Club der Zukunft
Klein und teuer
Kunden zahlen in New York für Boutique-Fitness-Konzepte mittlerweile bis zu 117 Dollar im Monat. In einem Fitnessstudio mit viel größerem Angebot müssten sie nur durchschnittlich 70 Dollar zahlen. Dennoch entscheiden sich viele für die teuren kleinen Clubs. Warum?
Die kleinen Clubs haben ein exklusives Publikum. Die Trainingsflächen sind zwar wesentlich kleiner als in klassischen Fitnessstudios, aber bei den Kunden handelt es sich um Lifestyle-Publikum, also vor allem um gut verdienende Menschen in Führungspositionen, die wenig Zeit haben.
„Pay as you go“
Besonders in Großstädten tauchen sie auf. Der Markt in Amerika hat sich aufgrund von spezialisierten Anbietern wie „SoulCycle“, „Physique 57“, „The Mile high run club“ und vielen anderen sehr verändert. Die kleinen Special-Interest-Anbieter sind derart beliebt, dass der Run auf die kleinen Clubs so manchen Premiumclub in Bedrängnis bringt, denn heute verlangen die Kunden nach Barre, CrossFit, HIIT oder Treadmill Classes.
Trotz kleinerer Räume und geringeren Kosten zum Beispiel für Miete und Equipement zahlen Kunden mehr. Die Boutique-Fitness-Konzepte sind wegen der höheren Marge entsprechend erfolgreich. Dass Kunden mehr zahlen, liegt zum einen an der Exklusivität. In Boutique-Fitness-Studios kennen die Trainer ihre Kunden mit Namen. Während des Trainings wird in der Kleingruppe geplaudert. Die Trainer nehmen am Leben ihrer Kunden teil und sorgen dafür, dass sich die Teilnehmer untereinander kennenlernen. Dieser soziale Faktor ist ein entscheidender Pluspunkt, der vielen auch mehr Geld wert ist.
In einem Fitnessstudio hat man zwar ein viel größeres Angebot, allerdings nutzen das die wenigsten wirklich. Am Eingang wird man oft nicht mal mehr begrüßt und muss an einem Drehkreuz selbst einchecken. Service? Fehlanzeige! Kleine Studios können dank moderner Onlinebuchungssysteme viel flexibler auf ihre Kunden eingehen.
Man bucht sich online in einen Kurs ein und trainiert. „Pay as you go“ heißt die Devise, das heißt gezahlt wird nur, wenn tatsächlich trainiert wird. Vertragsbindung war gestern. Zehnerkarten, Bürokratie und Papierkram ade. Forschungsergebnisse der International Health, Racquet & Sportsclub Association (IHRSA) zeigen, dass bereits im Jahr 2014 rund 54 Millionen Amerikaner Mitglied in einem Sportclub waren.
Allein 42 Prozent davon waren Mitglieder von Boutique-Fitness-Studios. Diese Studios mögen klein sein, aber genau dort wird zukünftig das große Geld verdient.
Neue exklusive Ideen ziehen Kunden an wie Magnete
Besonders für Trends wird scheinbar mehr Geld auf den Tisch gelegt. Gerade in New York, Los Angeles oder London hat sich Boutique Fitness enorm entwickelt. Besondere Ideen für eine sehr eng gefasste Zielgruppe haben die Nase vorn, so wie zum Beispiel das „Tone House“.
Das ist ein Boutique-Fitness-Studio in New York, das sich auf hartes athletisches Groupfitnesstraining spezialisiert hat. Das gleichnamige Kurskonzept soll das härteste Training in ganz New York sein. Viele sind bereit, dafür mehr zu bezahlen, als sie in einem regulären Fitnessclub zahlen würden, einfach weil es angesagt ist, dort zu trainieren.
Ein ähnliches Konzept gibt es in Hamburg. Dort haben sich Johanna Braun und Daniel Kanak mit ihrem Studio „Urban Heroes“ auf hochintensives Intervalltraining spezialisiert.
HIIT im Nachtclub mit DJs und Livemusik
Im „Urban Heroes“ geht es zu wie in einem Musikclub. Schummriges Licht und schnelle Musik sorgen für Nachtclubatmosphäre. Jeder Trainer stellt seine eigene Playlist zusammen, ab und an gibt es Specials mit einem DJ. Für eine 10er-Karte zahlen die Kunden 179 Euro. Sie ist nur sechs Monate gültig. Das Wort „Vertragsbindung“ gehört hier zu den Akten.
Wer ganz flexibel sein will, kann jede Session für 25 Eruro einzeln buchen. Gebucht wird online. Bis zwölf Stunden vor Kursbeginn kann kostenlos storniert werden. Mehr Flexibilität geht kaum. Auch der Service ist anders als in einem klassischen Fitnessstudio. Für das schweißtreibende Training bekommen die Kunden beim Check-in ein kostenloses Handtuch.
