Privat trainieren
Das Fitnessstudio zur Miete
Mittlerweile gibt es kleine Boutique-Fitnessclubs, die einen Nischenmarkt für eine neue Kundschaft besetzen, die allein oder mit Freunden trainieren möchte. Dafür kann das Studio stundenweis gemietet werden. Die Angebote zielen auch auf Personal Trainer ab, die selbst keine eigenen Räumlichkeiten besitzen und eine Location für das Training mit ihren Kunden suchen.
Die Blackyard Personal Fitness GmbH der beiden Inhaber Isabel Gärtner und Lars Burmeister bieten Personal Trainern in Hamburg z. B. die Möglichkeit, für 40 Euro pro Stunde mit ihren Kunden in dem kleinen, sehr feinen und gut ausgestatteten Club im Stadtteil Winterhude zu trainieren. Für das private Ambiente ist ein entsprechend hoher Preis zu zahlen. Dafür hat man das Equipment für sich, ist unbeobachtet und muss keine Wartezeiten vor Geräten einkalkulieren. Die privat zu mietenden Clubs sind spezialisiert, wie die sogenannten Gym Pods in Singapure.
„Gym Pod Asia“, Singapur
Den Gründer des „Gym Pod Asia“, Damian Chow, selbst schüchtern und introvertiert, hatten Fitnessanlagen mit großen Menschenmengen eher verunsichert. So entstand die Idee zu „The Gym Pod“, einem komplett ausgestatteten Minifitnessstudio in einem umgebauten Schiffscontainer. Jeder „Gym Pod“ verfügt über Cardio- und Kraftgeräte sowie eine Hantelbank mit freien Gewichten. Die zu mietenden Container gibt es mit unterschiedlichem Inhalt. Neben der Standardausstattung gibt es „Pods“ speziell für Functional Training und „Spin Pods“, in denen virtuelle Cycling-Kurse abgerufen werden können. Mittlerweile verfügen die neueren „Pods“ auch über interaktive Bildschirme, auf denen die Nutzer Tutorials ansehen und virtuell mit Fitnessprofis trainieren können. Der Container wird über eine App gebucht; dabei kann man den „Pod“ ganz für sich allein, mit Freunden oder auch mit einem Personal Trainer buchen.
Das Mietkonzept spricht neue Zielgruppen an
Das Konzept richtet sich an eine Zielgruppe, die große Menschenmengen scheut und lieber unter sich bleibt. Die exklusiv zu mietenden Räumlichkeiten sind in der Regel alle sehr flexibel buchbar und sprechen einen neuen Kundenkreis an. Das sind nicht nur Menschen, die sich in einem großen anonymen Fitnessstudio nicht wohlfühlen und auch nicht gern beim Training beobachtet werden wollen, sondern auch solche, die Angst haben, sich zu blamieren oder sich einen geschützten Raum für ihr Training wünschen, weil sie einen hohen Bekanntheitsstatus haben.
In Hamburg betreibt der Sportwissenschaftler Jochen Schmidt das „HHometown“, ein Studio für Personal Training und Boxing. Seine Kunden sind beruflich sehr erfolgreich, haben wenig Zeit und schätzen das private Ambiente. Schmidt eröffnete das 100 m2 große Studio 2017. Besonders seine Stammkunden, die bei ihm das Personal Training buchen, nutzen das Studio exklusiv für sich allein. „Die Idee, die Räumlichkeiten auch zu vermieten, wenn ich keine 1:1-Termine habe oder meine Boxkurse gebe, bestand von Anfang an“, sagt der doppelte Hamburger Vizemeister im Schwergewichtsboxen. „Durch Corona wurde es dann natürlich besonders attraktiv, das Gym an Einzelpersonen zu vermieten.“ Sein „Private Gym“ wird auch als Location für Fotoshootings angefragt.
Exklusivität als Alleinstellungsmerkmal
Es muss nicht viel Trainingsequipment vorhanden sein. Das Wichtigste ist, dass die Trainingsgeräte von hoher Qualität sind. Quantität ist zweitrangig, schließlich will die Kundschaft hier allein oder maximal mit ein paar Freunden trainieren. In Glücksburg, einer Kleinstadt in Schleswig-Holstein an der Flensburger Förde, bietet Jan Kruse mit „fitvibes“ eine private Trainingsfläche für maximal vier Personen, die 24/7 geöffnet ist. „Das Studio ist nur 150 Meter zu Fuß vom Ostseestrand entfernt“, sagt Kruse. Seine Kunden seien deshalb auch oft Touristen. „Nach der Buchung frage ich nach, welche Erfahrungen die Kunden haben, besonders wenn es Touristen sind. Viele haben Erfahrung und brauchen keine Hilfe.“ Meist versuche er dennoch, vor Ort zu sein. Exklusivität ist hier das Alleinstellungsmerkmal. Räume und Trainingsgeräte exklusiv zu nutzen, ist ein neues Qualitätsmerkmal – und das lassen sich die Kunden auch etwas kosten. Private Fitnessstudios sind zwar in der Regel weniger umfangreich und komfortabel als kommerzielle Fitnessanlagen, verfügen aber oft über Einrichtungen,die man in großen, anonymen Clubs nicht erwartet, wie z. B. einen Essbereich, eine voll ausgestattete Küche und einen Arbeitsbereich mit WLAN. Das „fitvibes“ hat sogar eine „KitchenAid“ und neben einer Umkleide auch eine Sauna.
