Für ein starkes Knochengerüst
Individuelle Trainingsplanung bei Osteoporose
Knochen sind lebendige, gut durchblutete Organe aus verschiedenen Geweben. Durch ihren inneren Aufbau sind Knochen stabil und gleichzeitig so elastisch, dass sie Druck und Zug, leichter Biegung und Drehung standhalten. Sie lassen sich trainieren und gezielt stärken, was wiederum einer Osteoporose vorbeugen und schon bestehenden Knochenschwund lindern kann. Welche Trainingsarten eignen sich besonders für Betroffene und was müssen Trainer bei der Trainingsplanung beachten?
Ein individuelles Fitnesstraining kann besonders in der Prävention von Osteoporose, aber auch nach abgeschlossenen therapeutischen Rehabilitationsmaßnahmen im späteren Therapieverlauf eine bedeutsame Rolle einnehmen. Denn durch die verschiedenen osteoanabolen (den Knochenaufbau unterstützenden) Trainingsreize auf die Knochenstruktur und das neuromuskuläre System kann die Knochendichte zielführend erhöht und das Sturz- und Frakturrisiko signifikant reduziert werden. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass das körperliche Training neben der Ernährung und der medikamentösen Therapie eine wesentliche Säule der Osteoporose-Behandlung darstellt.
Krankheitsbild Osteoporose
Nach der Definition des Dachverbandes Osteologie ist die Osteoporose eine systematische Skeletterkrankung, die durch eine niedrige Knochenmasse und eine Störung der Mikroarchitektur des Knochengewebes gekennzeichnet ist. Klinisch zeigt sich dies durch einen Anstieg der Knochenbrüche aufgrund des erhöhten Frakturrisikos auch nach Bagatelltraumen. In Deutschland sind derzeit über 6 Millionen Menschen – überwiegend Frauen (80 Prozent) nach der Menopause – von Osteoporose betroffen. Die Osteoporose-bedingten Knochenbrüche treten dabei vermehrt am Oberschenkelhals, am Handgelenk, am Oberarm und an den Wirbelkörpern auf.
Knochenstoffwechsel
Der Knochen ist ein hochdynamisches und anpassungsfähiges Gewebe, das zu 30 Prozent aus organischer Knochensubstanz und zu 70 Prozent aus Mineralstoffen und Wasser besteht. Der Knochenstoffwechsel der ab- und aufbauenden Knochenzellen wird über mechanische, genetische und hormonelle Faktoren gesteuert. Die maximale Knochenmasse (peak bone mass) lässt sich durch ein regelmäßiges gewichtsbelastendes Training gezielt erhöhen, wohingegen die Schwerelosigkeit zum Abbau der Knochenmasse führt. Die Knochenmasse steigt etwa bis zum 30. Lebensjahr an und erreicht dort ihren Höchstwert. Je höher dieser Wert, desto geringer das Risiko, später an einer Osteoporose zu erkranken, da die Knochenmasse der Betroffenen dann nicht unter einen kritischen Schwellenwert absinken kann. Die Beurteilung der Knochendichte als Frakturrisikofaktor wird mithilfe einer Knochendichte-Messung (DXA) vorgenommen. Der statistische Normwert der Knochendichte orientiert sich dabei an gesunden prämenopausalen Frauen. In dieser Phase vor der Menopause verfügt der Körper noch reichlich über das Hormon Östrogen, das den Knochenabbau hemmt und den Körper somit vor einer Osteoporose schützt. Eine Osteoporose wird diagnostiziert, wenn der gemessene Wert mehr als 2,5 unterhalb dieses Normwerts liegt.
