Expertentalk: Functional Training
Der body LIFE-Expertentalk im Rahmen des Expertenforums fand zum ersten Mal online statt, was jedoch die Hochkarätigkeit der Veranstaltung keineswegs negativ beeinflusste. In einer spannenden Diskussion berichteten die Functional-Training-Experten über ihre eigenen Erfahrungen während der Coronapandemie und gaben wertvolle Tipps, wie Functional Training sinnvoll in ein Studio integriert werden kann. Gleichzeitig konnten die Zuschauer Fragen stellen, was auch rege getan wurde.
Max Fischer: Wie habt ihr die zurückliegenden Monate erlebt? Welche Lehren habt ihr daraus gezogen?
Daniel Haymann: Für uns war das ein Schlag ins Gesicht, neun Studios zu schließen. (…) Meiner Ansicht nach müssen wir als Betreiber, Industrie und Trainer mehr Aufklärungsarbeit betreiben, weil die Politik nicht weiß, für was wir eigentlich stehen. (…) Gerade auch beim Thema „Fortbildungen“ schafft es die Branche nicht, eine Einheit zu fahren. Ich habe schon mehr als 20 Functional-Trainer-Ausbildungen erlebt und jede wird anders abgehalten (…). Unsere Studios sind mittlerweile wieder geöffnet, aber es kommen weniger Mitglieder ins Studio, weil viele noch Angst haben (…). Wir sind viel mit Aufklärungsarbeit beschäftigt, aber es wird nicht einfach und es braucht Zeit, den ganzen Schaden zu überstehen.
Denis Busch: Auch ich musste mein Studio schließen. Das war erst mal ein Schockmoment, aber danach stand das Telefon nicht mehr still, weil in der Beratung viel aufgelaufen ist (…). Wir haben uns mit First-Aid-Plänen beschäftigt, mit Liquiditätsplanungen, mit Marketing-Tools und Finanzierungshilfen, also mit Themen, die nicht alltäglich sind.
Max Fischer: Welche Auswirkungen hat die Coronapandemie auf das Functional Training?
Niko Romm: Das Online-Training hat sich sehr etabliert. (…) Functional Training ist das Tool, das wir brauchen, um mit den Kunden zu Hause ein Training durchführen zu können. Hier sind wir wieder beim Thema „Ausbildung“: Je besser meine Education ist, desto eher bin ich trotz allem in der Lage, ein qualitativ hochwertiges Training durchzuführen. Allein letzte Woche hatte ich 14 Termine, die ich online durchgeführt habe – im Vergleich zu null Terminen vor der Pandemie. (…) Daraus ergibt sich eine andere Konkurrenzsituation, denn theoretisch kann jetzt jeder Trainer ein Konkurrent sein, weil man losgelöst von Räumlichkeiten ist. Das bringt auch neue Herausforderungen für Trainer: Man muss wesentlich genauer coachen – allein über die Sprache und über die Tools, die ich nutze –, damit der Kunde versteht, was ich von ihm möchte.
Max Fischer: Sascha, neben deiner Funktion bei Technogym bist du auch als Personal Trainer tätig. Was hat sich für Trainer geändert?
Sascha Linz: Zunächst muss auf die länderspezifischen Vorgaben geachtet werden (…). In vielen Bundesländern besteht noch das Kontaktverbot – „Hands-on“ ist also gar nicht möglich. Ich bin der Meinung, dass man das auch zu einhundert Prozent vermeiden sollte, denn wir sind immer noch in der Krise. Deshalb ist es entscheidend, die länderspezifischen Vorgaben einzuhalten – sei es der Mindestabstand, sei es das gründliche Desinfizieren des Equipments. Gerade als Personal Trainer hat man eine Vorbildfunktion.
Max Fischer: Wie können wir die Kunden so informieren, dass sie den Wert der Ausbildung der Trainer anerkennen und nicht in das nächste Studio gehen, weil es da viel Equipment gibt?
Daniel Haymann: Wir veranstalten z. B. einen „Functional-Tag“, der gleichzeitig über unsere Social-Media-Kanäle gestreamt wird. An diesem Tag findet auch ein Talk mit Fachleuten statt und die Interessenten bzw. die Mitglieder können mitreden. So können wir den Mehrwert zeigen und es wird deutlich, dass wir Qualität statt Quantität bieten. Danach geht es erst in die Praxis über. (…) Zuerst vermitteln wir also das Wissen über z. B. Talks und Social Media und danach wird erst an z. B. den Towern gearbeitet.
Max Fischer: Wie kann Functional Training zum Businessmodell werden?
