Die Digitalisierung in der Fitnessbranche
Chance oder Gefahr?
Pulsuhren, Schrittzähler, Fitnesstracker und Gesundheitsapps – längst hat die Digitalisierung auch Bereiche wie Fitness, Sport, Wellness und Gesundheit erreicht. Die Art und Weise, wie die Nutzer trainieren, hat in den vergangenen Jahren einen rasanten Umschwung erlebt. Schließlich ist das heutige (Arbeits-)Leben ungleich flexibler als früher und die Ansprüche an individuelle und jeweils passgenaue schnelle Lösungen erfordern auch im Fitnessbereich neue Herangehens- und Denkweisen.
Die Fitnessbranche ist im Wandel. Immer mehr Studios und Anbieter haben die Zeichen der Zeit erkannt und rüsten digital auf. Trainingspläne oder Notizen auf Papier sind heute nur noch selten zu finden und werden von den wenigsten Aktiven genutzt. Workouts und die jeweiligen Ergebnisse und Entwicklungen werden heute digital festgehalten und von dem Gerät selbst oder gemeinsam mit dem Trainer analysiert. Die Nutzer erhalten via Smartphone oder Tablet einen Überblick über ihre Leistungen und können sich online mit anderen vergleichen und messen. Und auch, wer für sich allein trainiert, trackt seine Leistungen wie etwa Laufstrecke oder Höhenmeter via Smartphone – und teilt die Ergebnisse über die sozialen Medien mit Freunden und Bekannten. So holt man sich seine Trainingsgruppe und die dazugehörige Motivation einfach online dazu. Oder man greift auf Apps zurück, die Yogaübungen, Workouts oder Meditationstipps direkt auf dem Tablet oder dem Fernseher abspielen – die perfekte Lösung beispielsweise für junge Eltern, die keine Möglichkeit haben, ihre Kinder während der Trainingszeiten betreuen zu lassen und daher gerne unter Anleitung zu Hause trainieren möchten.
Ganzheitlicher Ansatz
Nicht nur die Art und Weise, wie das Training heute gestaltet wird, hat sich verändert. Auch die Herangehensweise an und die Perspektive auf das Thema „Fitness und Gesundheit“ werden heute wesentlich ganzheitlicher gedacht. Die Zeiten, in denen stundenlang Gewichte gestemmt wurden und das Thema „Gesundheit“ damit abgehakt war, sind lange vorbei. Ernährung, Wellness, Meditation und psychische Gesundheit – all das wird heute in einem großen, umfassenden Zusammenhang gedacht. Yoga und Pilates, Low Carb und Veggie, Übungen zur Stärkung der eigenen Resilienz: All das hat heute Hochkonjunktur. In Zeiten, in denen unter anderem die häufig stressbedingten psychischen Erkrankungen auf dem Vormarsch sind, haben sich das Bewusstsein und der Umgang mit der eigenen Gesundheit bei vielen Menschen verändert. Viele haben erkannt, dass sie rechtzeitig Körper und Psyche stärken und sich so gegen Krisen und Unsicherheiten wappnen sollten, um die Herausforderungen einer immer agileren Welt fit und gesund meistern zu können.
