„Die Menschen wollen flexibel sein“
Interview mit Benjamin Roth, CEO Urban Sports Club
Gerade die Coronakrise hat gezeigt, wie wichtig die Digitalisierung für uns alle ist. Das betont auch Benjamin Roth im Interview. Der CEO von Urban Sports Club spricht außerdem über mögliche Nachteile der Digitalisierung von Studios und geht u. a. auf die Frage ein, ob wirklich alle Clubs digital werden müssen.
body LIFE: Wie hat sich das Nutzer- und Konsumverhalten in unserer digitalisierten Welt verändert?
Benjamin Roth: Durch die Digitalisierung ist die Welt zusammengewachsen und schneller geworden. Viele Angebote werden nicht mehr einmalig, sondern als monatliches Abonnement genutzt. Dazu gehört auch unsere Sport- und Fitnessmitgliedschaft von Urban Sports Club. Ein neues Nutzerverhalten ist dadurch entstanden: Die Menschen wollen flexibel sein. Sie wünschen sich Angebote, die sich ihren persönlichen Bedürfnissen im Hier und Jetzt anpassen. Ein aktuelles Beispiel sind Online-Kurse per Livestream, mit denen Menschen auch die Möglichkeit haben, mit den vertrauten Trainerinnen und Trainern zu Hause Sport zu machen. Es geht aber immer darum, seine Kundschaft von heute und morgen zu verstehen. Ein Überfluss an Informationen im Internet führt dazu, dass Nutzerinnen und Nutzer sich oft überfordert fühlen. Der Trend geht dahin, dass Tipps von Menschen, denen man vertraut – hierzu gehören für die jüngeren Generationen auch Influencer –, immer wichtiger werden. Die schnelle Verfügbarkeit und die Benutzerfreundlichkeit sind der zweite und dritte wichtige Faktor.
body LIFE: Welche Herausforderungen entstehen durch Globalisierung und die Generation der Digital Natives?
Benjamin Roth: Die Generation der Digital Natives will sich nicht an einen Ort, eine Sportart und feste Langzeitverträge binden. Sie wollen dort Sport machen, wo sie sich gerade befinden Das Internet ist für sie kein Zusatzwerkzeug, sondern Standard. Millennials haben höchste Erwartungen an digitale Services und springen ab, wenn sie sich festlegen sollen oder die Nutzererfahrung zu kompliziert ist. Die Herausforderung für uns als Unternehmen besteht darin, ein Angebot zu schaffen, mit dem wir diese Zielgruppe erreichen können.
body LIFE: Was bedeutet das im Fall von Fitnessstudios und Firmensport?
Benjamin Roth: Die Menschen suchen sich heutzutage ihren Arbeitgeber nicht mehr nur nach Sicherheit und langjährigen Karrierechancen aus. Stattdessen rücken Weiterbildung, ein gutes Team, Work-Life-Balance und Unternehmenswerte zusätzlich in den Fokus. Firmensport ist hier ein sehr wichtiger Aspekt. Viele Firmen arbei ten landesweit oder global mit unterschiedlichen Standorten. Homeoffice gehört zum Arbeitsalltag dazu. Um ein Gesundheitsmanagement zu ermöglichen, das global funktioniert, müssen viele Unternehmen auf externe Dienstleister zurückgreifen. Sportund Fitnessplattformen bieten hier ein Netzwerk, in dem Firmen und Studios schnell zusammenfinden: Studios profitieren von zusätzlichen Einnahmen und erhöhten Auslastungen und Unternehmen von der Expertise der Trainerinnen und Trainer und mehreren Standorten.
body LIFE: Welche Chancen bietet die Digitalisierung für Studios?
Benjamin Roth: Die Coronakrise macht deutlich, welchen großen Nutzen die Digitalisierung haben kann. Bei Urban Sports Club haben wir mit Hochdruck gearbeitet und innerhalb von wenigen Tagen ein digitales Produkt aufgebaut, mit dem Partner unseren Mitgliedern Training über Livestreaming- Kurse geben können. Mitglieder checken von zu Hause aus für den Livekurs ein. Dadurch haben Studios Einkünfte, auch wenn ihre Anlagen temporär geschlossen sind. Abgesehen davon bietet die Digitalisierung grundsätzlich Vorteile: Durch Online-Plattformen können neue Zielgruppen erreicht werden, digitale Tools erleichtern die Verwaltung, Social- Media-Kanäle erhöhen die Präsenz, Datenauswertungen machen ein individuelles und zielgruppenspezifisches Angebot möglich. Damit können Studios von Marketing und Buchhaltung etwas abgeben und sich mehr auf die Kernarbeit fokussieren.
body LIFE: Welche möglichen Nachteile hat die Digitalisierung?