Auch Haarshampoo, Conditioner und Bodylotion stehen in den Duschen kostenlos bereit. Im Frühjahr 2017 sollen in Frankfurt und bis Ende des Jahres 2017 in Düsseldorf und München weitere Filialen von „Urban Heroes“ eröffnet werden.
In London hat das Studio „1Rebel“ die Fitnessszene völlig umgekrempelt. Hier treten in den Kursen gelegentlich nicht nur DJs, sondern auch Jazzbands live auf. Cycling zu Livemusik ist hier angesagt. Die Luxusstudios sind mit modernen Umkleiden und den besten Schönheitsprodukten ausgestattet – einschließlich Deo, Haarspray, Gesichtscreme, Make-up-Entferner und Körperlotion.
An Freitagen wird nach dem letzten Kurs mit Prosecco angestoßen. Auf dem Programm stehen Kurse wie Boxing, Spinning oder TRX Suspension Training und Treadmill-Classes. „Kobox“ ist das erste Boutique-Fitness-Studio in London, das auf Boxkurse spezialisiert ist. Dort wird in einer Art Nachtclub zu Mainstream Rap geboxt. Das „Y7“ in New York stellt alles auf den Kopf.
Skurril, aber extrem erfolgreich praktizieren die Macher Yoga zu Hip-Hop und Gangsta Rap.
Der neue Look: unkoventionelles cooles Design
Neben speziell ausgewählter Musik und dem Einsatz von DJs oder Livebands sehen die kleinen Gyms auch anders aus. In einem ehemaligen viktorianischen Straßenbahndepot in Clapton hat vor Kurzem das Studio „Blok London“ seine Türen geöffnet. Das Ganze sieht eher aus wie eine moderne Kunstgalerie und nicht wie ein Gym.
Das Café mit seinem langen Tisch wirkt wie ein großes privates Esszimmer oder ein Coworking-Space. In diesem exklusiven Ambiente werden Pilates, Barre Workout, Functional Training, HIIT und Yoga angeboten. Auch hier keine Aufnahmegebühr, keine Vertragsbindung und kein Papierkrieg. Login und Bezahlung erfolgen online.
Im „Lomax“ in London ist HIIT angesagt. Daneben werden Pilates, Barre Workout und TRX Suspension Training angeboten. Das „Lomax“ hat mittlerweile zwei Standorte: einer ist auf Cycling und einer auf Treadmill-Classes fokussiert.
Das „Frame“ bringt ein ganz neues Lebensgefühl in die britische Metropole. Dort bieten die Gründer Pip Black and Joan Murphy zusätzlich zu Barre witzige Retrokurse zu Musik aus den 1980er-Jahren an. Das Führungsduo hatte sein Konzept innerhalb von einem Monat ausgearbeitet. Sie wollten einen Nachtclub, in dem DJs auflegen und getanzt wird.
Dazu noch Cycling, Pilates, Barre und HIIT. Alles sollte unter einem Dach zusammengeführt werden. Sie führten als Bezahlmodell „Pay as you go“ ein. Kunden buchen sich in tanzorientierte Kurse wie „Frame Rave“, „Music Video“ oder „80s Aerobics“ ein, zahlen aber nur damm, wenn sie wirklich kommen. Schon der Eingang besticht durch das einzigartige knallbunte Grafikdesign des Künstlers Lakwena.
Spezialisiert auf Cycling
Die Spezialisierung auf das Training mit dem Bike hat seinen Ursprung in New York. 2006 eröffnete dort „SoulCycle“. Die Betreiber hatten die Idee, sich auf das Geschäft mit dem Cycling zu konzentrieren. Nicht nur die Londoner Boutique-Fitness-Konzepte wie z.B. „1Rebel“ oder „Lomax“ setzen seitdem auf Cycling.
Auch „Psycle“ lehnt sich an „SoulCycle“ an und hat mittlerweile das zweite Studio „Canary Warf“ in London eröffnet. Dabei ist das High Impact Workout auf dem Indoorbike im Vergleich zu früher im Grunde gleich geblieben, trotzdem boomen die Kurse in den kleinen Clubs. In Berlin ist „Becycle“ auf den Zug aufgesprungen. Das Boutique-Fitness-Studio wurde von Gundula Cöllen und Viola Hütten gegründet und bietet seit Sommer 2016 Cycling in Nachtclubatmosphäre zu Musik von Berliner und internationalen DJs (siehe Seite 94).
„Nach längerer Recherche in LA und London haben wir uns entschlossen, dass es an der Zeit ist, den Boutique-Fitness-Trend nach Deutschland zu bringen“, sagt Gundula Cöllen. Ihr Studio ist in Berlin Mitte in einem alten Bankgebäude untergebracht. In dem ehemaligen Tresorraum sind heute die Duschen montiert. Auf 500 Quadratmetern werden neben Cycling auch Trends wie Barre und HIIT angeboten. Auch hier wird Service großgeschrieben.