Aufbruch für die gesamte Branche
Nicht nur der Einzelne, eine ganze Branche macht sich dabei mit großen Schritten auf den Weg ins digitale Zeitalter. Um Fitnessinteressierte zu erreichen, ist es gefragt, auch auf die (digitalen) Lebensgewohnheiten einzuzahlen, die für die meisten bereits zu ihrem Alltag gehören. Und auch die größere Bandbreite an Aktivitäten hat das Nutzerverhalten verändert. Angebote wie HIIT oder Faszientraining waren bis vor einiger Zeit noch weitgehend unbekannt. Heute besteht der Wunsch, auch abseits von reinem Kraft- und Ausdauertraining etwas für die eigene Fitness und ganzheitliche Gesundheit zu tun. Neue Angebote werden angefragt und genutzt. So sind auch diejenigen, die früher nie ins Fitnessstudio gegangen wären, mittlerweile motivierte Mitglieder oder können sich vorstellen, es zu werden. Für Anbieter erschließt diese Entwicklung neue und größere Kundengruppen. Und noch ein weiterer Aspekt – eine Schattenseite des modernen Lebens – gilt es bei zeitgemäßen Fitnessangeboten zu berücksichtigen: die Bekämpfung des weltweiten Bewegungsmangels. Hier besteht dringend Handlungsbedarf! Der Mangel an Bewegung, der laut WHO für rund eine Million Todesfälle allein in der EU verantwortlich ist, ist eines der Themen unserer Zeit. Immer mehr Menschen verbringen immer mehr Zeit ihres Lebens sitzend. Hier präventiv gegen Erkrankungen vorzugehen, ist dringend angezeigt. Auch die Arbeitgeber sind diesbezüglich in der Pflicht, für die im Ernstfall nicht nur hohen Kosten durch Fehltage ihrer Mitarbeiter aufzukommen. Sie sind auch gut beraten, sich um die Gesundheit ihrer wertvollsten Ressource, ihrer Mitarbeiter, zu kümmern und sie langfristig zu erhalten – gerade auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels.
Verbesserte Customer Experience durch KI
Künstliche Intelligenz (KI) kann gezielt eingesetzt werden, um datengesteuerte Ansätze zu entwickeln, die eine noch individuellere Customer Experience ermöglichen und Trainierende dazu motivieren, verschiedene sportliche Aktivitäten auszuprobieren. Apps und digitale Angebote werden kontinuierlich so weiterentwickelt, dass sie den Nutzern immer intelligentere Vorschläge bieten und noch besser auf ihre Bedürfnisse und Anforderungen eingehen. Ob verbesserte Suchergebnisse zu Studios und Anbietern in der Nähe, eine größere Anzahl an und Vorschläge zu alternativen Aktivitäten, verbesserte Prozesse beim Check-in oder eine smartere Aufbereitung der eigenen Gesundheitsdaten − mit dem Einsatz von KI werden in all diesen Bereichen kontinuierlich Verbesserungen erzielt. Daten, die in der Vergangenheit bereits über Fitnesstracker oder Apps gesammelt wurden, können dabei häufig in neue Programme integriert werden und tragen so zu noch besseren Ergebnissen bei. Auch für diejenigen, die zu Hause trainieren, hat der Einsatz von smarten Technologien Vorteile zu bieten. So können Apps heute bereits passgenaue Programme fürs Heimtraining zusammenstellen und den Einzelnen bei der korrekten Ausführung der Übungen begleiten und unterstützen, indem per Kamera die Bewegungsabläufe überwacht werden. So wird die Gefahr von Verletzungen minimiert und die Trainierenden führen die Übungen auch dann noch korrekt aus, wenn sie nicht persönlich von einem Trainer begleitet werden. Die Motivation, aktiv zu werden und es auch langfristig zu bleiben, wird dadurch wesentlich erhöht.
Datenschutz: Sicherheit muss gewährleistet sein
Wie in allen Bereichen, in denen die Digitalisierung Einzug gehalten hat, spielt auch in der Fitnessbranche der Datenschutz eine entscheidende Rolle − gerade weil es sich bei den vorliegenden Daten um sehr persönliche und damit auch sehr sensible Informationen handelt. Für viele Menschen sind diesbezüglich Sicherung und Transparenz die entscheidenden Kriterien für die Nutzung der digitalen Angebote. Anbieter müssen das jederzeit gewährleisten und dem Schutz der personenbezogenen Angaben höchste Priorität einräumen.
