Autoimmun- Erkrankungen
Ursachen und Beispiele
Normalerweise besteht die Aufgabe des Immunsystems darin, Krankheitserreger und entartete Zellen zu bekämpfen. Läuft das Immunsystem allerdings aus dem Ruder, richtet es sich gegen die eigenen Körperzellen. So können Autoimmunerkrankungen entstehen. Zu ihnen zählen beispielsweise Diabetes Typ 1, Multiple Sklerose, Lupus erythematodes und Hashimoto-Thyreoiditis.
Bei einer Autoimmunerkrankung handelt es sich um eine Fehlsteuerung des Immunsystems. Angriffspunkte sind dabei Zellen oder Gewebe1. Das Immunsystem hält diese für Eindringlinge und greift sie an. Es bildet dazu Antikörper, die sich gegen die körpereigenen Zellen richten – Experten bezeichnen diese auch als „Autoantikörper“.
Zwei Formen
Es gibt zwei Formen von Autoimmunerkrankungen:
- die organspezifische Autoimmunerkrankung; sie betrifft nur ein bestimmtes Organ oder Organsystem im Körper – zum Beispiel die Bauchspeicheldrüse, den Verdauungstrakt oder die Schilddrüse, und
- die nicht organspezifische oder systemische Autoimmunerkrankung; hier sind verschiedene Organe und Gewebe betroffen.
Was genau eine Autoimmunreaktion auslöst, ist nicht abschließend geklärt. Teilweise kommt es zu einer Kreuzreaktion, ausgelöst durch Bakterien oder Viren. Oftmals sind die Betroffenen genetisch vorbelastet1. Eine genetische Veranlagung bedeutet aber nicht, dass die Krankheit auch tatsächlich ausbricht. Neben der Genetik spielen hormonelle Schwankungen, Umweltschadstoffe und der persönliche Lebensstil eine Rolle.
Im Folgenden werden vier Autoimmunerkrankungen beschrieben.
Diabetes Typ 1
Bei einem Typ-1-Diabetes zerstört das Immunsystem die insulinproduzierenden Zellen, die sogenannten Betazellen, der Bauchspeicheldrüse. Insulin wird benötigt, um Zucker aus der Nahrung aufzunehmen. Fehlt das Insulin, steigt der Blutzuckerspiegel.
Was genau einen Typ-1-Diabetes auslöst, ist nicht bekannt. Experten gehen von einer genetischen Veranlagung aus, vermutet werden auch Umwelteinflüsse in der frühen Kindheit. Viruserkrankungen in den ersten Lebensjahren scheinen das Risiko für einen späteren Ausbruch eines Typ-1-Diabetes zu erhöhen. Diskutiert werden zudem das Darmmikrobiom und die Ernährung von Säuglingen sowie ein Vitamin-D-Mangel.
Antikörper gegen Betazellen oder Insulin lassen sich bereits Jahre vor dem Ausbruch des Diabetes im Blut nachweisen. Rund fünf Prozent der Typ-1-Diabetiker weisen jedoch gar keine Autoantikörper auf. Mediziner bezeichnen das als „Antikörper-negativen Typ-1-Diabetes“.
Frühe Symptome eines Typ-1-Diabetes sind ständiges Durstgefühl, häufiges Wasserlassen, übermäßige Müdigkeit und Gewichtsverlust.
Multiple Sklerose
Weltweit leben rund 2,8 Millionen Menschen mit Multipler Sklerose (MS). Im Zuge dieser Erkrankung, die auch als „Krankheit mit 1000 Gesichtern“ bezeichnet wird, greift das Immunsystem die Nervenzellen an und schädigt diese. Infolgedessen kommt es zu motorischen Störungen wie Lähmungen und Sehstörungen. Auch Sensibilitätsstörungen der Haut, die sich in Form eines Kribbelns, Missempfindens oder Taubheitsgefühls bemerkbar machen, treten häufig auf. Im Verlauf sind die Lähmungserscheinungen oftmals mit einem Gefühl von Steifigkeit verbunden. Manche Beschwerden sind eher unspezifisch, dazu gehören Erschöpfbarkeit, kognitive Störungen, Einschränkungen der Aufmerksamkeit, der Merkfähigkeit und der Konzentration, depressive Verstimmungen und Depressionen, Schmerzen, Schwindel sowie sexuelle Funktionsstörungen. Die Therapie der MS zielt darauf ab, akute Entzündungsreaktionen eines Schubes zu hemmen und das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten. Darüber hinaus gilt es, die beschwerdefreie/- arme Zeit zu verlängern, Symptome zu lindern und potenziellen Komplikationen vorzubeugen.
Lupus erythematodes
Es gibt zwei Hauptformen des Lupus erythematodes: die kutane Form (CLE), die sich nur auf der Haut bemerkbar macht, und die systemische Form (SLE), die zusätzlich innere Organe wie Blutgefäße, Lunge, Herz und Nieren betrifft.
Der SLE verläuft in Schüben, ist meist chronisch und gehört zu den Bindegewebserkrankungen. Frauen sind etwa zehnmal häufiger betroffen als Männer. Symptome sind Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Leistungsabfall, Fieber, Gewichtsverlust und geschwollene Lymphknoten. Je nach betroffenem Organ kommen weitere Beschwerden hinzu: geschwollene Gelenke und Schmerzen, Muskelentzündungen, Nierenentzündungen, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen sowie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen.
Als Ursachen werden mehrere Faktoren diskutiert, darunter auch genetische Veränderungen. Faktoren, die einen bestehenden Schub verschlimmern können, sind Infektionen, intensive Sonneneinstrahlung, extremer Klimawechsel, extreme psychische Belastung und hormonelle Umstellungen. Die Therapie besteht aus nichtsteroidalen Antirheumatika, Anti-Malaria-Mitteln, Glukokortikoiden und Immunsuppressiva. Begleitend können Kälteanwendungen bei geschwollenen Gelenken, Atemtherapie bei Atembeschwerden, blutverdünnende Medikamente bei Neigung zu Blutgerinnseln, psychologische Therapien und Impfungen zum Einsatz kommen. Je früher die Erkrankung behandelt wird, desto besser kann man den Verlauf beeinflussen. Die Lebenserwartung ist meist normal.
Hashimoto-Thyreoiditis
Bei der Hashimoto-Thyreoiditis attackiert das Immunsystem die körpereigenen Schilddrüsenzellen. Folglich ist die Schilddrüse kontinuierlich entzündet und verliert nach und nach ihre Funktionstüchtigkeit. Das Organ bildet sich zurück und produziert nicht mehr genügend Hormone. Es entsteht eine Unterfunktion der Schilddrüse.
Die Symptome sind unspezifisch und umfassen Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Traurigkeit oder Gewichtszunahme. Die Einnahme von Schilddrüsenhormonen verbessert häufig die Beschwerden. Zu Beginn der Erkrankung kann es zunächst zu einer Schilddrüsenüberfunktion kommen, die unter anderem mit Schwitzen, Herzrasen, hohem Blutdruck, Gewichtsabnahme, Durchfall und gesteigerter Angst einhergehen kann.
Neben Schilddrüsenhormonen kann die Einnahme von Selen (entzündungshemmend), Vitamin D und Zink sinnvoll sein. Außerdem ist es ratsam, auf eine ausreichende Versorgung mit Eisen, Magnesium, Vitamin C, Vitamin E und den Vitamin-B-Komplexen zu achten.
Dr. Miriam Sonnet
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