„Wir brauchen lebendige Konzepte“
Interview mit Jörg Hidding, Geschäftsführer ONE HOSPITALITY GmbH
Jörg Hidding ist seit über 20 Jahren als Berater und Clubbetreiber in der Fitnessbranche tätig. Im November dieses Jahres veranstaltet er im Rahmen der „FitnessConnected“ den „FITNESS REAL ESTATE + INVESTMENT SUMMIT“. Im Interview spricht der 57-Jährige u. a. über das Event, wie die Immobilien- und die Fitnessbranche voneinander profitieren können, wie sich das zukünftige Immobilieninvestment vom vergangenen unterscheidet und wie der Fitnessclub in der Immobilie der Zukunft aussieht.
body LIFE: Herr Hidding, Sie bringen im Rahmen des SUMMITS die Fitnessbranche und die Immobilienwirtschaft zusammen. Wie können beide Branchen voneinander profitieren?
Jörg Hidding: Wir haben rund 9 500 Clubs in Deutschland und für diese Clubs werden natürlich entsprechende Flächen benötigt. In den letzten Jahren sind die Clubs zum Teil größer geworden, sie bringen mehr Frequenz in die Immobilien und haben somit auch für Vermieter eine immer größere Bedeutung. Darüber hinaus haben sich auch die Fitnessketten in den vergangenen Jahren sehr stark entwickelt; sie werden teilweise von Kapitalanlagengesellschaften mit einer klaren Wachstumsstrategie finanziert. Um diese Strategie in einer Pipeline zu bündeln, braucht es entsprechende Flächen und einen Forecast für die nächsten Jahre. Insofern macht es absolut Sinn, sich Partner aus der Immobilienwirtschaft zu suchen und mit diesen auch zusammenzuarbeiten, um eine dynamische Expansion vollziehen zu können.
body LIFE: Wie sieht das zukünftige Investment aus und was sind Unterschiede zur Vergangenheit?
Jörg Hidding: Die Immobilienwirtschaft hat unsere Branche in der Vergangenheit durchaus kritisch betrachtet. Wir seien nicht seriös, gingen schnell pleite und hätten Zielgruppen, die sie nicht in ihren Immobilien haben wollten, hieß es oft. Doch all das hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Die Anlagen sind mittlerweile gern geehene Frequenzbringer, um Bewegung in gemischt genutzte Immobilien zu bringen. In der Immobilienbranche ist häufig die Rede von sogenannten Assetklassen, also Assetklasse Büro, Hotel und in der Pandemie haben wir auch die Assetklasse Lagerimmobilien kennengelernt. Als neue Assetklasse sollten wir der Immobilienbranche „Fitness“ näherbringen.
Momentan haben wir – und ich spreche ja auch als Clubbetreiber – eine sehr herausfordernde Situation im Dialog mit unseren Vermietern und Immobilieneigentümern, weil wir seit einigen Monaten geschlossen haben und auch in der Bonitätsbeurteilung der Banken im Rating gesunken sind. Aber wenn wir den Blick in die kommenden Jahre richten, dann bin ich überzeugt,dass die Themen „Gesundheit“, „Fitness“ und „Prävention“ an Bedeutung und Zulauf gewinnen und die Betreiber dann auch als ernst zu nehmende Anbieter wahrgenommen werden.
body LIFE: Wie sieht der Club bzw. die Immobilie der Zukunft aus?
Jörg Hidding: Die Zukunft ist vielschichtig. Wir haben mittlerweile verschiedene Clubmodelle – von den Microstudios mit 100 m², gemischten Anlagen, Medical Studios bis hin zu großen Discountern und Flagshipstudios mit bis zu 8 000 m². Meiner Ansicht nach müssen wir in Zukunft die Begrifflichkeit in unserer Außendarstellung anpassen und uns von dem Namen „Studio“ verabschieden. „Studio“ bedeutet immer klein und vielleicht auch amateurhaft; man assoziiert uns mit Nagel- und Kosmetikstudios – aus dieser Ecke müssen wir raus. Besser wir reden von Fitnessanlagen, Gesundheitszeitzentren und auch Sport- und Freizeitanlagen. Wie dann letztendlich eine solche Anlage der Zukunft aussieht, hängt maßgeblich mit dem Mikrostandort in einer Stadt zusammen. Beispiel Fitness in Einkaufszentren: Wir arbeiten mit einigen Immobilienentwicklern zusammen; einer davon hat sich auf die Revitalisierung von Einkaufszentren in Städten mit 20 000 bis 40 0000 Einwohnern spezialisiert. Hier zeigt sich, dass die bisherigen Ankermieter, u. a. Textilfilialisten, vom Markt verschwunden und pleite gegangen sind. Die frei gewordenen Flächen von bis zu 3 000 m² werden dann gerne mit Fitnessangeboten als die neuen Frequenzbringer genutzt. Ich glaube, in Zukunft wird der Mix wichtig sein. Der Einzelhandel wird in den Städten zurückgehen. Wir brauchen lebendige Konzepte und dazu gehören die Themen „Fitness“ – indoor wie outdoor, „Bewegung“ und „Gamification“. Aber auch Stadtteilclubs und Anlagen auf dem Land werden an Nachfrage gewinnen; auch das ist eine immobilienwirtschaftliche Betrachtung.
