Fitnesstrends 2023
Das neue, ganzheitliche Wohlbefinden
Neben Trends, die sich bereits letztes Jahr anbahnten und weiterentwickelt haben, lassen sich auf dem Fitnessmarkt auch ganz neue Trends ausmachen. Luise Walther stellt sie vor.
Als ich 2016 meine erste Bandscheibenoperation hatte, fiel ich in die Lücke zwischen medizinischer Grundversorgung und eigenständigem Training. Es gab noch nicht viele Angebote, die es mir als Operierter erlaubten, mein altes Fitnesslevel wieder zu erreichen. Seitdem ist viel passiert, nicht nur bei mir, sondern in der gesamten Branche. Der erste und zweite Gesundheitsmarkt rücken immer näher zusammen und neue Technologien beschleunigen den Fortschritt. Was vor ein paar Jahren noch undenkbar war, gehört mittlerweile zum Alltag. Was sich an der Schnittstelle von Medizin und Fitness aktuell alles entwickelt, ist faszinierend.
Selbstoptimierung ist out
Auch durch die Coronapandemie hat sich bei vielen Kunden der Fokus von reiner Fitness hin zu ganzheitlichem Wohlbefinden verschoben. Gesundheit hat gesamtgesellschaftlich an Bedeutung gewonnen. Die Trends gehen weg von reiner Selbstoptimierung – hin zu einem holistischen Verständnis und Erleben von Gesundheit und Wohlbefinden. Ganzheitliches Wohlbefinden an sich scheint ein neuer Trend zu sein – physische, mentale und soziale Gesundheit werden immer mehr zusammengedacht und angesprochen. Die sich daraus ergebenden neuen Modelle und Potenziale schaffen gleichzeitig neue Herausforderungen. Werfen wir einen Blick auf Trends, die ich in den letzten Wochen und Monaten erlebt habe und die meiner Meinung nach viel Potenzial haben.
Individualisierung auf höchstem Level
Vom Messen personalisierter Gesundheitsdaten mittels Wearables über Bewegungsanalysen durch Motion Tracking und Computer Vision bis hin zu individuellen Trainingsplänen, die über Trainingsalgorithmen berechnet werden: Noch nie war der Grad der Individualisierung so hoch und gleichzeitig einer so breiten Masse zugänglich.
Hybride Modelle
Während am Anfang der Pandemie alle glaubten, das Onlinetraining würde analoge Angebote überflüssig machen, zeigt sich, dass die Wahrheit in der Mitte liegt. Hybride Modelle, die die Vorteile beider Welten kombinieren, scheinen die Zukunft zu sein. Immer und überall trainieren zu können und auf Wunsch vor Ort realen Support zu erhalten, scheint das zu sein, was sich die meisten Kunden wünschen.
Regeneration, Entspannung und Achtsamkeit
Wurde man früher noch belächelt, wenn man von „Regenerationstraining“ sprach, geht der Fokus heute eindeutig auf die dynamische Balance aus Anund Entspannung. In einer vermeintlich immer schneller und lauter werdenden Welt ist die Sehnsucht nach Ruhe und Entspannung stark gewachsen. Durch das Tracken von Daten ist auch die Optimierung des Schlafs auf einem ganz neuen Niveau. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse schärfen die Bedeutung dieses Parameters auch im Hinblick auf neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Demenz. Der Spruch „No Pain, no gain“ gehört endlich der Vergangenheit an. Der Fokus richtet sich auf Achtsamkeit und Selbstwirksamkeit. Auch bedingt durch die alternde Gesellschaft mit zunehmenden Krankheitsbildern orientieren sich viele Angebote immer mehr am Empowerment der Mitglieder, also an ihrer Fähigkeit, ihre eigene Gesundheitskompetenz auszubauen.
Neue Zielgruppen
Gerade auf internationaler Ebene geht es nicht mehr nur um die gut verdienende Mittelschicht, im Gegenteil: Bisher unterversorgte Zielgruppen erhalten über technischen Fortschritt Zugang zu Fitnesstraining und bilden Communitys; so rücken beispielsweise Senioren immer mehr in den Mittelpunkt. Statt sich nur auf die schon bestehende Kundschaft zu fokussieren und gleichzeitig Kosten zu optimieren, werden diversere Zielgruppen und Themen angesprochen. Von Sexual Wellness über Trainingsmöglichkeiten bei Beschwerden in den Wechseljahren bis zum Training während der Menstruation werden Angebote vielseitiger.
Gamification und Wearables
Spiel, Spaß und Spannung darf gerade beim Thema „Fitness und Wohlbefinden“ nicht fehlen. Vom Aufstieg in neue Levels über die Verbindung von Ballsportarten und Augmented Reality bis hin zu Wettkämpfen im Metaverse: Fitness und Wohlbefinden werden mit Videospielen motivierender und spielerischer. Financial Wellbeing ist ein neuer Trend in die Fitnessindustrie. Über Gamification kann man sich Prämien oder direkt Kryptowährung durch körperliche Betätigungen erwirtschaften.
Smarte Technologien halten Einzug auf unterschiedlichsten Ebenen. Schnittstellen zu integrierten Daten aus dem Smartphone werden erweitert und ermöglichen detaillierte Daten über gesundheitsrelevante Parameter. Was vor Jahrzehnten mit Schrittzählern anfing, geht heute über Blutzucker- und Blutsauerstoffmessung bis hin zum Schlaftracking.
Algorithmen und künstliche Intelligenz
Der technische Fortschritt erlaubt immer mehr komplexere Technologien, wenn zurzeit auch oftmals eher eine Marketingphrase als tatsächliche KI: Machine Learning und Data Science erlauben es,Trainingsalgorithmen, Interventionsempfehlungen und Bewegungskorrekturen auf der Grundlage von Messdaten und Algorithmen immer weiter zu verbessern.
Bei all den Potenzialen der Technisierung dürfen benachteiligte Gruppen nicht vergessen werden. Je nach finanzieller, struktureller, sozioökonomischer und sozialer Voraussetzung muss der Zugang fair und niedrigschwellig gewährt werden.
Erschließung neuer Räume und Ökosysteme
Klassische Fitness-Locations erweitern ihr Angebot, indem sie andere Freizeiteinrichtungen wie Schwimmbäder und Wellness-Boutique-Studios ebenso wie öffentliche Räume (Fitness im Park) einbinden und sie schaffen vermehrt digitale Schnittstellen zu anderen Angeboten und Dienstleistern.
Ausblick
Die Masse an Daten, die zukünftig anfallen wird, gilt es zielführend zu interpretieren und für die Kunden so zugänglich zu machen, dass ein Mehrwert entsteht. Nur Daten, die auch verständlich gemacht werden, können zukünftig Entscheidungen bezüglich des Trainings verbessern. Dabei sind der Nutzen für den Kunden und die Kundenzufriedenheit immer im Blick zu behalten.
Luise Walther
Luise Walther
ist Expertin im Bereich neurozentriertes Training. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Individualisierung und Professionalisierung von Trainingsprozessen, um Schmerzen zu reduzieren und Bewegungsabläufe zu optimieren. Die Spezialistin für Rehabilitation, Verletzungsprophylaxe und Performance-Steigerung stellt die ganzheitliche Betrachtung der körperlichen Leistungsfähigkeit in den Vordergrund. Die zentrale Grundlage ihrer neuroathletischen Arbeit ist die Erkenntnis, dass Schmerzen im Gehirn entstehen.
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