Digitale Blutzuckerkontrolle
Messen die Geräte auch während des Trainings genau?
Die regelmäßige Blutzuckerkontrolle über einen Sensor im Oberarm ist aus gesundheitlicher Sicht sinnvoll und kann helfen, eine Unterzuckerung zu vermeiden. Sie kann im Sport mithilfe individueller Ernährungsempfehlungen auch zur Leistungssteigerung eingesetzt werden, auch ohne die Diagnose „Diabetes mellitus“. In einer kürzlich veröffentlichten Studie wurde jetzt untersucht, ob ein Sensor am Oberarm in der Lage ist, die Blutzuckerkonzentration sowohl in Ruhe als auch unter körperlicher Belastung genau zu bestimmen.
Der technische Fortschritt ist längst in unserem Alltag angekommen und auch in den Gesundheits- und Fitnessmarkt drängen mit rasantem Tempo neue Technologien, wie z. B. ein kleiner Sensor zur kontinuierlichen Erfassung des Blutzuckerspiegels, der im Oberarm angebracht wird. Im Gegensatz zu traditionellen Messgeräten zur Bestimmung des Blutzuckers, die über eine Blutentnahme aus der Fingerkuppe erfolgt, ist diese Methode minimalinvasiv. So ein Sensor kann über Wochen getragen werden und sendet im Minutentakt den aktuellen Blutzuckerspiegel an ein Lesegerät.
Unterzucker im Sport
Aktuell werden solche Geräte hauptsächlich von Personen mit Diabetes mellitus genutzt, um den aktuellen Blutzuckerspiegel zu überprüfen. Hier rückt vor allem der Unterzucker (Hypoglykämie) in den Blickpunkt, da er sowohl die physische als auch die kognitive Leistungsfähigkeit beeinträchtigen kann.Besonders Typ-1-Diabetiker müssen ihren Blutzuckerspiegel unbedingt vor, während und nach dem Sport überwachen, denn es kann infolge einer Unterzuckerung zu einem hypoglykämischen Schock mit Bewusstlosigkeit kommen. Um dieses Risiko zu minimieren ist eine regelmäßige Messung während des Trainings durch einen Sensor sinnvoll. Aber nicht nur für Diabetiker spielt die regelmäßige Kontrolle des Blutzuckerspiegels eine wichtige Rolle – auch Sportler können davon profitieren. Der Blutzucker stabilisiert sich zwar von selbst, dennoch können Sportler zu Beginn einer Trainingseinheit oder nach der Halbzeit in Mannschaftssportarten vorübergehend unter niedrigem Blutzucker leider, was sich wiederum auf ihre Leistung negativ auswirken kann.
Die Reaktion des Blutzuckers auf Ernährung, Bewegung, Stress und andere Lebensstilfaktoren ist sehr individuell. Das bedeutet, dass dasselbe Lebensmittel bei einem Menschen den Blutzucker stark ansteigen lässt, während die Blutzuckerreaktion darauf bei einem anderen ganz anders aussieht. Es gibt also große Unterschiede in der Blutzuckerregulation verschiedener Personen. Sowohl hinsichtlich Gesundheitsaspekten als auch zur Leistungssteigerung im Sport wäre es daher von Vorteil, über ganz individuelle Leitlinien zur Regulierung des Blutzuckerspiegels zu verfügen. Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht könnte z. B. die Einbeziehung eines kontinuierlichen Monitorings des Blutzuckerspiegels dazu beitragen, die Ernährungsstrategien vor, während und nach dem Training individuell anzupassen und damit die Leistung der Sportler durch die Verhinderung einer Unterzuckerung zu optimieren.
Die Messgenauigkeit neuer Technologien
Um das Training und die Ernährung zu optimieren, ist es sowohl aus Sicht der Wissenschaft als auch aus Sicht der Anwender essenziell, neue Technologien auf ihre Validität – also Messgenauigkeit – zu überprüfen. Denn im schlimmsten Fall kann ein fehlerhafter Wert falsche Handlungsempfehlungen nach sich ziehen und nicht nur die sportliche Leistung beeinträchtigen, sondern auch ein nicht unerhebliches Gesundheitsrisiko darstellen. Ob die weitverbreiteten Sensoren zur kontinuierlichen Erfassung des Blutzuckerspiegels tatsächlich eine genaue Messung unter Ruhebedingungen und während des Sports gewährleisten, wurde deshalb von französischen Wissenschaftlern in einer kürzlich in der Fachzeitschrift „International Journal of Sports Physiology and Performance“ veröffentlichten Studie untersucht.