body LIFE: Welchen Nutzen ziehen Clubbetreiber aus der Kooperation mit der Immobilienwirtschaft?
Jörg Hidding: Als expandierende Fitnesskette habe ich strategische Partner – seien es Geräte-/Softwarehersteller oder Bildungsanbieter –, aber es werden natürlich auch Vermietungs-/ Flächenpartner benötigt. Auf der anderen Seite haben Ketten in den vergangenen Jahren auch Finanzierungsrunden von Kapitalgebern erfahren, die sich damit ein weiteres Standbein aufgebaut haben. Bis auf das Kapital konnte die Fitnessbranche aus solchen Kooperationen aber weitgehend noch keinen anderen strategischen Nutzen ziehen. Bei Immobilieninvestoren sieht das anders aus: Sie haben Ahnung von den Immobilien können diese entwickeln, können die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, kennen sich mit Mietverträgen aus und kommen häufig frühzeitig an neue Projekte ran. Ich glaube, das kann in Zukunft eine absolute Win-win-Situation sein. Und ich bin davon überzeugt, dass wir mehr Immobilieninvestoren sehen, die in die Fitnessbranche investieren werden.
body LIFE: Aufgrund dieser zukünftigen Win-win-Situation haben Sie den „FITNESS REAL ESTATE + INVESTMENT SUMMIT“ ins Leben gerufen. Was haben Sie genau geplant?
Jörg Hidding: Clubbetreiber, egal welcher Art, können sich dort umfassend über die Entwicklungen in den Immobilienmärkten informieren. Fragen wie: „Wie werden Immobilien lebendiger?“, „Wie werden Flächen konvertiert?“, „Was ist wichtig für meinen Fitnessclub?“, werden dort thematisiert. Wir blicken u. a. auf die Mietverträge wie diese optimiert werden können und wie Mietverträge verhandelt werden. Speaker aus dem Immobilienbereich stellen aber auch neue Konzepte vor, zeigen Chancen zur Positionierung auf, sprechen über Möglichkeiten zur Überarbeitung von bestehenden Konzepten, um die Attraktivität zu steigern, und wie bei einer möglichen (Flächen-)Expansion mit den Immobilieneigentümern genau verhandelt wird.
body LIFE: Können Sie uns schon Details zum Programm nennen?
Jörg Hidding: Wir haben den „FITNESS REAL ESTATE + INVESTMENT SUMMIT“ in ein 1,5-Tages-Format gesplittet. Am ersten Tag werden Kongressinhalte von Speakern aus der Immobilienbranche vermittelt: Wir stellen Best-Practice-Modelle vor, also das synergetische Zusammenspiel von Investor und Clubbetreiber. Darüber hinaus werden auch Speaker aus der Fitnessbranche auftreten, die schon mit Immobilieninvestoren zusammengearbeitet haben. Wir werden den Verkaufsprozess von Fitnessclubs und Ketten thematisieren und einen Workshop für Einzelbetreiber anbieten, die ihren Club verkaufen möchten. Zum Abschluss des ersten Tages wird es noch ein auf Einladung basierendes hochkarätiges Networking-Dinner geben. Am zweiten Tag ist ein Hosted- Buyer-Event geplant, bei dem wir die Immobilienwirtschaft mit der Fitnessbranche per Matchmaking zusammenbringen möchten.
Unser Anliegen ist, dass durch den SUMMIT, das Treffen und den offenen Dialog von Club-/Kettenbetreibern und Investoren und Akteuren aus der Immobilienbranche unsere Branche eine andere Außendarstellung bekommt und wir als ernst zu nehmende Branche wahrgenommen werden bei Immobilienprojekten der Zukunft.
Foto: Jörg Hidding