Atemphysiotherapie und Atemtraining
Was genau ist das und wie können Sie Menschen mit Atemwegserkrankungen damit unterstützen?
Wenn man – wie wir alle es heute so gern tun – schnell mal googelt, findet man eine Vielzahl von Einträgen zu „Atemtherapie, Atemtraining“ oder auch zu dem gern benutzten Begriff „Lungentraining“. Ganz oben bei „Doc Google“ finden sich Sätze wie: „Singen ist ein tolles Atemtraining“ oder „Eine Atemtherapie wirkt wie eine Massage und eine Sauerstoffdusche von innen“. Das ist nicht völlig falsch, jedoch auch nicht wirklich richtig und schon gar nicht zielführend, wenn wir Menschen mit Atemwegserkrankungen vor uns haben.
Für die Inhalte auf Webseiten werden gerne beide Begriffe – Atemtherapie und Atemtraining – benutzt, weil sie als Keywords fungieren; diese sind wichtig, um bei der Suche auf Google gefunden zu werden. Und was bei Google & Co. gesucht wird, spiegelt den alltäglichen Sprachgebrauch wider. So wird schnell mal aus dem einen das andere. Im medizinischen Bereich ist es aber für Menschen mit respiratorischen Erkrankungen sehr wichtig und hilfreich, genauer informiert zu sein.
Die Lunge ist ein Wunder – doch sie ist nicht trainierbar
Die Lunge eines erwachsenen Menschen wiegt im Schnitt 1,3 kg; wir haben rund 300 Millionen Lungenbläschen und kommen auf eine Oberfläche von ca. 100 m². Es passen rund 6 Liter Luft in die Lunge und wir nehmen täglich 10 000 bis 20 000 Liter Luft auf. Die Lunge ist unser Atmungsorgan. Die Atmung ist weitaus mehr als „nur“ die Versorgung mit lebenswichtigem Sauerstoff: Sie reagiert auf Stimmungen! Wem ist nicht schon mal in einer spannenden oder gruseligen Filmszene nahezu der Atem stillgestanden? Sie hilft uns zu entspannen, indem wir bewusst tiefer und ruhiger atmen. Genauso können wir aber auch außer Atem kommen, wenn wir uns körperlich anstrengen.
Im Gegensatz zu unserem Herz hat die Lunge selbst keine Muskulatur. Deswegen können wir unsere Lunge nicht wirklich trainieren. Denn nicht sie steuert unsere Ein- und Ausatmung, sondern die Atemmuskulatur. Ca. 90 Prozent der Kraft bei der Einatmung, die aktiv stattfindet, erzeugt unser Zwerchfell. Die Lunge dehnt sich beim Einatmen aus und das Zwerchfell verschiebt sich nach unten. Die Ausatmung findet in unserem Alltag ohne Belastung passiv statt – sie kann durch Anspannung der Atemhilfsmuskulatur und der Bauchmuskulatur verstärkt werden. Das ist beispielsweise spürbar, wenn wir niesen und die Luft mit rund 165 km/h aus der Nase gepresst wird.
Info:
- Atemmuskulatur: Zentraler Atemmuskel ist das Zwerchfell (Diaphragma), ergänzt um die Interkostalmuskulatur (sie hebt und senkt die Rippen und bewirkt so eine Inspiration und Exspiration). Die Musculi intercostales interni werden bei der forcierten Atmung zur Exspiration, die Musculi intercostales externi zur Inspiration genutzt.
- Atemhilfsmuskulatur: Dazu zählen einige Muskeln der Hals- und Brustmuskulatur sowie die Bauchmuskulatur. Sie können bei Bedarf die Inspiration oder die Exspiration unterstützen.
Atemmuskeltraining und Atemtherapie
Unter dem Begriff „atemtherapeutische Maßnahmen“ versteht man:
- Atemmuskeltraining, wenn die forcierte Atmung gezielt zur Steigerung von Kraft und Ausdauer eingesetzt wird, und
- Atemtherapie, wenn die prolongierte Atmung gezielt zur Verringerung der Atemfrequenz und zur Verlängerung der Atemzüge eingesetzt wird.
Atemphysiotherapie bei Asthma und COPD
Eine physiotherapeutische Atemtherapie verhilft Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen wie Asthma und COPD (chronic obstructive pulmonary disease) zu einer leichteren Atmung. COPD (dazu gehört auch der Raucherhusten) und Asthma sind obstruktive Lungenerkrankungen, das bedeutet, sie führen zu einer Verengung der Bronchien.
