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Interview mit Sarah Rodeck, Heilpraktikerin für Immunologie mit den Themenschwerpunkten Hashimoto, Autoimmunerkrankungen und Darmgesundheit
Hinter den Begriffen „Histaminintoleranz“, „Schweiß-Urtikaria“ und „anaphylaktischer Schock“ stehen allergische Reaktionen des Körpers, die Sie als Trainer, Studioinhaber oder -mitarbeiter unbedingt kennen sollten. Sarah Rodeck beantwortet nachfolgend unsere Fragen rund um das Thema „Sport und Allergien“.
body LIFE: Gibt es tatsächlich eine „Sportallergie“? Was steckt dahinter?
Sarah Rodeck: Der Begriff ist etwas irreführend, natürlich ist man nicht auf Sport an sich allergisch. Auf die beim Sport entstehenden End- oder Zwischenprodukte kann man aber tatsächlich allergisch sein. Hier steht ein besonderer körpereigener Stoff im Mittelpunkt: das Histamin. Dieser Botenstoff, der bei Allergien vermehrt ausgestoßen wird. Wir könnten vereinfacht sagen, je mehr Histamin, umso stärker fällt eine allergische Reaktion aus. Histamin ist somit ein Allergiebooster. Und der Botenstoff wird bereits bei starker körperlicher Leistung vermehrt ausgestoßen. Wenn ich also bereits vorliegende Probleme rund um Histamin oder Allergien habe, steigt die Wahrscheinlichkeit, eine vorhandene Allergie bei sportlichen Aktivitäten zu boostern.
body LIFE: Welche Symptome können auftreten?
Sarah Rodeck: Die Symptome von erhöhtem Histamin sind breit gefächert. Doch wir können uns viele Symptome leichter ableiten, wenn wir uns eine starke Entzündung vorstellen, die mit Erscheinungen von Röte, Hitze, Schwellung und Schleimhautbeteiligung einhergeht. Diese Vorgänge können an jedem Körperteil entstehen und viele Funktionen beeinträchtigen. Daher gibt es bei sogenannten Histaminosen eine große Bandbreite an Symptomen, die auftreten können: von Kopfschmerzen, Hauterscheinungen, Darmstörungen, Müdigkeit bis hin zum Auftreten „alter“ Symptome, die eigentlich längst der Vergangenheit angehörten – einer sogenannten Re-Aktivierung. Es ist durchaus wichtig, dass Studioinhaber und Trainer sich mit Histamin sowie Allergien auskennen und sich somit solide und professionell und im Sinne Ihrer Mitglieder aufstellen können.
body LIFE: Derzeit wird viel über die sogenannte Histaminintoleranz gesprochen. Was genau bedeutet diese im Alltag von Sportlern?
Sarah Rodeck: Viele Sportler nehmen Eiweißpräparate zu sich. Dafür gibt es gute Gründe – aber es gibt auch Umstände, die in bestimmten Fällen dagegensprechen. Eine Histaminintoleranz bedeutet ein Überangebot an Histamin, dem der Körper nicht mehr entgegenwirken kann. Und dieses Überangebot an Histamin sollte man kennen, um die richtige Dosierung von Eiweißzusatzprodukten zu finden und keinen Schaden bei Allergikern anzurichten, sondern auch bei dieser Personengruppe hilfreich zu sein.
Darüber hinaus nehmen wir Histamin durch das Essen und Trinken histaminhaltiger oder -fördernder Nahrungsmittel zu uns. Der Histamingegenspieler DAO kann eingeschränkt sein und das Histamin kann nicht in ausreichender Menge pro Zeiteinheit abgebaut bzw. inaktiviert werden. Und ein weiterer, sehr viel unbekannterer Aspekt sind ungesunde Darmkeime – intestinale Pathogene, die ihrerseits Histamin freisetzen. Diese Pathogene ernähren sich oft von Proteinen und setzen danach vermehrt Histamin in unserem Körper frei. Daher gilt es aufzupassen wenn zirka 15 bis 90 Minuten nach Einnahme eines eiweißhaltigen Produktes typische Beschwerden einer Histaminunverträglichkeit auftreten. Doch leider können die Beschwerden auch erst sehr viel später auftreten: Wenn die Pathogene im Dickdarm sitzen, kann es bis zu 78 Stunden dauern, bis sich Symptome einstellen.
