Der Ausbildungsmarkt im Wandel
So wirken sich Generation Y, Digitalisierung und Trends auf die Ausbildungen im Fitnessbereich aus
Der Aus- und Weiterbildungsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Die zunehmende Professionalisierung, neue virtuelle Möglichkeiten und innovative Trends in der Fitnessbranche erfordern von den Ausbildungsinstituten eine permanente Weiterentwicklung ihrer Angebote.
Innovative Wege bei der Mitarbeiterakquise
Die Folge für Arbeitgeber: Der Ausbildungsmarkt ist hart umkämpft und erfordert innovative Wege bei der Mitarbeiterakquise. „Um die gewünschte Aufmerksamkeit zu bekommen, nutzen Arbeitgeber derzeit verstärkt die Möglichkeiten der Social-Media-Plattformen. Um potenzielle Bewerber direkt anzusprechen, posten sie Videos, schalten klassische Anzeigen, buchen Plakate oder versuchen es über den direkten Kontakt auf Absolventenmessen“, so Maschke weiter. Für eine gezielte Ansprache potenzieller Bewerber sei es auf jeden Fall unverzichtbar, sich von der Masse abzuheben.
Wer auf dem heutigen Arbeitsmarkt Auszubildende für sich gewinnen will, muss sich intensiver mit modernen Recruiting-Methoden auseinandersetzen. Unverzichtbar ist das Employer Branding, also die vom Unternehmen gezielt eingesetzten Marketingmaßnahmen, um sich als attraktiver Arbeitgeber darzustellen. Denn auch die Branchen untereinander stehen in Konkurrenz und ringen um engagierte Schulabsolventen. Die Fitnessbranche profitiert von ihrem modernen Image, das sie in den letzten Jahren für potenzielle Bewerber zunehmend attraktiver gemacht hat. „Die Fitnessbranche hat glücklicherweise den Werbesupport bekannter Influencer. Fashionmodels, Moderatoren und Prominente leben in der Öffentlichkeit ihren gesunden Lifestyle vor. Viele Schulabsolventen sehen sie als Vorbilder und wünschen sich einen ähnlichen Weg. Ihr Motto lautet, das Hobby zum Beruf zu machen“, so Maschke, die von einer zunehmenden Akzeptanz der Fitnessbranche bei Berufseinsteigern berichtet. Mit Besetzungsproblemen der Ausbildungsstellen haben Studiobetreiber dennoch zu kämpfen, denn viele Bewerber streben eine akademische Qualifikation an Hochschulen an. Dies führe dazu, dass viele Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben. „Dabei suchen viele Arbeitgeber unserer Branche nach wie vor gezielt nach Absolventen einer praxisorientierten Berufsausbildung, da es einfach nicht genügend Stellen für Fitnessfachleute mit einem akademischen Abschluss gibt“, weiß Maschke. Es sei wichtig, auch diesen Teil des Ausbildungsmarktes attraktiv zu halten.
Die veränderten Ansprüche der Generation Y
Ein weiterer Grund, warum viele Unternehmer bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen an ihre Grenzen stoßen, ist, dass es immer schwieriger wird, die nachrückende Generation Y – die Geburtsjahrgänge von 1980 bis 1995 – für sich zu gewinnen. Sie hat andere Anforderungen und Bedürfnisse, die auch Arbeitgeber berücksichtigen sollten: Sie sind digital sozialisiert und legen Wert auf Sinnhaftigkeit, Transparenz sowie Nachhaltigkeit bei der Arbeit. Allerdings sind sie auch sprunghafter und als Arbeitnehmer schwieriger zu halten. Eine persönliche Entfaltung in ihrem Job ist für sie wichtiger als Karriere im klassischen Sinn. Diese Entwicklung bemerkt auch Katrin Giesel, Leiterin der IFAA-Akademie: „Wir beobachten, dass die Absolventen bei den Ausbildungsangeboten zunehmend Wert auf Flexibilität und ortsunabhängige Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten legen. Außerdem stellen sie hohe Ansprüche an die Qualität ihrer Ausbildungen und deren Organisation – vor Ort wie auch in der Online-Education. Themen wie ‚Emotionalisierung‘, ‚Authentizität‘ und ‚Identifikation‘ werden zunehmend wichtiger.“
Online versus Präsenz?
