„Die Fitnessbranche muss sich mehr Gehör verschaffen“
Interview mit Dietrich Monstadt, Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Dietrich Monstadt ist unter anderem in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Berichterstatter für Adipositas und Diabetes und ist Mitglied des Gesundheitsausschusses. Im Interview spricht der Abgeordnete unter anderem über Weiterentwicklungen des Präventionsgesetzes, wie die Fitnessbranche in der Politik ihre Interessen besser vertreten kann, das zunehmende Adipositas- Problem und welche Rolle Fitnessstudios bei der Lösung des Problems spielen können.
body LIFE: Das Präventionsgesetz soll überarbeitet werden. Welche Neuerungen sind hierbei geplant und welche Auswirkungen haben diese für gesundheitsorientierte Fitnessclubs mit entsprechendem Angebot?
Dietrich Monstadt: Wir haben im Koalitionsvertrag eine Weiterentwicklung des Präventionsgesetzes vorgesehen. Wörtlich heißt es hier: „Auf Grundlage des Berichtes der Nationalen Präventionskonferenz und der anschließenden Beratungen im Deutschen Bundestag werden wir ein Eckpunktepapier zur Weiterentwicklung des Präventionsgesetzes vorlegen.“ Mein Ziel wäre es, hier Muskeltraining – qualitätsorientiert und zertifiziert – in Sportvereinen und Fitnessclubs zu fördern und das Ziel „Sport auf Rezept“ zu schaffen.
body LIFE: Welchen Stellenwert hat die Fitnessbranche derzeit in der Politik gerade hinsichtlich des Präventionsgesetzes? Was muss Ihrer Meinung nach geschehen, damit die Interessen der Fitnessbranche in der Politik noch stärker Gehör finden? Dietrich Monstadt: Die Fitnessbranche muss sich vor dem o.g. Hintergrund mehr Gehör verschaffen. Wichtig ist, dass die Branche geschlossen auftritt und klar ihre Kompetenzen und Möglichkeiten anbringt. Es ist absolut schädlich, wenn verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Zielen versuchen, politische Abläufe im politischen Berlin als auch in der Selbstverwaltung zu beeinflussen.
body LIFE: Die Zahl an adipösen Menschen ist in den vergangenen Jahren in Deutschland stark gestiegen. Können Sie uns eine Übersicht über die aktuelle Studienlage geben?
Dietrich Monstadt: Wir arbeiten derzeit immer noch mit dem Versorgungsreport Adipositas der DAK von 2016. Die Zahlen, die uns hier zur Verfügung stehen, sind erschreckend: Jeder vierte Erwachsene zwischen 18 und 79 Jahren ist adipös. Für Kinder und Jugendliche ist die KIGGS-Studie eine gute Orientierung: 15,4 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind übergewichtig, 6 Prozent sind adipös. Bei ihnen sind die Zahlen in den vergangenen Jahren stabil geblieben.
body LIFE: Worauf führen Sie zurück, dass immer mehr Menschen stark übergewichtig sind, und welche Gefahren gehen damit einher?
Dietrich Monstadt: Dafür sehe ich eine Vielzahl von Gründen, die alle mit den Veränderungen in unserem Alltag einhergehen. Die Lebensverhältnisse haben sich stark geändert. Ich skizziere mal einen Durchschnittstag am Beispiel einer fiktiven Person: Morgens aufstehen, Müsli mit viel Zucker und Vollmilch, dazu ein Glas Saft und einen Milchkaffee. Dann fährt diese Person mit dem Auto zur Arbeit, setzt sich vor den Computer, trinkt noch einen Milchkaffee (mit Zucker) und isst einen kleinen Schokoriegel im Laufe des Vormittags, um bis zum Mittagessen durchzuhalten. In den wenigsten Kantinen wird das Essen nach DGE-Standards zubereitet, das bedeutet, dass hier zu viel zugesetztes Salz, Fett und vor allem Zucker vom Körper aufgenommen werden. Nach dem Mittagessen setzt sich Person X wieder vor den Computer, isst nachmittags noch ein kleines Stück Kuchen und fährt abends wieder mit dem Auto nach Hause. Dort wird, gegebenenfalls mit einer Familie, häufig ein Fertigessen vorbereitet, man sieht gemeinsam fern und im Anschluss wird geschlafen. An diesem Beispiel verdeutlicht sich: Wir bewegen uns zu wenig. Damit meine ich nicht nur die dringend notwendige Bewegung im Alltag, die den meisten Arbeitenden ohnehin fehlt, sondern auch etwa zweimal pro Woche ein intensives Sporttraining. Außerdem wird in 30 Prozent aller Familien nicht mehr gekocht, weil sie es nicht mehr können. Wie sollen diese Familien beim Einkauf beurteilen können, was gesunde oder ungesunde Lebensmittel sind?