Asthma ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Atemwege mit anfallsartigem Auftreten. Asthmatiker sind empfindlicher gegenüber Reizen; die Ursachen sind vielfältig. Durch einen bestimmten Auslöser kommt es zu einem Asthmaanfall, der zur Atemnot führt. Im Gegensatz zur COPD ist die Erkrankung reversibel.
COPD ist eine fortschreitende Erkrankung der Lunge. Sie ist nicht heilbar! Bei der COPD wird der Gasaustausch, der normalerweise in der Lunge stattfindet, erschwert. Langfristig büßt die Lunge an Funktionsfähigkeit ein. Da es sich bei der Lunge um ein lebenswichtiges Organ handelt, führt das dazu, dass auch weitere Körperfunktionen in Mitleidenschaft gezogen werden. Vorbote der COPD ist i. d. R. eine chronische Bronchitis – wird diese nicht behandelt, entwickelt sich daraus eine COPD. Hauptursache ist das Rauchen.
Bei der Atemphysiotherapie geht es vor allem darum, die möglichst uneingeschränkte Atmung wiederherzustellen. Dazu gehören u. a. folgende Maßnahmen:
- Atemtechniken: Atemnot lindern (beispielsweise Lippenbremse oder Kutschersitz)
- Hustentechniken: effektiv abhusten, festsitzendes Sekret nach oben befördern
- Atementspannung: Atembewusstsein entwickeln und Stress abbauen
- Dehnübungen: Beweglichkeit verbessern – insbesondere des Brustkorbs
- Atemtherapiegeräte: Atemwege weiten und von Schleim befreien (OPEP)
Krafttraining: Effektive Methode
Wer an einer chronischen Lungenerkrankung leidet, läuft Gefahr, durch Atemnot, Husten und eingeschränkte Belastbarkeit in eine Spirale der Inaktivität zu geraten, die diese Probleme weiter potenziert – es kommt langfristig zu einem Muskelab- und -umbau. Krafttraining ist eine sichere und effektive Methode gegen muskuläre Dysfunktionen und ein wichtiger Baustein der therapeutischen Maßnahmen. Insbesondere die COPD führt häufig zu einem Paket an Begleiterkrankungen. Regelmäßig durchgeführtes Krafttraining hat einen positiven Einfluss auf die Knochendichte, die Blutfettwerte und den Ruheblutdruck. Ebenso gibt es günstige Nebeneffekte auf den Zuckerstoffwechsel bei Diabetespatienten sowie bei Rückenschmerzen.
Grundsätzlich sollten Sie nur nach ärztlicher Rücksprache mit Atemwegspatienten arbeiten. Ist diese erfolgt, so ist die gezielte Anleitung und Betreuung durch qualifizierte Mitarbeiter für die Erkrankten eine unverzichtbare Leistung. Das konsequente Durchführen aller atemtherapeutischen Maßnahmen zu Atemmuskeltraining und Atemphysiotherapie sorgen für ein hohes Maß an Steigerung der Lebensqualität.
Damit Luft sich bewegen kann, braucht es Druckdifferenzen
Bei der Einatmung zieht sich das Zwerchfell zusammen. Dadurch wird der Raum im Brustkorb größer, die Lunge wird aufgespannt. So kann die mit Sauerstoff (O2) angereicherte Luft bis in die kleinsten Atemwege und die Alveolen (Lungenbläschen) vordringen. Durch den Zug der Muskulatur entsteht im Brustkorb bis in die Alveolen ein Unterdruck (negativer Druck). Bei der Ausatmung entspannt sich das Zwerchfell; der Raum für die Lunge wird kleiner. Ein positiver Druck entsteht, der die mit Kohlendioxid (CO2) angereicherte Luft aus den Alveolen herausdrückt.
Die Ausatmung braucht ebenso Beachtung wie die Einatmung
Der O2-CO2-Austausch, auch als Gasaustausch bekannt, ist für uns lebensnotwendig. Allerdings ist nicht nur die Sauerstoffaufnahme enorm wichtig, sondern genauso auch das Abatmen des CO2. Daher ist das „richtige“ Atmen so wichtig. Durch Atemwegserkrankungen, Operationen oder auch Stress sind viele Menschen heutzutage oft in einer negativen Atemwegsspirale verhaftet. Die Angst vor Atemnot oder Schmerzen verleitet dazu, zu kurz ein- und wieder auszuatmen. In diesem Fall hilft es, den Atemzyklus zu verlängern und/oder die Atemfrequenz zu reduzieren. Dabei sollte die Ausatmung (wenn möglich) 2- bis 3-mal so lange dauern wie die Einatmung; so kann genügend CO2 abgeatmet werden.
