Wenn der Rücken schmerzt
Behandlung und Training nach einem Bandscheibenvorfall
Was sind die Ursachen eines Bandscheibenvorfalls, wie wird er behandelt und welche Übungen sind sinnvoll?
Allgemein wird unterschieden zwischen spezifischen und unspezifischen Rückenschmerzen. Spezifische Schmerzen haben eine klar diagnostizierbare Ursache, z. B. eine Extrusion (Bandscheibenvorfall), eine Spondylolisthesis (Wirbelgleiten) oder eine Osteoporose (Knochenschwund), während bei unspezifischen Schmerzen keine genaue Diagnose vorliegt. Bei 15 Prozent der Patienten ist der Rückenschmerz spezifisch, bei 85 Prozent unspezifisch.
Bewegung ist ein wichtiger Bestandteil der Prävention
Ein wichtiger Baustein in der Prävention bzw. Therapie von Rückenschmerzen und Bandscheibenvorfällen ist definitiv Bewegung. Allerdings darf man den Einfluss der Bewegungsprogramme auch nicht überbewerten. Studien zeigen, dass es nicht auf die Art der Bewegung ankommt, sondern dass das Bewegungsprogramm auf den Kunden und seine Bedürfnisse zugeschnitten ist. Yoga, Pilates oder Walking eignen sich nicht für jeden. Nur wenn der Kunde einen positiven Zugang zu der gewählten Sportart hat, kann sie langfristig zum Erfolg und zu einer dauerhaften Motivation führen.
Was sind Bandscheiben?
Die zwischen den Wirbeln liegende Zwischenwirbelscheibe (Discus intervertebralis bzw. Bandscheibe) dient als Puffer zwischen den einzelnen Wirbelkörpern zur Abfederung von Stößen. Die Bandscheiben machen die Wirbelsäule beweglich und halten den Abstand zwischen den Wirbeln. Sie bestehen aus einem innenliegenden Gallertkern (Nucleus pulposus) und lamellenartig angelegten Faserringen (Anulus fibrosus), die in einem bestimmten Winkel diagonal verlaufen, um Rotationen zu stabilisieren und den Kern in seiner Position zu fixieren. Die Bandscheibe ist im gesunden Zustand extrem belastbar. Die Anordnung der Lamellen diente wegen ihrer hohen Belastbarkeit sogar Formel-1-Ingenieuren als Vorlage zur Entwicklung von Reifen. Über vertebrale Endplatten stehen die Bandscheiben in enger Verbindung mit den Wirbelkörpern. Der Aufbau der Bandscheibe ist mit dem 20. bis 22. Lebensjahr abgeschlossen. Bereits kurz danach kann sie schon erste degenerative Veränderungen zeigen.
Was genau ist ein Bandscheibenvorfall?
Bei einem Bandscheibenvorfall, auch Bandscheibenprolabs genannt, kommt es zu degenerativen Veränderungen der Zwischenwirbelscheibe, z. B. zu Einrissen des Anulus fibrosus. Dadurch wird ein Vorfallen des Gallertkerns (Nucleus pulposus) der Zwischenwirbelscheibe möglich. Unter einem Bandscheiben vorfall versteht man die plötzlich oder langsam zunehmende Verlagerung bzw. den Austritt von Gewebe des Nucleus pulposus der Bandscheibe nach dorsal (nach hinten) oder lateral (zur Seite). Dabei kann es zu einer Kompression des Rückenmarks oder von Nervenwurzeln kommen. Bandscheibenvorfälle entstehen meistens in den unteren Abschnitten der Lendenwirbelsäule. Ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelsäule ist seltener.
Eine reine Vorwölbung der Bandscheibe bei sonst intaktem Anulus fibrosus wird als Bandscheibenprotrusion bezeichnet und bildet sich meist voll zurück. Tritt das Bandscheibengewebe komplett aus, spricht man von einer Extrusion (Bandscheibenvorfall), wobei das Gewebe meist lateral austritt, da dort das hintere Längsband nicht stabilisierend wirkt und genügend Freiraum für einen Austritt besteht. Wird das Bandscheibengewebe abgetrennt, spricht man von einer sequestrierten Extrusion (auch als Sequester bezeichnet). Das abgetrennte Bandscheibengewebe befindet sich nun frei im Rückenmarkskanal und kann z. T. diffuse (unspezifische) Schmerzen hervorrufen. Symptome einer neurologischen Erkrankung sind Taubheitsgefühle, Sensibilitätsstörungen, eine verhärtete Muskulatur im LWS-Bereich, eine Schonhaltung in Flexionsstellung, Bewegungseinschränkungen und ausstrahlende Schmerzen bis ins Bein (je nachdem, welche Nervenwurzel im Rücken betroffen ist).
In 95 Prozent der Fälle wird konservativ therapiert
Die Diagnose erfolgt durch einen Arzt über MRT (Magnetresonanztomographie), Sensibilitätstests, Röntgenbilder zur Abklärung der knöchernen Strukturen und eine genaue Anamnese. Auch bei neurologischen Beschwerden muss ein Bandscheibenvorfall nicht unbedingt operiert werden. 95 Prozent aller Bandscheibenvorfälle werden konservativ behandelt. Die meisten Beschwerden verschwinden sogar ohne Intervention wieder. Bevor man sich operieren lässt, sollte eine Zweitmeinung eingeholt werden. Nach einer Operation muss ca. neun bis zehn Wochen gewartet werden, bevor eine Belastung wieder möglich ist. In den ersten Wochen dawnach sollte eine geeignete Physiotherapie durchgeführt werden. Erst dann kann wieder mit dem Sport begonnen werden. Auch bei der konservativen Therapie wird zunächst Krankengymnastik verschrieben. Generell gilt, dass der Patient sich möglichst schmerzfrei bewegen kann, d. h. er sollte mindestens 30 Minuten an einem Sportprogramm teilnehmen können.
In dieser Zeit ist eine optimale Versorgung mit Nährstoffen sinnvoll, um die Regeneration zu beschleunigen. Eine ausreichende Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren (Entzündungshemmer), Vitamin E (Zellbildung), Vitamin C (Immunabwehr und Aufbau von kollagenem Bindegewebe) und Zink (Zellwachstum und Immunsystem) sowie eine optimale Versorgung mit Vitamin D sind angeraten. Es sollte immer auch darauf geachtet werden, dass diese Bestandteile durch natürliche Lebensmittel aufgenommen werden. Entscheidend für den Erfolg einer Therapie ist auch die Einstellung des Patienten zu Bewegung und die Beurteilung der Schmerzen. Eine wichtige Aufgabe des Trainers besteht deshalb darin, den Kunden langfristig zu motivieren, sein „Angst-Vermeidungs-Verhalten“ abzulegen und dem Rückenschmerz aktiv entgegenzutreten.
Stephan Müller
Stephan Müller
ist Vorstand des Bundesverbandes Personal Training. Zusätzlich ist er monatlich live als Experte für ARD und SWR im Fernsehen und Radio im Einsatz. Der Inhaber des GluckerKollegs betreut seit über 25 Jahren zahlreiche Olympiasieger, Weltmeister und Top-Sportler. Mittlerweile hat er zehn Fachbücher veröffentlicht. Seine umfassende Expertise macht ihn international zu einem Spezialisten und Wegbereiter im Fitnessbereich.
www.gluckerkolleg.de
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