Benjamin Roth: Auf den ersten Blick erscheint die Digitalisierung für viele Menschen komplex und kostspielig. Viele Tools und Programme erfordern eine zeitintensive Einarbeitung. Zudem dauert es lange, einen Überblick über alle digitalen Möglichkeiten und Anbieter zu bekommen. Jedes Unternehmen muss sich gut überlegen, welche Investition sich wirklich lohnt, um eine Verbesserung zu erlangen. Dennoch bietet die Digitalisierung viele neue Chancen und Lösungen.
body LIFE: Wenn Studiobetreiber ihr Studio digitaler machen möchten – wo fangen sie an, wo hören sie auf?
Benjamin Roth: Die Frage, die sich jedes Studios und jede Firma stellen sollte, ist und bleibt: Was ist für mein Geschäft, mein Team und meine Zielgruppe sinnvoll? Wie kann ich mir beispielsweise bei Abrechnungen und Buchhaltung durch smarte Programme sehr viel Arbeit ersparen? Im Marketing und bei der Kundenakquise sind digitale Lösungen Gold wert. Eine Präsenz im Netz mit kundenfreundlicher, ansprechender Website und Beiträge auf Social-Media-Profilseiten, die die Kundinnen und Kunden wirklich interessieren, sind sinnvoll. Die Digitalisierung eröffnet daneben zahlreiche weitere Lösungen. So kann beispielsweise den Trainierenden nach dem Workout eine digitale Leistungsanalyse zur Verfügung gestellt werden. Über Video oder Livestreamings geben viele Trainerinnen und Trainer Sporttipps, über Mailings werden Kundinnen und Kunden individuelle Ernährungstipps gesendet.
body LIFE: Braucht es in Zukunft möglicherweise gar keine Trainer mehr auf der Fläche?
Benjamin Roth: Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass Workouts in Form von Online-Kursen per Livestream zwar ohne die physische Anwesenheit, aber dennoch mit den vertrauten Anleitungen der Trainerinnen und Trainer funktionieren können. Das Gemeinschaftsgefühl, die Interaktionen und die Betreuung vor Ort sind für unsere Psyche und Energie unglaublich wichtig. Ein rein digitales Produkt wird die persönlichen Beziehungen aber nicht ersetzen können. In Zukunft werden Online- und Offline-Angebote Hand in Hand gehen.
body LIFE: Wohin geht der Trend im Nutzerverhalten bei Sport und Fitness?
Benjamin Roth: Die Daten der vergangenen Wochen zeigen, dass bei den Workouts, die unsere Mitglieder zu Hause machen, die beliebtesten Kurse Yoga, Fitness und vor allem HIIT, Tanz und Meditation sind. Bei normalem Studiobetrieb erkennen wir anhand der Daten unserer Mitglieder, dass sich die meisten in normalen Zeiten drei bis vier Partnerstandorte aussuchen und diese regelmäßig besuchen. Die Menschen integrieren ihr Training immer mehr in ihren Arbeitsalltag. Sport in der Gruppe ist beliebt: Die Mitglieder gehen im Durchschnitt zu dritt zum Workout. Daneben sind kurze und effektive Workouts im Trend. Bei Cardio-, Bootcamp- und HIIT-Kursen sehen wir einen starken Anstieg bei den Check-in- Zahlen. Auch Kampfsportarten wie Boxfight und Freefight werden immer populärer. Barre erobert in allen denkbaren Kombinationen den Markt. Eine ähnliche Strömung lässt sich bei Yoga und Pilates in Kombination mit Fitness erkennen. Unsere Partner gehen auf die Nachfrage ein und gestalten ihr Angebot immer individueller und kreativer. Das entspricht unserer Unternehmensphilosophie. Die Kurse vereinen verschiedene sportliche Leidenschaften und passen sich den persönlichen Bedürfnissen an – ob das nun im Studio ist oder bei einem Online-Workout zu Hause. Menschen finden so noch leichter den Zugang zu Fitness und gesunder Bewegung.
Foto: Klaus Mellenthin