Globale Präsenz ist zwingend notwendig
Interview mit Philipp Roesch-Schlanderer, Gründer und CEO der EGYM GmbH
Für die EGYM GmbH ging es bisher immer nur in eine Richtung: steil nach oben. Doch die Coronakrise bremste das schnelle Wachstum massiv und zwang das Unternehmen zu harten Einschnitten. Im Interview spricht CEO Philipp Roesch-Schlanderer u. a. über eingeleitete Sparmaßnahmen, Anpassungen des Produktportfolios, Veränderungen im Vertriebsteam, zusätzliches Kapital von den Investoren und was er besser hätte kommunizieren müssen.
body LIFE: Herr Roesch-Schlanderer, wir befinden uns seit über einem Jahr in der Coronapandemie. Was ist Ihr größter Wunsch für dieses Jahr?
Philipp Roesch-Schlanderer: Mit Blick auf unsere Branche kann ich mir derzeit nichts Wichtigeres vorstellen als einen intelligenten, nachvollziehbaren Plan der Politik, wie sie langfristig mit uns umgeht. Wir sind doch nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung! Zwölf Millionen Mitglieder trainieren in unseren Anlagen – ein Großteil davon, um Erkrankungen vorzubeugen oder nach einer Verletzung wieder gesund zu werden. Das Infektionsgeschehen ist das eine, aber was öffentlich überhaupt nicht diskutiert wird, ist der riesige langfristige Schaden für die Volksgesundheit durch das fehlende planvolle Studiotraining.
body LIFE: Welche Maßnahmen haben Sie getroffen, um EGYM krisengerecht aufzustellen?
Philipp Roesch-Schlanderer: Bis zum Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 befanden wir uns auf einem sehr dynamischen Wachstumspfad. Als Corona kam, realisierten wir schnell, dass das unsere Branche voll erwischen wird. Wir haben sofort entsprechende Maßnahmen getroffen, um unseren Kunden auch in dieser unübersichtlichen Situation Stabilität und Sicherheit zu bieten. Wir haben unsere Ressourcen auf Kernthemen wie z. B. das „Immunity Boost“-Programm konsolidiert. Und wir haben unsere Kosten entsprechend reduziert. Auf diese Weise stellten wir frühzeitig sicher, dass unser Geschäftsmodell langfristig gesund bleibt – auch in einem herausfordernden Marktumfeld.
body LIFE: Welche Veränderungen gab es im Produktportfolio?
Philipp Roesch-Schlanderer: EGYM ist in Bezug auf sein Produktportfolio sehr gut für die „neue Realität“ aufgestellt. „Immunity Boost“, unser gleich zu Beginn der Krise entwickeltes Trainingsprogramm zur Stärkung des Immunsystems, habe ich schon erwähnt. Unser brandneuer EGYM-„Fitness Hub“ adressiert mit smartem Onboarding,wiederkehrenden Messungen und Flexibilitätstests sowie der Visualisierung des Trainingserfolgs auf einen Schlag drei der drängendsten Kundenbedürfnisse. Er stellt damit die Mitgliederbetreuung auf ein völlig neues Level. Gerade in Pandemiezeiten ist „Fitness Hub“ eine wertvolle Unterstützung für Fitness- und Gesundheitseinrichtungen. Body Scan und Onboarding erfolgen komplett berührungslos und nehmen statt bisher durchschnittlich 20 lediglich zwei Minuten in Anspruch. Anschließend gewährleisten unsere EGYM-„Smart Strength“- und „Smart Flex“-Geräte ein sicheres und effektives Training in nur 30 Minuten. Dank der zahlreichen Hygiene-Features inkl. Reminder- und Feedback-Funktionen der „Corona Solution“ in unserer Branded-Member- App trainieren die Mitglieder sicher und durch Slot-Buchung mit der erforderlichen Distanz zueinander.
body LIFE: Neben den eingeleiteten Sparmaßnahmen gab es auch Veränderungen in Ihrem Vertriebsteam. Wie stellen Sie sich hier in Zukunft auf?
Philipp roesch-schlanderer: von unseren 30 sales-mitarbeitern in der d-ach- region haben uns lediglich zehn verlassen. bei egym arbeiten insgesamt mehr als 350 leute, die jeden tag sicherstellen, dass wir unsere kunden verlässlich bedienen und betreuen. offene stellen besetzen wir nach, sehen aber auch, wie unsere jungen sales-kollegen im moment geradezu aufblühen und zu spitzenleistungen ansetzen.
body LIFE: Die Investoren bleiben EGYM auch in Krisenzeiten treu und haben weiteres Geld investiert. Welche Pläne haben Sie mit den zusätzlich zur Verfügung gestellten Mitteln?