Klickschuhe können kostenlos ausgeliehen werden. Wasser, erstklassiges Shampoo, Duschgel und Körperlotion von Malin+Goetz sind inklusive. Das Design ist außergewöhnlich und auch hier findet sich im angegliederten Café der große Tisch als Treffpunkt für Gleichgesinnte oder als Arbeitsplatz zum Abrufen von E-Mails. Neben Cycling stehen auch Power Yoga und Barre auf dem Kursplan. Auch das „rideberlin“ hat sich auf Indoor Cycling spezialisiert.
Das Treadmill-Fieber
Das „rideberlin“ hat bereits am 1. April 2016 in Berlin seine Türen für einen ersten Testbetrieb geöffnet. „Der gesamte April lief als Testphase für unseren Service und die Abläufe“, sagt Geschäftsführer Till Trilling. „Uns ist der Rundum-Füllservice für den Kunden absolut wichtig, daher sollte alles reibungslos funktionieren.“ Das 230 Quadratmeter große Studio liegt mitten in Berlin, ca. 200 Meter vom Checkpoint Charlie entfernt.
Till Trilling und sein Geschäftspartner Kirill Pronine kennen sich seit Schulzeit. „Kirill ging in die USA und wurde Banker in Manhattan, ich blieb in Berlin, studierte Fitness-Ökonomie und wurde Physiotherapeut und dann Geschäftsführer und Mitinhaber des Gesundheitsfitnessclubs ‚Deen‘ in Berlin“, sagt Till Trilling. „Kirill erzählte mir von ‚SoulCycle‘. Die Idee war, dieses geniale Konzept nach Deutschland zu holen.“ Der Erfolg von „SoulCycle“ hat nicht nur Nachahmer in Amerika, England und Deutschland gefunden, sondern auch neue Mitbewerber auf den Plan gerufen.
In New York hat das dazu geführt, dass sich die Idee mit den Bikes auch auf Laufbänder ausgeweitet hat. Im November 2014 eröffnete die ehemalige Trainerin des „Equinox“-Fitnessclubs Debora Warner in New York das erste Studio nur für Lauftraining. In New York ist seitdem ein wahres Lauffieber ausgebrochen. Neben dem „Mile High Run Club“ gibt es in New York in der 25. Straße jetzt das Studio „TheRun“. Im März 2015 öffnete das „Orangetheory Fitness“ seine Türen.
Der neue Mitbewerber kombiniert das Laufbandtraining in der Gruppe mit Rudern und Hanteltraining. In Hamburg bietet „Urban Heroes“ die Sprinteinheiten auf Laufbändern von Woodway im Wechsel mit effektiven Kraftübungen am Boden an.
Barre-Konzepte im Aufwind
Boutique Fitness beschränkt sich nicht auf HIIT, Spinning oder Kurse auf dem Laufband. Besonders profitieren Pilatesstudios – und zwar durch das Angebot der in London, New York und Los Angeles förmlich explodierenden Barre-Konzepte. In LA hat sich Andrea Speir innerhalb von zehn Jahren zur Pilatesikone gemausert. Im „Speir Pilates“ verbindet sie Pilates Reformer mit Ballett Barre. Ihre Pilateskurse haben einen ganz eigenen Stil mit einem Hauch des guten alten Aerobics.
In New York kombinieren immer mehr Boutique-Fitness-Studios Pilates mit dem Balletttraining an der Stange. Neben „Pop Physique“ gehören „bootybarre“ und „Physique 57“ dazu. Alle Studios vermarkten nicht nur ihre Kurse gekonnt über Instagram und Facebook, sie vertreiben auch eigene Pilatesbälle, Ballettstangen, Socken und Outfits.
Auch das aus Florida stammende Konzept „Xtend Barre“ verbindet Ballett, Tanz und Pilates und hat jetzt eine Dependance in Düsseldorf. In London ist „bePilates“ sehr erfolgreich. Das Studio wurde 2011 von Dawne Likhodedova gegründet und bietet heute Pilates Reformer, Barre und Suspension Training an, eine erfolgreiche Kombination, die auch in deutschen Pilatesstudios zu finden ist, wie zum Beispiel im „Sunyard Pilatsclub“ in München.
Besonders trendy ist „The Refinery“ in London. Dort wird Yoga und Pilates mit viel Witz und Charme unterrichtet. Allein der Internetauftritt ist sehenswert mit den coolen 1980er-Jahre Typen. Hier ist es definitiv nicht langweilig. Die Yogakurse sollen das Durcheinander in gestressten Köpfen wieder ordnen. Barre wird in einer lustigen und positiven Umgebung zu Discomusik unterrichtet.
Genau das ist auch ein Ziel der neuen Boutique-Fitness-Studios. Sie setzen auf Spaß, Freude, lautes Gelächter und ein offenes Miteinander. Dem Selbstoptimierungswahn wird eine Grenze gesetzt: Der Sport darf wieder Spaß machen und das gefällt auch den Kunden.
Fotos: alphaspirit/shutterstock.com