Stefan Liebezeit: Ein Beispiel ist Nikos bzw. mein Business – wir haben es damals aus dem Nichts gegründet. Für uns war es ein guter Einstieg, denn wir mussten nicht in Maschinen investieren, sondern höchstens in einen Tower oder in ein paar kleine Tools. Die Einstiegshürde war also sehr gering. Ein wichtiger Aspekt ist auch, sich als Unternehmer weiterzubilden, denn ein guter Trainer ist nicht gleichzeitig ein guter Unternehmer. Durch FT in Verbindung mit dem richtigen Businessmodell und den richtigen Preisen kann ich ein tragfähiges und zukunftsfähiges Business aufbauen.
Denis Busch: Ich glaube, der erste Schritt ist es, sich als Unternehmer vorzunehmen, Geld zu verdienen (…). Was aber bei aller Wirtschaftlichkeit nicht fehlen darf, ist die Leidenschaft. Man muss für diese Thematik brennen und das auch leben und vorleben. Wenn ich den Spagat zwischen der Leidenschaft und einer wirtschaftlichen Ausrichtung schaffe und mich regelmäßig unternehmerisch fortbilde, dann kann das gut funktionieren. Auch einen guten Sparringspartner an der Seite zu haben, ist hilfreich. Wir beim FT-CLUB haben viele junge Unternehmer, die noch keinerlei unternehmerische Erfahrung haben, und wir coachen von null auf mit. Wenn man dazu offen und bereit ist, dann kann man damit auch Geld verdienen. In den Ansätzen sehe ich keinen Unterschied zu den klassischen Studios. (…) Aber der Kostenansatz ist wesentlich attraktiver. Meiner Meinung nach ist Franchise ein super Einstieg und es nimmt dem Betreiber sehr viel ab. Es ist natürlich nicht die einzige Lösung, aber für uns ist Franchise die Zukunft – gerade auch für Unternehmer, die nicht nur eine, sondern mehrere Anlagen betreiben wollen.
Niko Romm: Ich finde es von der Industrieseite her sehr spannend zu sehen, dass es eben nicht mehr nur reine Equipmentverkäufer gibt, sondern auch durchaus Leute, die selbst Unternehmer sind und die jahrelange Erfahrung als Personal Trainer haben. Bei Keiser handhaben wir das nicht anders: Man kann bei uns auch konzeptionell beraten werden. Ich habe hier in der Praxis auch spannende Projekte betreut, bei denen man sich erst über das Businessmodell unterhalten hat. Und dann erst schaut man, welches Equipment interessant ist.
Sascha Linz: Gerade bei den Generalisten, die verschiedene Konzepte innerhalb eines großen Studios fahren, kann man FT als zusätzliche Einnahmequelle etablieren – je nachdem, welches Konzept man verwendet. Auch mit einem kleinen Konzept, z. B. mit einem Dreier-Portfolio, kann man FT schon gewinnbringend anbieten. Wir bieten hier komplette Lösungen an. Bei uns ist es auch vorgesehen, dass wir die Kunden Schritt für Schritt begleiten, z. B. vom Personal Trainer bis hin zur eigenen Facility. Jemand, der heute bei uns im Technogym- Trainernetzwerk ist und als Personal Trainer startet, der irgendwann aber eine eigene Lizenz auf den Markt bringen möchte, findet auch hier Möglichkeiten, dies zu tun. Wir haben im Industriebereich heute viel mehr Möglichkeiten als in der Vergangenheit.
Max Fischer: Welche Summe muss ein Betreiber für einen FT-Bereich ungefähr investieren?
Daniel Haymann: Wenn ich eine anständige Functional-Fläche auf 200 Quadratmetern haben möchte, muss ich mit 60.000 bis 70.000 Euro rechnen. (…) Preislich gibt es aber schon gewaltige Unterschiede.
Stefan Liebezeit: Was ich wirtschaftlich nicht nachvollziehen kann, ist, dass es Studios gibt, die nicht über den Tellerrand schauen. Und dann werden, nur weil es der Nachbar auch hat, Zirkeltrainings und Maschinen in den Club gestellt. Aus eigener Erfahrung kann ich aber sagen, dass die Zirkel dann oft leer stehen. Eine FT-Fläche kostet nur einen Bruchteil, aber die Menschen kommen motiviert aus dem Training. Die Fläche ist flexibel nutzbar und man kann sie sogar für Veranstaltungen nutzen. Meine Aufforderung an die Studiobesitzer wäre also: Informiert euch, holt euch einen Experten ins Studio und schaut euch verschiedene Konzepte an.
body LIFE-Expertentalk
Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Auszug aus dem Expertentalk. Den vollständigen Clip sehen Sie im virtuellen Showroom unter www.bodylife.com/magazin/virtueller-rundgang. Im virtuellen Showroom finden Sie außerdem Informationen zur Industrie und zu weiteren Events der bodyLIFE Medien GmbH.
Foto: body LIFE