Zwei Faktoren, die in der Vergangenheit wahrscheinlich zum größten Wandel auf dem Aus- und Weiterbildungsmarkt geführt haben, sind die Themen „Digitalisierung“ und „E-Learning“. Der Lockdown und die damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen der vergangenen Monate haben natürlich zu einer deutlich größeren Akzeptanz der virtuellen Angebote geführt: „Der Präsenzunterricht wurde von heute auf morgen runtergefahren und alternative Lösungen mussten schnell gefunden werden. Glücklicherweise erkannten die Absolventen schnell die Vorteile des virtuellen Lernens“, so Giesel. Denn durch den Einsatz digitaler Medien kann das Lernen individuell und ortsunabhängig gestaltet werden. Die Vorteile liegen auf der Hand: Inhalte, Zeitpunkt und Tempo des Lernens werden selbst bestimmt, Fahrt- und Übernachtungskosten entfallen und führen zu deutlichen Kosteneinsparungen. Außerdem gibt es die Möglichkeit, sich selbst zu kontrollieren und den eigenen Lernfortschritt durch E-Klausuren und Online-Tests zu messen. Für den Lernenden bedeutet das mehr Autonomie und Freiheit, gleichzeitig geht damit aber auch mehr Selbstverantwortung einher, die nicht wirklich jeder leisten kann oder will.
Werden die Präsenzausbildungen also mittelfristig durch die Online-Education abgelöst? Wohl kaum – darin sind sich die Experten einig. Das Thema „Socializing“ ist aktuell wichtiger denn je. Bei allen Vorteilen der Online-Education ist für Menschen der persönliche Kontakt und Austausch untereinander unverzichtbar. Gerade in der Fitnessbranche, wo viel mit „Hands-on“ und direktem Körperkontakt gearbeitet wird, lassen sich bei den Aus- und Weiterbildungsangeboten viele Fähigkeiten und Fertigkeiten nur durch den Ausbilder bzw. Referenten vor Ort vermitteln.
Trends & Ausblick
Kaum eine Branche ist so stark Trends unterworfen wie die Fitnessbranche. Dies spiegelt sich auch im Aus- und Weiterbildungsangebot der verschiedenen Anbieter wider. Regelmäßig müssen neue Aus- und Weiterbildungen konzipiert und aufgelegt werden. Sehr stark in ihrer Entwicklung sind aktuell die Bereiche „Natural Bodybuilding“ sowie „Smallgroup-Training“. Aber auch der gesamte Body & Mind-Bereich hat eindeutig Wachstumspotenzial. „Yoga mit seinen unterschiedlichen Stilrichtungen wird zukünftig noch mehr Raum einnehmen als bisher“, so Jörg Winkler, sportlich- pädagogischer Leiter der IFAA.
Bei all dem Wachstum in den unterschiedlichen Bereichen zeigt sich allerdings auch ein Negativtrend, der in den vergangenen Jahren zu einem deutlichen Wandel bei den Ausbildungsangeboten geführt hat: Die einst so begehrten Choreografie- Kurse sind stark rückläufig und in vielen Kursplänen nur noch sporadisch vorhanden. „Im Laufe der Jahre wurden diese Kurse für viele Teilnehmer motorisch und koordinativ schlichtweg zu anspruchsvoll. Viele haben den Spaß verloren, weil sie sich überfordert fühlten“, so Winkler. Dennoch sieht er immer noch eine große Zielgruppe für diese Kurse: „Wenn es uns gelingt, Step-Kurse als einfaches Herz-Kreislauf-Training ohne Choreografie, sondern mit Freestyle-Elementen neu zu positionieren, kann dieses Angebot in den kommenden Jahren eine wirkliche Renaissance erfahren“, so der pädagogische Leiter weiter. Und auch für Medical Fitness mit den Bereichen Prävention und postrehabilitatives Training prognostiziert er weiterhin ein starkes Wachstum, auf das die Aus- und Weiterbildungsanbieter mit entsprechenden Angeboten reagieren werden.
