Thorsten trifft … Tino Heidötting
Thorsten Rebek: Tino, du bist ein sehr sportlicher Mensch. Wie motivierst du dich zum Training?
Tino Heidötting: Bei mir ist es eine gute Mischung aus Leidenschaft und Leidensdruck. Bewegung war immer schon ein wichtiger Bestandteil meines Lebens – als Kind und Jugendlicher habe ich Leistungssport betrieben, meine Frau ist Sportwissenschaftlerin und auch meine Kinder teilen unsere Leidenschaft für den Sport. Im Urlaub findet man uns eher auf dem Wasser beim Kitesurfen als am Strand in der Sonne und in den Bergen eher beim Skitouren gehen als beim Après-Ski. Seit 2013 begleitet mich das Thema „Rheu-ma“. Dieser Leidensdruck war eine wichtige Triebfeder, einiges in meinem Leben zu verändern. Es führte zu einer noch bewussteren Einstellung zum Thema „Ernährung, Bewegung“ und zum achtsameren Umgang mit mir selbst. Hier sind wir beim aktuellen Thema „Krise als Chance“: Wenn du dich der Situation stellst und dich mit dieser intensiv auseinandersetzt, gibt es „wunderbare“ Wege ein Grund, warum ich immer in Bewegung bleibe. Es ist menschlich, dass es mal mehr und mal weniger ist. Also zusammenfassende Antwort: Ich motiviere mich selber, ich brauche keine Impulse von außen. Daher fällt es mir auch aktuell nicht schwer, mich zu bewegen. Der Faktor Zeit war die letzten Monate tatsächlich mal eine Ausrede. Leider muss ich aktuell beobachten, dass die Coronasituation bei vielen Menschen eher die „Festmonate des Schweine-hundes“ sind. Ich möchte die Zahlen nicht wissen, wie viel Gewicht der Bürger im Durchschnitt in den letzten Monaten zugelegt hat oder wie die Durchschnitts Schrittzahlen durch Homeoffice und Online Shopping zurückgegangen sind, mal ganz abgesehen vom Alkoholkonsum.
Thorsten Rebek: Als BVB-Fan verfolgst du natürlich auch die Entwicklungen im Leistungssport. Warum sollten auch Kinder und Jugendliche schnellstmöglich wieder in den Spielbetrieb gehen?
Tino Heidötting: Dass unsere Kinder eingesperrt werden und ihnen verwehrt wird, an Bewegungsangeboten teilzunehmen, ist aus sozialen und physiologischen Gesichtspunkten eine Katastro-phe. Das ist mit ein Grund, warum sich mein geliebter Fußball von mir entfremdet hat. Ich finde es gesellschaftlich überhaupt nicht vertretbar, dass der Fußballzirkus weiterlaufen darf, aber Wettkämpfe auf anderen Ebenen speziell im Kinder und Jugendbereich nicht stattfinden dürfen. Wir wissen, wie wichtig die Bewegung insbesondere an der frischen Luft für unser Immunsystem ist.
Thorsten Rebek: das thema „digitalisierung“ wird durch corona beschleunigt. wie ist bei euch der aktuelle stand und hattet ihr auch mit schwierigkeiten zu kämpfen?
Tino Heidötting: In den ersten Monaten haben wir primär Krisenmanagement für unsere Bestandskunden betrieben, damit diese schnell auf die neue Situation reagieren konnten. Das war tatsächlich eine große Herausforderung, weil die Woche von jetzt auf gleich sieben Tage hatte. Die größte Nachfrage hatten unsere medo.coach-App und unser Online-Buchungstool. Mithilfe der App konnte die Kundenbetreuung trotz Lockdown aufrechterhalten werden und über unser Online-Buchungstool erfolgte z. B. die Anmeldung und Abwicklung von Online-Angeboten. Später wurden über dieses Tool auch Zutrittslimitierungen gesteuert. Über unsere App konnten die Mitglieder mit Trainingsplänen für zu Hause versorgt und das Training gesteuert werden. Noch wichtiger: Die Kommunikation zum Mitglied wurde aufrechterhalten.
In den folgenden Monaten hatten wir aber auch ein gut laufendes Neukundengeschäft; viele haben die Zeit des „Still-standes“ genutzt, um nachzurüsten oder neue Softwaresysteme einzuführen. Auch bei anderen Zielgruppen wie Per-sonal Training und dem Zweiten Gesundheitsmarkt haben wir ebenfalls eine starke Nachfrage. Das hält tatsächlich bis heute an, nimmt sogar aktuell durch die Überbrückungshilfe III und die Digitalisierungsförderung wieder stark zu. Viele nutzen die Chance, dass medo.check förderungsfähig ist. Bei Umsatzeinbußen bekommt der Betreiber die medo.check-Software und/oder die me-do.coach-App bezahlt. Die Höhe der Förderung steht in Abhängigkeit von den Umsatzeinbußen.
Auch wenn ich kein Freund von Pauschalisierungen bin, sage ich, Corona ist ein Booster für Veränderungen bezogen auf unsere Branche besonders im Be-reich der Digitalisierung, Dezentralisierung von Fitnessangeboten wie Outdoor-Angebote etc., aber auch der Leistungsabrechnung. Ich glaube nicht, dass die Studios überrannt werden, wenn wieder geöffnet wird. Es haben sich Ängste manifestiert, auf die wir uns einstellen müssen. Neukunden werden keine langen Laufzeitverträge unterschreiben – ein Trend, der sich auch schon vor Corona abgezeichnet hat. Ich denke, es geht Richtung Pay on demand, Kontingent oder Monatsabos, wir müssen auf vielen Ebenen umdenken. Wer erwartet, dass alles wieder so wird wie vor Corona, der wird es schwer haben.
Thorsten Rebek: Welche positiven Erfahrungen und Erkenntnisse nimmst du aus dieser intensiven Zeit mit?
Tino Heidötting: Dass ich ein fantastisches Team habe, auf das ich mich hundertprozentig verlassen kann. Erstmalig musste ich in über 20 Jahren als Geschäftsführer Urlaubssperre verhängen, um der Lage Herr zu werden. Des Weiteren müssen wir dringend weiter an der Seriosität unserer Branchenwahrnehmung arbeiten. Dass die Fitnessbranche so unter dem Radar der Bundesregierung ist und z. B. die Pyrotechnikbranche in Berlin bedeutender als die Fitnessbranche zu sein scheint, hat mich wirklich erschreckt. Ansonsten bleibe ich bei meinem Motto „Krise bedeutet Chance“. Wir haben die letzten Jahre viel über Digitalisierung geredet und geschrieben. Leider muss man aber sagen, dass gerade dieses Thema vielen um die Ohren geflogen ist.
Foto: Thorsten Rebek, Tino Heidötting,Bodylife