Weiterer Ausbau der Online- Angebote
Es wäre falsch, KI, maschinelles Lernen und Co. als Bedrohung wahrzunehmen. Vielmehr sorgt eine sinnvolle Kombination aus digitalen und analogen Angeboten für ein stimmiges Gesamtpaket. So lassen sich beispielsweise der Pilateskurs und das HIIT-Workout im Fitnessstudio ideal um digitale Plattformen ergänzen, die geführte Home-Workouts, Ernährungsprogramme und Tipps zur Stärkung der psychischen Gesundheit anbieten. So stellt ein Fitnessstudio seinen Kunden das Beste aus beiden Welten zur Verfügung und kann auf diese Weise ganz nebenbei auch neue Mitglieder für sich gewinnen. Digitale Angebote werden besonders in Situationen wie der derzeitigen rund um Corona gefragt sein. Sind Studios gezwungenermaßen längerfristig geschlossen, können sie mit Online-Angeboten eine digitale Alternative zu ihren gewohnten Fitness- und Wellnessroutinen bieten – ein Aspekt, der zum entscheidenden Wirtschaftsfaktor werden kann. Auch hier kann die Zusammenarbeit mit Aggregatoren für Anbieter von Vorteil sein. Verfügen sie selbst (noch) nicht über digitale Zusatzangebote, besteht die Möglichkeit, den eigenen Kunden Zugang zu den Online-Angeboten des Partners anzubieten. Gerade in unsicheren und fordernden Zeiten, in denen es gilt, die Abwehrkräfte nachhaltig zu stärken, leisten solche Möglichkeiten einen wichtigen Beitrag zur Prävention von Erkrankungen und sind wie derzeit für viele die einzige Option, sich gesund und fit zu halten.
Der Faktor Mensch
Wenn immer mehr Angebote digitalisiert werden, stellt sich die Frage, ob es in Zukunft überhaupt noch Trainer braucht. Die Antwort: ja! Der Faktor Mensch wird auch in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. Die Technik allein kann zwar die Angebote zur Verfügung stellen – der Austausch mit den Trainern vor Ort wird aber auch in Zukunft wichtig sein. Neben Einführungen in die digitalen Angebote sind die Profis beispielsweise auch die ersten Ansprechpartner bei gesundheitlichen Beschwerden oder auch individuellen Fragen. Zudem trägt der Austausch mit den Menschen vor Ort wesentlich zur Motivation bei und stärkt das Gemeinschaftsgefühl. Der Königsweg wird auch in Zukunft die Kombination der digitalen Angebote mit der individuellen Betreuung durch Sport- und Fitnessexperten sein. Ohne Technik wird es in Zukunft nicht mehr gehen, wenn Studios und Anbieter konkurrenzfähig sein und bleiben möchten. Ohne die Menschen dahinter geht es aber auch nicht!
Fazit
Die Digitalisierung wird die gesamte Fitnessbranche und die Art und Weise, wie Menschen trainieren und sich gesund halten, nachhaltig verbessern − Corona hat uns ganz aktuell gezeigt, wie wichtig und sinnvoll digitale Angebote im Ernstfall sein können. Generell müssen die Trainings- und Wellnessangebote in Zukunft räumlich und zeitlich noch flexibler, noch individueller und noch stärker auf die Erfordernisse einer neuen Arbeits- und Lebensumgebung zugeschnitten werden. Die Bereitschaft zu häufigen Job- und damit auch Ortswechseln, eine Abkehr vom klassischen „9 to 5“-Arbeitszeitmodell und nicht zuletzt die durchweg digitalisierte Lebensweise stellen neue Herausforderungen an die Branche. Die Möglichkeiten, die beispielsweise KI hier bereithält, werden die Fitnessbranche auch weiterhin beschäftigen und Weiterentwicklungen entscheidend vorantreiben. Umso wichtiger ist und bleibt die persönliche Betreuung durch fachkundiges Personal, um den Nutzern den bestmöglichen Zugang zu den neuen Technologien zu ermöglichen und ihnen die verfügbaren Optionen nahezubringen.
Ralf Aigner
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