Die Studie
An der Studie nahmen acht Freizeitsportler im Alter von durchschnittlich 31 Jahren teil (fünf weiblich, drei männlich). Aufgrund der geringen Zahl der Teilnehmer ist die Studie nicht repräsentativ. Alle Teilnehmer betrieben regelmäßig Ausdauer- und Krafttraining und wiesen normale Blutzuckerspiegel auf. Bei ihnen war also kein Diabetes mellitus diagnostiziert worden. Im Rahmen der Studie absolvierten die Teilnehmer insgesamt vier Testtage, an denen ihr Blutzuckerspiegel kontinuierlich nach dem Frühstück sowie während und nach einer sportlichen Belastung von einem Sensor im Oberarm und mittels Blutentnahme aus der Fingerkuppe erfasst wurde (siehe Abbildung 1). Im Anschluss an die vier Testtage wurden die mittels Sensor im Oberarm und mittels Blutentnahme erfassten Blutzuckerkonzentrationen für jeden Studienteilnehmer miteinander verglichen.
Messung des Blutzuckerspiegels
Die Messung des Blutzuckerspiegels erfolgte zum einen mittels eines weitverbreiteten Sensors. Dieser wurde einen Tag vor Beginn der Studie im nichtdominanten Oberarm angebracht und ermöglicht Messungen im Minutentakt. Zum anderen wurde die Blutzuckerkonzentration alle zehn Minuten mithilfe eines Messgeräts über eine Blutentnahme aus der Fingerkuppe bestimmt. Das verwendete Gerät gilt als sehr messgenau und diente in dieser Studie daher als Referenzsystem.
An den Testtagen nahmen die Sportler zunächst ein standardisiertes Frühstück ein; dies war entweder proteinoder kohlenhydratbasiert. Die zugeführte Energiemenge war jedoch bei beiden Frühstücksarten gleich. Zwei Stunden nach Einnahme des Frühstücks führten die Teilnehmer eine sportliche Belastung durch. Diese bestand aus zehn Minuten lockerem Laufen und anschließendem hochintensivem Intervalltraining (sechs Laufintervalle je drei Minuten mit zwei Minuten passiver Erholung). Die Einheit endete mit zehn Minuten Gehen. Alle Intensitäten wurden auf Basis eines zuvor durchgeführten Fitnesstests festgelegt. Dieses Prozedere erfolgte für jede Frühstücksart zweimal, was zu vier Testtagen für alle Sportler führte.
1. nach dem Frühstück (eine Stunde nach Beendigung des Frühstücks),
2. vor dem Training (in der letzten Stunde vor Beginn des Trainings),
3. während des Trainings (zwei Stunden nach dem Frühstück bis zum Ende des Gehens)
4. nach dem Training (30-minütige Phase nach dem Ende des Gehens).
Hohe Messgenauigkeit nur unter Ruhebedingungen
Nach Durchführung verschiedener statistischer Verfahren halten die Autoren vor allem zwei Hauptergebnisse ihrer Untersuchung fest: Unter Ruhebedingungen, hierzu zählen die Zeiträume nach dem Frühstück, vor dem Training und nach dem Training, wies die Messung mittels Sensor im Oberarm unabhängig von der Art des Frühstücks nur sehr kleine Abweichungen auf, verglichen mit dem Referenzsystem (Blutentnahme in der Fingerkuppe) auf. Diese Ergebnisse bestätigen vorherige Untersuchungen bei Nichtsportlern mit Diabetes mellitus und sprechen für eine Verwendung eines Sensors in Ruhe.