Die Trainingszeiten für das 70 m2 kleine Studio von Jan Kruse können ganz bequem online gebucht werden. „Das Konzept entstand während der Coronapandemie aufgrund der Kontaktbeschränkungen“, erklärt der Inhaber des „fitvibes“. „Das Studio kann für 79 Euro eineinhalb Stunden inklusive Sauna, Getränken und anschließender Reinigung genutzt werden.“ Hygiene wird hier großgeschrieben. „Zwischen den vermieteten Buchungszeiten wird immer sauber gemacht.“ Dafür hat Kruse eine flexible Reinigungskraft, die immer zwischen den Slots kommt. Ein elektronisches Türschloss sorgt für einen automatisierten Eintritt und wird nur für die jeweilige Buchungszeit freigeschaltet. Das Personal-Training-Studio von Kruse ist mit einem Boden für das Functional Training, Kunstrasen, Medizinbällen, Slambällen, Yogamatten, Langhanteln, Kettle Bells, Corebags, Schlingtrainern, Endlosseilen, freien Gewichten, einer Musikanlage und kostenfreiem WLAN ausgestattet. Auch ein „Assault Air Bike“ und eine „Power Plate“ gehören zur Ausstattung.
Auch als Ferienwohnung über Airbnb buchbar
„In den letzten Jahren ist die Nachfrage explodiert“, sagt Kruse. Dabei kommen die Touristen nicht nur zum Training. „Da ich am Montag erst abends und am Freitag nur bis mittags arbeite, stehen die Räume leer, wenn ich kein Personal Training gebe“, gibt er zu bedenken. Er sei zudem mit seinen Kunden ganz viel draußen. Die private Vermietung sei deshalb eine zusätzliche Einnahmequelle. Über das verlängerte Wochenende bietet Kruse sein kleines Studio über Airbnb auch als Ferienunterkunft für Kurzurlauber an. Werbung hat er dafür keine gemacht. „Seit zwei Jahren bin ich durchgängig ausgebucht.“Über der Umkleide wurde eine Decke eingezogen und ein großes Doppelbett aufgebaut, das durch eine Raumspartreppe zu erreichen ist und von dem aus man über ein großes Dachfenster in den Sternenhimmel schauen kann. Der begrenzte Platz wird optimal genutzt. Kruse hat sich vorher etliche Tinyhäuser angesehen. Eine alte Hobelbank dient als Esstisch. Damit der große Tisch beim Training nicht im Weg ist, ist er aufgehängt und kann unter die Decke gezogen werden.
Private Wohnzimmeratmosphäre
Schon bei der Planung seines Studios wollte Kruse eine private Atmosphäre mit Wohnzimmercharakter schaffen. „Das Personal Training lebt zwar vom Trainer, aber man sollte reinkommen und sich gleich wohlfühlen.“ Auch das „HHometown“ ist sehr wohnlich eingerichtet und wirkt mit den Sesseln wie ein privates Wohnzimmer mit integriertem Trainingsbereich.
In München betreibt Florian Börstler das „My Private Gym“. Das Studio hat mehrere Räume, die exklusiv für eine Stunde zu einem Preis von 25 Euro online reserviert werden können. Kunden können dann allein trainieren, einen Freund mitbringen oder eine Session mit einem Personal Trainer vereinbaren. Das „My Private Gym“ hat elektronisch gesicherte Schlösser, die mit einem individuellen Link geöffnet werden können. Den Link bekommt man nach der Buchung per E-Mail zugeschickt. Er ist 15 Minuten vor der gebuchten Trainingszeit freigeschaltet. Gezahlt wird auch hier pro Stunde, nicht pro Person. Wie das „Blackyard“ in Hamburg adressiert auch der Geschäftsführer des „My Private Gym“ in München sein Angebot gezielt an Personal Trainer, die mit ihren Kunden die Räumlichkeiten nutzen möchten. Wer öfter kommt, bekommt günstigere Preise. „Unsere Zielgruppe sind Menschen, die ihre Zeit und ihre Privatsphäre schätzen“, sagt Börstler.
„Wir haben eine gute Mischung aus Personal Trainern, die unsere Räumlichkeiten für ihre Trainingseinheiten nutzen, Freunden, die einfach Lust haben, gemeinsam zu trainieren, oder auch Unternehmen, die ihren Mitarbeitern ein privates Studio zur Verfügung stellen wollen. Wir sind sehr zufrieden damit, wie sich das Konzept bisher entwickelt hat und angenommen wurde. Unsere Erwartungen wurden von Anfang an bei Weitem übertroffen.“
Sind die Nischenanbieter mit viel Fantasie und Kreativität zunächst aus der Not geboren, so haben sie sich alle bewährt und sind auch nach der Pandemie erfolgreich und weiter auf Expansionskurs. So plant Kruse an der Ostsee schon seine zweite Dependance inklusive Nutzung als Ferienwohnung für Sportfreaks.
Rita Hoogestraat
Foto: HHometown Fitness, homtastics, Silje Paul