Ann-Catrin Wilser
Interview mit Alexander Pfitzenmeier, Geschäftsführer der IFAA
body LIFE: Herr Pfitzenmeier, wie wird Ihrer Meinung nach die Wissensvermittlung in der Fitnessbranche zukünftig aussehen?
Alexander Pfitzenmeier: Wir von der IFAA sind Verfechter des sogenannten Blended Learning. Damit ist die didaktisch sinnvolle Verknüpfung von Online-Angeboten mit den Vorteilen des persönlichen Erfahrungsaustauschs in Präsenzveranstaltungen gemeint. Die Erfahrung hat uns gezeigt, dass sich bei den Teilnehmern damit die größten Erfolge erzielen lassen. Wir nutzen die Möglichkeiten der Digitalisierung aber nicht als Ersatz, sondern als sinnvolle Unterstützung. Mit unserem neuen Netzwerk „IFAA Prime Plus“ und der großen Facebook- Gruppe „Trainer helfen Trainern“ haben wir jetzt eine onlinebasierte Community mit vielen Mehrwerten aufgebaut. Die Trainer haben es dieser Tage nicht leicht und nehmen diesen Service super an! Auf der anderen Seite brauchen sie aber auch den realen Kontakt – mit ihren Klienten wie auch untereinander. Deshalb freuen wir uns schon alle darauf, wenn wir nach Corona unsere vielen Events, Kongresse und Festivals wieder hochfahren können. Denn gerade bei der Aus- und Weiterbildung im Fitnessbereich ist der direkte Kontakt unverzichtbar – das wird meiner Meinung nach auch immer so bleiben und ist eine große Stärke der IFAA.
body LIFE: Dennoch haben Sie sich in den vergangenen Monaten stark im Bereich Online-Education aufgestellt. Wie schätzen Sie diese Entwicklung mittelfristig ein?
Alexander Pfitzenmeier: Corona hat die Gesellschaft von heute auf morgen dazu gezwungen, die neuen Online- Möglichkeiten zu akzeptieren und in unseren Alltag zu implementieren. Plötzlich herrscht eine ganz neue Selbstverständlichkeit, Tools wie Zoom oder Skype zu nutzen. Davon profitieren natürlich auch wir als Ausbildungsinstitut und können mit unserem Online-Campus die gesteigerte Nachfrage bestmöglich bedienen. Dennoch denke ich, dass nicht jeder für das Thema „virtuelles Lernen“ gemacht ist. Neben all den bekannten Vorteilen wie Flexibilität und Selbstbestimmtheit erfordert die Online- Education eine wesentlich höhere Selbstdisziplin. Unsere Erfahrung zeigt, dass vielen schlussendlich der Wille fehlt, die Ausbildung selbstbestimmt online durchzuziehen. Deshalb unterstützen wir sie hier gezielt mit ständig verfügbaren Online-Betreuern und auch mit Videokonferenzen, bei denen unsere Referenten mit den Teilnehmern live in direktem Kontakt stehen und sie coachen.
body LIFE: Ein anderes Problem, mit dem die Fitnessbranche zu kämpfen hat, sind die hohen Abbruchquoten bei den Ausbildungen. Woran liegt das und mit welchen Maßnahmen können Arbeitgeber dem gezielt entgegenwirken?
Alexander Pfitzenmeier: Wir dürfen nicht vergessen, dass sich die Ansprüche der Auszubildenden verändert haben. Dies gilt insbesondere für die nachrückende Generation Y, die weniger Wert auf Hard Facts wie Einkommen und Karrierechancen als auf Soft Facts wie Work-Life-Balance und Betriebsklima legt. Das scheinen viele Arbeitgeber zu vergessen. Sie sprechen schlichtweg nicht die gleiche Sprache wie ihre Azubis oder sehen sie nur als günstige Arbeitskräfte. Wer sich als Arbeitgeber interessant machen möchte, sollte sich in der Außenkommunikation möglichst attraktiv darstellen und seinen Bewerbern etwas bieten. Stichwort: Employer Branding. Nur wer sich 100 Prozent in seinem Unternehmen wohlfühlt, bringt dort auch die volle Leistung.
Fotos: bnenin – stock.adobe.com, IFAA GmbH