Lungensport sollte relevanter werden
Dr. med. Franz Stanzel und PD Dr. med. Michael Westhoff, Chefärzte Pneumologie, Lungenklinik Hemer
Zu den häufigsten Erkrankungen der Lunge zählen u. a. die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und das Asthma bronchiale. Laut WHO steht die COPD weltweit an vierter Stelle der Erkrankungen, die die meisten Todesfälle nach sich ziehen. Dr. med. Franz Stanzel (l.) und PD Dr. med. Michael Westhoff (r.) erläutern im Interview Behandlungsmethoden, Heilungschancen und die Rolle des Lungensports in der Therapie.
body LIFE: Welche Lungenerkrankungen treten am häufigsten auf und was sind ihre Ursachen?
Dr. Stanzel/PD Dr. Westhoff: Die COPD ist die häufigste Lungenerkrankung. Sie wird vornehmlich durch das Rauchen verursacht. Eine weitere häufige Atemwegserkrankung ist das Asthma bronchiale, das sowohl allergisch als auch nicht allergisch verursacht sein kann. Zunehmend beobachten wir auch sogenannte interstitielle Lungenerkrankungen, im Volksmund als „Lungenfibrose“ bezeichnet. Dabei handelt es sich nicht um eine einzelne Erkrankung, sondern um verschiedenste Erkrankungen – zum Teil aus dem rheumatischen Formenkreis, teilweise infolge einer chronisch exogen Allergie. Das Lungenkarzinom, wiederum als Folge eines langjährigen Nikotinkonsums, ist nach wie vor eine der häufigsten Lungenerkrankungen und bösartigen Tumorerkrankungen.
body LIFE: Gibt es neue wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich der Heilungschancen?
Dr. Stanzel/PD Dr. Westhoff: COPD ist nicht heilbar, aber vermeidbar, indem auf das Rauchen verzichtet wird. Asthma ist eine Erkrankung, die einen zwar das Leben lang begleiten kann, aber durch entsprechende Behandlung reversibel und gut kontrollierbar ist. Die interstitiellen Lungenerkrankungen haben unterschiedliche Verläufe und therapeutische Behandlungsmöglichkeiten, die von den zugrunde liegenden Ursachen abhängig sind. Das Lungenkarzinom kann in Frühstadien geheilt werden – meist durch eine operative Entfernung. In späteren Stadien gibt es verbesserte Behandlungsmöglichkeiten.
body LIFE: Welche Behandlungsmethoden gibt es?
Dr. Stanzel/PD Dr. Westhoff: Für die COPD gibt es standardisierte medikamentöse Behandlungen, die stufenweise eskaliert und je nach klinischer und funktioneller Situation durch eine Sauerstofftherapie und/oder nichtinvasive Beatmung ergänzt werden. Zusätzlich können bei einem im Vordergrund stehenden Emphysem Verfahren wie die Implantation von Ventilen, die Dampftherapie oder die operative Entfernung von emphysematösem Gewebe im Sinne einer endoskopischen Lungenvolumenreduktion oder chirurgischen Lungenvolumenreduktion zum Einsatz kommen.
Beim Asthma bronchiale steht die inhalative Therapie im Vordergrund, die im Wesentlichen auf Kortisonpräparaten beruht, da sie die dem Asthma zugrunde liegende Entzündung in den Bronchien effektiv reduziert. Ergänzend kommen je nach Befund auch bronchialerweiternde inhalative Medikamente zum Einsatz. In schweren Fällen wird Kortison in Tablettenform oder als Spritze angewandt. In letzter Zeit haben sogenannte Biologika Einzug in die Therapie gehalten, da sie z. T. ein komplettes Absetzen von Kortison ermöglichen. Bei allergischem Asthma wird je nach Ausmaß und Anzahl der ursächlichen Allergene eine Hyposensibilisierung durchgeführt.
Bei interstitiellen Lungenerkrankungen werden je nach Ursache unterschiedliche Behandlungskonzepte verfolgt. Dies kann eine antientzündliche, immunsuppressive Therapie und/oder eine antifibrotische Therapie sein. Die Therapiewege setzen eine umfassende Diagnostik voraus und oft sind mehrere Fachdisziplinen eingebunden. Beim Lungenkarzinom ergeben sich in fortgeschrittenen Stadien aufgrund zunehmender Einblicke in die molekulare Struktur des Tumors mittlerweile deutlich bessere Behandlungsmöglichkeiten mit mehr Symptomkontrolle und verbesserten Überlebenszeiten. Komplette Heilungen sind leider wenig wahrscheinlich.
body LIFE: Welche Sportarten eignen sich für Betroffene?