body LIFE: Welche Möglichkeiten sehen Sie, um das Adipositas-Problem langfristig lösen zu können?
Dietrich Monstadt: In meinem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern habe ich mit meinem Landtagskollegen Sebastian Ehlers einen „Masterplan Mecklenburg-Vorpommern“ erstellt, eine Adipositas-Strategie, die unterschiedliche Maßnahmen bündelt. Dazu zählt, mehr Bewegung in Schulen zu bringen, Kantinen nach DGE-Standards zu zertifizieren und vor allem auch Kindern und Jugendlichen Freude an Bewegung zu vermitteln und den Druck, der bei Schulsport entsteht, zu nehmen. Dadurch würde auch gefördert, dass sie Sport wieder als Hobby, als Freizeitbeschäftigung begreifen können.
body LIFE: Welche Rolle könnte die Fitnessbranche bzw. könnten Fitnessclubs einnehmen, um zur Lösung des Adipositas-Problems beizutragen?
Dietrich Monstadt: Ganz wichtig ist für mich, dass die Fitnessbranche es schafft, Spaß und Motivation zu vermitteln. Das, was ich oben als „Freude an Bewegung“ beschrieben habe, Sport als Freizeitbeschäftigung, muss auch für Erwachsene gelten. Auch Erwachsene können lernen, dass ein gezieltes Sporttraining zum Muskelaufbau Spaß machen kann.
body LIFE: Wird Adipositas Ihrer Einschätzung nach von der deutschen Politik ernst genug genommen?
Dietrich Monstadt: Ich bin seit einigen Jahren Berichterstatter der CDU/ CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Zu Beginn haben sich wenige meiner Kolleginnen und Kollegen für dieses Thema interessiert. Ich bemerke aber auch in der Öffentlichkeit ein steigendes Problembewusstsein. Das halte ich für sehr wichtig. Insgesamt haben wir aber noch einen langen Weg vor uns. Ein wichtiger Punkt wäre zum Beispiel, sich dafür einzusetzen, dass Adipositas durchgehend als Krankheit definiert wird. Das würde es uns erleichtern, entscheidende Schritte bereits gegen eine beginnende Adipositas zu verordnen.
body LIFE: Welche konkreten Regelungen sind im Präventionsgesetz bereits verankert, um das Problem Adipositas in den Griff zu bekommen, und für welche Gesetzeserweiterungen setzen Sie sich derzeit im Bundestag ein?
Dietrich Monstadt: Im Paragraphen 25 SGB V haben wir die Früherkennungsmechanismen geschärft. Früherkennungsuntersuchungen wurden hier weiterentwickelt. Das halte ich für einen guten Anfang. Es wäre aber, um dem Ganzen eine größere Wertigkeit zu geben, besonders sinnvoll, die Vermeidung von Adipositas und Übergewicht als Gesundheitsziel mit aufzunehmen. Dazu wäre ein nationales Gesundheitsziel – Bewegungsmangel reduzieren – extrem wichtig. Diese Punkte werde ich bei unseren kommenden Beratungen einbringen.
body LIFE: Vielen Dank für das Interview.
Foto: Dietrich Monstadt