Während Menschen mit Lungenerkrankungen häufig über 30-mal in der Minute ein- und wieder ausatmen, kommt ein gesunder, in Ruhe atmender Erwachsener oft auf nur 10 Atemzyklen. Daher ist es wichtig, prolongierte, also verlängerte Atemmanöver durchzuführen. Da bei dieser Art der Atmung keine Muskeln trainiert werden, spricht man von einer Therapie. Bei vielen Erkrankungen ist es entscheidend, neben der zeitlichen Dauer des O2-CO2- Austauschs auch die Größe des Lungenvolumens zu betrachten. Ist die Zugkraft des Zwerchfells beispielsweise durch Operationen reduziert, kann während der Einatmung nur ein Bruchteil der notwendigen Sauerstoffmenge aufgenommen werden. Entsprechend spielt die Zugkraft des Zwerchfells eine weitere wichtige Rolle. Die Kraft kann durch ein forciertes Atemmanöver mit entsprechenden Widerständen, genau wie bei anderen Muskelgruppen auch, trainiert werden. Hier sprechen wir von Atemtraining. Dieses Atemmanöver steht konträr zum prolongierten Manöver.
Während gesunde Menschen, insbesondere Sportler, meist ein gutes Körpergefühl haben, ist das bei Lungenpatienten häufig nicht so. Entsprechend ist es wichtig, dass sich diese Patienten sowie Trainer und therapeutisches Fachpersonal dessen genau bewusst sind und diese Atemmanöver gut unterscheiden können. In einer Atemnotsituation wäre es fatal, wenn ein forciertes Atemmanöver das gestresste System zusätzlich noch durch eine schnellere Atmung belasten würde. In diesem Fall sollte dafür gesorgt werden, dass die Atemwege lange offen gehalten werden – also eine verlangsamte (prolongierte) Atmung durchgeführt wird, um den Gasaustausch zu verbessern.
Fokus auf Menschen mit Atemwegserkrankungen
Der Gesundheitsatlas des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) beschäftigt sich mit Volkskrankheiten, die ein hohes Präventionspotenzial bieten. Die beiden Atemwegserkrankungen COPD und Asthma gehören dazu; die Anzahl der Erkrankten wächst weiter. Als modifizierbare Risikofaktoren für die Entstehung von Asthma stehen Allergien im Fokus. Zudem können Übergewicht und Tabakrauchen die Symptomatik verschlimmern. Tabakrauchen ist der bedeutsamste Risikofaktor für die Entstehung einer COPD, deren Betroffene oft intensiv nach einer entsprechenden Betreuung suchen. Fitness- und Gesundheitsstudios können bei entsprechender Ausbildung der Mitarbeiter dabei hervorragend helfen.
Bei der Zahl von aktuell fast 7 Millionen Patienten sprechen wir nur von den Menschen mit Asthma und COPD. Es gibt noch weitere Atemwegserkrankungen. Mit der Pandemie ist die Pflege unseres Immunsystems – vor allem der Atemwege – viel stärker in den Fokus gerückt. Und wir haben die Menschen mit Post- und Long-Covid, die ebenfalls fachkundige Begleitung und Betreuung über das (kassen-) ärztliche System hinaus benötigen. Das betrifft die körperliche und die mentale Gesundheit – wobei die Atmung ein wichtiger Baustein für beides ist.
Heike Georg
Literatur auf Anfrage bei der Autorin erhältlich.
Heike Georg verantwortet bei CEGLA Medizintechnik die Abteilungen Kommunikation und Training. Seit über 20 Jahren ist sie im Bereich Fitness und Gesundheit aktiv und bringt Menschen in Bewegung. In ihrer Position bei CEGLA Medizintechnik – seit 40 Jahren ein Spezialist rund um die Atmung sowie Entwickler und Hersteller von Atemtherapiegeräten – sorgt sie mit dafür, dass zu Atemwegserkrankungen breiter und besser informiert wird und die Atmung auch präventiv mehr Aufmerksamkeit bekommt.
www.cegla.de
Foto: Rido/Shutterstock