Legen Sie sich am besten eine Übersicht über histaminhaltige und -fördernde Lebensmitteln bereit. Sie sollten in Ihrem Studio möglichst hochwertige Produkte verwenden, da man heute davon ausgeht, dass billige Zusatzstoffe die Histaminausschüttung provozieren können. Wenn mehrere Kunden über Übelkeit, Schwindel, Schwäche, verstärkten Muskelkater oder Schlimmeres nach Trainingeinheiten bei Ihnen klagen, ist es eine sinnvolle Maßnahme, Gebrauchs- und Einrichtungsgegenstände – Matten, Böden etc. – auf ihre Inhaltsstoffe zu überprüfen. Oft erkennen Sie eine mindere Qualität,die allergene Wirkungen hervorruft, bereits am Geruch.
body LIFE: Ein sehr typisches Symptom bei Sportlern ist die „Anstrengungsallergie“, auch „Schweißallergie“ genannt. Was steckt dahinter?
Sarah Rodeck: Man schätzt, dass jeder Zehnte von der „Schwitz-“ oder „Schweißallergie“, der cholinergen Nesselsucht, betroffen ist. Bei dieser Form der Urtikaria, die mit starkem Juckreiz und einer Rötung der Haut einhergeht, geht man davon aus, dass sie durch die Erhöhung der Körpertemperatur ausgelöst wird. Sie fällt bei Sportlern daher häufiger auf als bei Menschen, die sich weniger bewegen und ihre Körpertemperatur nicht im selben Maße erhöhen. Betroffene berichten, dass das Auflegen frischer Aloe vera deutliche Erleichterung schafft. Auch als Saft getrunken, kann sie lindern, wenn es eine Darmbeteiligung gibt. Die Urtica urens – kleine Brennnessel – gilt als altes Heilmittel bei Urtikaria.
body LIFE: Sollte ich Allergien bereits beim Aufnahmegespräch abklären?
Sarah Rodeck: Unbedingt! Denn Allergien gehen immer mit einer erhöhten Histaminausschüttung einher, die durch Sport oder nicht passende Ernährung mit histaminhaltigen Nahrungsmitteln und Getränken zusätzlich erhöht werden kann. Treten beim oder nach dem Sport Symptome auf, sollte einerseits an bestehende Allergien gedacht werden, andererseits kann der Sport eine bestehende allergische Bereitschaft bei falschen Trainingseinheiten erhöhen. Generell spielen das Maß und die richtige Trainingseinheit eine wichtige Rolle.
body LIFE: Wie handle ich bei einer starken Reaktion eines Kunden?
Sarah Rodeck: Wir sprechen hier von wirklich lebensbedrohlichen Situationen, bei denen Histamin abrupt und in viel zu hohen Mengen freigesetzt wird. Es ist unabdingbar, dass Trainer und Studioinhaber sowie deren Mitarbeiter eine anaphylaktische Reaktion oder einen schweren Allergieschub umgehend erkennen und schnell handeln können.
Anaphylaktische Reaktionen treten plötzlich auf. Es beginnt oft mit einem diffusen Gefühl des Unbehagens. Sätze wie „Mir ist so komisch“ oder „Mir ist gar nicht gut“ werden von Betroffenen formuliert – gefolgt von Kribbeln und Schwindel, auf die dann sehr schnell die jeweiligen Symptome erscheinen. Hier sollte umgehend ein Notarzt mit dem Hinweis „Verdacht auf Anaphylaxie“ gerufen und der Betroffene nach einzunehmenden Medikamenten befragt werden. Stark Betroffene haben häufig ein Notfallset dabei – dies sollte umgehend eingesetzt werden. Ich rate, in regelmäßigen Abständen einen Erste-Hilfe-Kurs zu besuchen oder – besser noch – einen solchen Kurs im eigenen Haus durchführen zu lassen.
Wichtige Initialsymptome sind:
- laufende oder verstopfter Nase,
- juckende oder tränende Augen,
- Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit nach dem Sport,
- Hauterscheinungen mit Röte, Juckreiz oder Quaddeln, Husten und Atemnot
Sobald etwas anschwillt, ist das Training einzustellen und ein Arzt sollte aufgesucht werden, um sich das Gesamtgeschehen anzusehen.
Foto: Sarah Rodeck; www.naturheilpraxis-rodeck.de; www.hashimoto-akademie.online