Während des Trainings waren die Abweichungen zwischen beiden Messsystemen jedoch deutlich größer; hier lag der Blutzuckerwert der Sensormessung am Oberarm durchgängig oberhalb des per Blutentnahme bestimmten Werts. Die Gründe für diesen erhöhten Messfehler während körperlicher Belastung können zum einen Abweichungen in der Zirkulation um die Stelle am Oberarm sein, an dem der Sensor unter der Haut platziert ist. Zum anderen können aber auch die Erhöhung der Körpertemperatur und schnelle Änderungen des Blutzuckerspiegels während des Trainings einen Einfluss auf die Messgenauigkeit haben. Auch ist mit Verzögerungen beim Blutzuckertransport zwischen Blut und Gewebeflüssigkeiten zu rechnen.
In Abbildung 2 ist gut zu erkennen, dass sich die Blutzuckerwerte beim Referenzsystem nach dem Frühstück schneller änderten als bei der Messung mit einem Sensor im Oberarm. Mehr noch, das Muster war nicht nur verzögert, sondern variierte auch mit dem genauen Messzeitpunkt und der Art des Frühstücks. Während das Referenzsystem den zu erwartenden Unterzucker zu Beginn des Trainings anzeigte, ermittelte der Sensor eine erhöhte Blutzuckerantwort. Es ist daher festzuhalten, dass der untersuchte Sensor im Oberarm nicht dazu geeignet ist, eine mögliche Unterzuckersituation zu Trainingsbeginn zu erfassen und somit auch keine Ernährungsstrategien in solchen Situationen abgeleitet werden sollten. Allerdings wurde gegen Ende der Belastungsphase die Tendenz zu einer besseren Übereinstimmung beobachtet (Abbildung 2). Dies würde dafür sprechen, dass die Sensormessung zwar für Sportarten mit kurzen und intermittierenden Belastungen weniger geeignet ist, aber eine Verwendung bei länger andauernden Belastungen wie Radfahren, Laufen oder Triathlon in Betracht gezogen werden könnte. Dies sollte in weiteren Studien näher untersucht werden.
Art des Frühstücks beeinflusst die Messgenauigkeit
Wie bereits beschrieben, hatte die Art des Frühstücks zwar keinen Einfluss auf die Übereinstimmung der beiden Messgeräte unter Ruhebedingungen. Ein anderes Bild zeichnete sich jedoch während des Trainings ab. Hier waren die Abweichungen bei den Messungen der Teilnehmer, die ein kohlenhydratreiches Frühstück aßen, deutlich größer.
Die Wissenschaftler nutzten die beiden Frühstücksarten repräsentativ, um einen starken Anstieg des Blutzuckerspiegels nach dem Frühstück mit einem starkem Abfall zu Beginn des Trainings (kohlenhydratreiches Frühstück) sowie einen geringeren Anstieg mit entsprechend leichterem Abfall (proteinreiches Frühstück) zu simulieren. Die Aufnahme von Blutzucker im Muskel während einer Belastung könnte der Grund sein, warum der Sensor am Oberarm schnelle Änderungen der Blutzuckerkonzentration weniger gut erfassen kann.
Fazit
Das regelmäßige Monitoring der Blutzuckerkonzentration ist nicht nur aus Gesundheitssicht sinnvoll, sondern auch im Sport. Der leistungssenkende Unterzucker, der oftmals zu Beginn einer körperlichen Belastung auftritt, kann mittels der individuellen Ernährungsempfehlungen, die das Monitoring ermöglicht, gesteuert werden.
Der in der Studie untersuchte Sensor am Oberarm zeigte unter Ruhebedingungen eine hohe Messgenauigkeit im Vergleich zum Referenzsystem und kann daher für die Erstellung individueller Ernährungsempfehlungen vor und nach dem Sport eingesetzt werden. Die Messgenauigkeit nahm jedoch während der sportlichen Betätigung erheblich ab und wurde zudem von der Art des zuvor eingenommenen Frühstücks (kohlenhydrat- vs. proteinreich) beeinflusst. Aus diesem Grund sollte der Sensor nicht während des Sports – in diesem Fall bei hochintensivem Intervalltraining – zum Monitoring des Blutzuckerspiegels eingesetzt werden.
Dr. Stefan Altmann
Dr. Stefan Altmann
ist Leiter der Leistungsdiagnostik am Institut für Sport und Sportwissenschaft des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sowie Koordinator Sportphysiologie & Wissenschaft der TSG ResearchLab gGmbH.
www.sport.kit.edu
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