Dr. Stanzel/PD Dr. Westhoff: Sportliche Aktivität wird je nach funktioneller Möglichkeit als sinnvoll erachtet. Die Steigerung der körperlichen Aktivität ist ein wichtiges Therapieziel für alle Lungenkranken – unabhängig von der eigentlichen Erkrankung. So stellt die Teilnahme am Lungensport eine sinnvolle Maßnahme dar, körperlich aktiv zu bleiben und gleichzeitig soziale Kontakte über den Sport zu erhalten. Speziell für Patienten mit COPD ist dies – auch wenn noch keine medikamentöse Therapie erforderlich ist – sogar als Basismaßnahme empfohlen. Durch den Lungensport kann die Ausdauerleistung verbessert, ein Schwinden der Muskelmasse durch Immobilität verhindert, das Ausmaß der Symptome reduziert und auch die Lebensqualität verbessert werden. Die jeweiligen Übungen werden an die funktionellen Einbußen angepasst. Grundsätzlich ist z. B. Nordic Walking, Radfahren, Ergometertraining und ggf. Schwimmen zu empfehlen. Auch bei fortgeschrittenen Lungenerkrankungen kann eine angepasste sportliche Aktivität ggf. unter Nutzung von Sauerstoff erfolgen. Zusätzlich können ambulante oder stationäre Rehabilitationsmaßnahmen hilfreich sein.
Patienten mit ausgeprägter Funktionseinbuße und extremer Belastungsluftnot werden klassische Sportarten erfahrungsgemäß nicht durchführen können. Aber auch für sie kann ein individuelles Trainingsprogramm – ggf. auch mit muskelkräftigenden Übungen – erstellt werden. Bei folgenden Erkrankungen wird eine Teilnahme am Lungensport nicht empfohlen: symptomatische Herzkranzgefäßerkrankung, dekompensierte Herzleistungsschwäche, auf die Kreislauffunktion sich ungünstig auswirkende Herzrhythmusstörungen oder Herzklappenerkrankungen, unzureichend eingestellter Bluthochdruck, Sauerstoffmangel trotz Sauerstofftherapie, akute Schübe von Asthma oder COPD sowie frische Beinvenenthrombosen oder Lungenembolien.
body LIFE: Was sollten spezialisierte Trainer im Umgang mit lungenkranken Patienten beachten?
Dr. Stanzel/PD Dr. Westhoff: Trainer in Sport- und Gesundheitszentren sollten Kenntnisse der jeweiligen Lungenerkrankungen, ihrer Auswirkungen auf die Lungenfunktion und die oftmals begleitend auftretenden Erkrankungen haben. Demnach sind Trainer beim Lungensport fachlich ausgebildete Kräfte, die eine Ausbildung zum Übungsleiter absolvieren und damit eine Lizenz für Sport in der Rehabilitation bzw. einen Ausweis als Übungsleiter Rehabilitationssport erwerben müssen. Nach den Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Lungensport in Deutschland und der Deutschen Atemwegsliga sollen die Übungsleiter in der Beobachtung der Teilnehmer bezüglich kardialer und pulmonaler Beschwerden vor, während und direkt nach dem Training geschult sein. Dies beinhaltet auch Kenntnisse über Art und Schwere der zugrunde liegenden Erkrankungen, die Belastbarkeit und die aktuelle Medikation der Teilnehmenden. Außerdem sollten sie in der Lage sein, klinische Verschlechterungen zeitnah zu erkennen und Hilfestellung zu leisten, was auch das Vorhandensein eines Notfallkoffers in der Sportstätte erfordert.
body LIFE: Halten Sie Kooperationen zwischen Ärzten und Fitness-/Gesundheitszentren für sinnvoll?
Dr. Stanzel/PD Dr. Westhoff: Eine Kooperation macht durchaus Sinn, um das Wissen über Lungenerkrankungen zu erweitern und somit für ein erkrankungsadaptiertes Training und eine adäquate sportliche Betätigung beitragen zu können. Wenn die Trainer dann noch eine entsprechende Qualifikation als Übungsleiter aufweisen, kann dies zu einer weiteren Verbreitung von Sport für Lungenpatienten und ggf. auch zu einem Ausbau des derzeit regional oft noch zu geringen Angebots an Lungensport beitragen.
Foto: Lungenklinik Hemer