder Wärmebehandlungen kann Schmerzen lindern. Auch durchblutungsfördernde Salben oder solche, die einen kühlenden Effekt haben, kommen zum Einsatz. Welche Anwendung dem Patienten hilft, ist individuell sehr unterschiedlich und muss ausprobiert werden. Es ist wichtig, frühzeitig ärztlichen Rat einzuholen, um die beste Option für die Behandlung des Karpaltunnelsyndroms zu ermitteln. Eine frühzeitige Behandlung kann helfen, das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern und langfristige Schäden zu vermeiden. Oftmals ignorieren Menschen, die von einem Karpaltunnelsyndrom betroffen sind, die Symptome, bis sie chronisch geworden sind; das gilt es zu vermeiden. Um ein Karpaltunnelsyndrom zu diagnostizieren, kann der Phalen-Test eingesetzt werden, ein klinischer Test bei maximaler Flexion des Handgelenks.
Einfache Handübungen
Regelmäßige Hand- und Ausgleichsübungen können dabei helfen, die Symptome eines Karpaltunnelsyndroms zu reduzieren. Sie lindern nicht nur die Symptome, sondern tragen auch dazu bei, die Flexibilität und die Kraft des Handgelenks zu verbessern und einem Karpaltunnelsyndrom vorzubeugen.
1. Handgelenksdehnung: Strecken Sie den Arm aus und beugen Sie das Handgelenk nach unten, während Sie mit der anderen Hand sanft auf die Handfläche drücken. Halten Sie diese Position für 15–30 Sekunden und wiederholen Sie sie auf beiden Seiten zwei- bis dreimal.
2. Finger- und Handstreckübungen: Spreizen Sie die Finger weit auseinander und machen Sie dann eine Faust. Wiederholen Sie dies mehrmals, um die Finger- und Handmuskeln zu stärken. Hierzu können Sie ein kleines Gummiband als Widerstand um die Finger wickeln, um die Intensität zu steigern.
3. Handgelenksrotation: Drehen Sie das Handgelenk langsam im Uhrzeigersinn und dann gegen den Uhrzeigersinn. Wiederholen Sie die Übung einige Male, um die Beweglichkeit des Gelenks zu verbessern.
4. Handgelenksbeugung und -streckung: Beugen und strecken Sie das Handgelenk langsam und kontrolliert. Führen Sie diese Bewegungen mehrmals durch, um die Muskulatur des Handgelenks zu mobilisieren.
5. Handgelenksergometer einsetzen: Zahlreiche Studios und vor allem Therapieeinrichtungen verfügen über sogenannte Handgelenksergometer. Diese Geräte können die Durchblutung der Hände verbessern und so die Heilung und die Regeneration unterstützen. Achten Sie beim Einsatz darauf, dass die Durchblutung der Hände durch die Handhaltung nicht eingeschränkt und der Medianusnerv nicht zusätzlich eingeengt wird.
Stephan Müller
Stephan Müller
ist Vorstand des Bundesverbandes Personal Training. Zusätzlich ist er monatlich live als Experte für ARD und SWR im Fernsehen und Radio im Einsatz. Der Inhaber des GluckerKollegs betreut seit über 25 Jahren zahlreiche Olympiasieger, Weltmeister und Top-Sportler. Mittlerweile hat er zehn Fachbücher veröffentlicht. Seine umfassende Expertise macht ihn international zu einem Spezialisten und Wegbereiter im Fitnessbereich.
www.gluckerkolleg.de
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