Philipp Roesch-Schlanderer: Unsere Investoren stehen uns immer zur Seite und haben uns 28 Millionen Dollar zusätzliches Kapital zur Verfügung gestellt. Das erlaubt es uns, nicht nur von Innovation zu sprechen, sondern langfristig zu investieren und diese Innovationen tatsächlich in den Markt zu bringen. Die Entwicklung einer international wettbewerbsfähigen Software erfordert extrem hohe Investitionen bei enormer Innovationsgeschwindigkeit. Allein deshalb ist für EGYM eine globale Präsenz zwingend notwendig. Nur so lässt sich die kontinuierliche Weiterentwicklung dieser Software und auch unserer Hardware langfristig darstellen. Umgekehrt helfen uns die 15 000 US-Studios, die wir als Softwarekunden haben, auch hier in Deutschland bessere Software gerade für die vielen Einzelbetreiber anzubieten.
body LIFE: Wie wird die Digitalisierung, die die Coronakrise in den Studios maßgeblich beschleunigt hat, die Branche verändern?
Philipp Roesch-Schlanderer: Jedes Konzept, das uns in der Zukunft weiterbringt, erfordert Software – und hier investieren wir so viel wie niemand sonst im Fitnessstudiomarkt. Digitalisierung und Software spielen von jeher bei der Umsetzung unserer Vision des Fitnessstudios, das für alle funktioniert, eine zentrale Rolle. Erst innovative Software ermöglicht die Vernetzung der Trainingsfläche, die EGYM als erstes Unternehmen der Branche von Anfang an vorangetrieben hat. Die Studiokunden, ausgestattet mit Smartphones und unzähligen Sport- Apps, erwarten es heute einfach, dass sie auch in ihrem Fitnessstudio mit Unterstützung ihrer Apps besser trainieren. Wer das nicht realisiert, verliert den Massenmarkt.
body LIFE: Welche weiteren Auswirkungen bringt die Krise mit sich?
Philipp Roesch-Schlanderer: Wenn die Coronakrise überhaupt irgendeinen positiven Aspekt hat, dann den, dass wir einen ganz starken globalen Trend hin zu gesundheitsorientiertem Training sehen. Das zeichnete sich bereits vor der Coronapandemie ab und hat sich inzwischen noch einmal massiv beschleunigt. Über neun Jahre waren an den EGYM-Geräten immer Muskelaufbau und Abnehmen die beliebtesten Trainingsziele – seit Juni vergangenen Jahres ist es „Immunity Boost“! Fast 40 Prozent aller Nutzer – bei älteren Personen war es sogar über die Hälfte – haben „Immunity Boost“ als ihre Prio 1 ausgewählt. Und in unserer Member-App ist das beliebteste Feature die Senkung des biologischen Alters („Bio Age“). Die Motivation fürs Abnehmen geht nach einigen Monaten zurück, aber das Thema „Sich jünger und gesünder fühlen – länger leben!“ wird immer wichtiger – übrigens gilt das für alle Zielgruppen. In unserer Member-App sehen die Kunden auf einen Blick, wie sich ihr biologisches Alter in den Dimensionen Kraft, Kardio, Stoffwechsel und neuerdings auch Beweglichkeit durch regelmäßiges Training verbessert.
body LIFE: Welche unternehmerischen Lehren ziehen Sie ganz persönlich aus der Coronakrise?
Philipp Roesch-Schlanderer: Ich hatte mir sehr früh die Situation der Fitnessstudios in China angesehen und wusste deshalb, dass wir es mit einer schwierigen und langwierigen Krise zu tun haben würden. Das hätte ich im Nachhinhein gegenüber unseren Mitarbeitern im Kontext unserer Kostensenkungsmaßnahmen besser kommunizieren müssen. Gelernt habe ich in diesen Zeiten aber auch, dass es gerade in einer Krise lebenswichtig ist, Visionen zu entwickeln, wie es danach weitergehen kann.
body LIFE: Herr Roesch-Schlanderer, vielen Dank für das Interview.
Foto: EGYM GmbH