Risikofaktoren
Folgende Risikofaktoren können eine Osteoporose begünstigen:
- Genetische Disposition, Geschlecht, Alter
- Bewegungsmangel
- Vitamin-D-Mangel
- Calcium-Mangel
- Östrogenmangel
- Medikamente
- Untergewicht
- Genussmittel
- Spezielle Grunderkrankungen
Trainingsplanung in der Prävention
Präventive Fitnessprogramme zur Vorbeugung einer Osteoporose sollten unbedingt in die Angebotsliste der Fitness- und Gesundheitsstudios mit aufgenommen werden, da sich hier osteoanabole Trainingsinhalte mit „gesunden“ Trainierenden einfacher umsetzen lassen. Krankheitsbedingte Risiken wie ein erhöhtes Sturz- oder Frakturrisiko liegen noch nicht vor. Der Grundstein für einen gesunden Knochen sollte eigentlich schon im Kindesalter gelegt werden, sonst aber spätestens bis zum 30. Lebensjahr. Vor Trainingsbeginn sollte unbedingt eine sportärztliche Untersuchung erfolgen, um sicherzugehen, dass keine unerkannte Osteoporose oder sonstigen Erkrankungen vorliegen, die sonst natürlich auch in der Trainingsplanung berücksichtigt werden müssten. Liegen keine Osteoporose-bedingten Einschränkungen oder andere Erkrankungen vor, kann ein „normaler“, ganzheitlich ausgerichteter Trainingsplan unter Berücksichtigung der trainingswissenschaftlichen und methodisch-didaktischen Grundprinzipien und des aktuellen Gesundheitsund Trainingszustands des Trainierenden erstellt werden. Dabei müssen die Trainingsintensität und die Übungsauswahl immer individuell und progressiv an die veränderte Leistungsfähigkeit des Trainierenden angepasst werden, um ihn kontinuierlich an höhere Belastungsreize heranzuführen. Ergänzend zu den osteoanabolen Trainingsinhalten sollten in einem präventiven Trainingsplan auch Übungen zur Verbesserung der sensomotorischen Fähigkeiten, der Beweglichkeit und der Ausdauerleistungsfähigkeit enthalten sein.
Folgende osteoanabole Trainingsinhalte kommen für einen präventiven Trainingsplan infrage:
- Muskelzug: Muskelzüge bewirken hohe Druck-, Biege- und Scherbeanspruchungen auf die Knochenstruktur, die osteoanabole Prozesse aktivieren und zu einem Aufbau der Knochendichte führen. Aufgrund der hohen mechanischen Belastung bei einem Muskelaufbautraining (60 bis 80 Prozent des 1-RM) durch die intern wirkenden Kräfte reagieren die Knochenzellen mit Um- und Aufbauprozessen, wodurch die Knochenfestigkeit mittelfristig erhöht wird. Natürlich müssen Einsteiger langsam an höhere Trainingsintensitäten herangeführt werden. Deshalb sollte zuvor ein individuelles und progressives Kraftausdauertraining durchgeführt werden, weil auch schon bei geringeren Trainingsintensitäten osteoanabole Prozesse feststellbar sind und somit unnötige trainingsbedingte Überlastungen durch zu hohe Trainingsintensitäten vermieden werden können.
- Axiale Belastungen: Axiale Belastungen wie z. B. Sprünge führen aufgrund der sehr hohen Belastungsspitzen unter dem Einfluss der Schwerkraft und der resultierenden Bodenreaktionskräfte zu Kompressions- und Biegebelastungen innerhalb der Knochenstruktur und somit zu einer Verbesserung der Knochenfestigkeit. Beim Laufen dagegen wirken nicht ganz so hohe axiale Kräfte wie bei Sprüngen, jedoch konnten auch hier knochenstimulierende Effekte festgestellt werden, die mit steigender Laufgeschwindigkeit zunehmen. Für die meisten Einsteiger sind Sprünge und Laufen aber zunächst einmal ungeeignet, da aufgrund der fehlenden muskulären und technischen Voraussetzungen das Verletzungsrisiko unnötig ansteigen würde. Deshalb sollten Einsteiger zu Beginn langsam mit anderen Aktivitäten wie Walking, Power Walking, Slow Jogging, Aerobic oder Step-Aerobic an höhere Belastungsintensitäten herangeführt werden, um die Knochendichte kontinuierlich und zielführend zu erhöhen.
- Spielsportarten: In Spielsportarten kommt es zu ständigen Wechseln zwischen Antritten, Stopps und Richtungswechseln, wodurch knochenaufbauende zelluläre Prozesse aktiviert werden. Besonders für Kinder und Jugendliche ist das spielerische Training bei den verschiedensten Spielsportarten zu empfehlen, weil die Motivation zum Sporttreiben aufgrund des Spielgedankens sehr hoch ist und bleibt.
- „Gewichtsneutrale Belastungen“: Aufgrund des Fehlens der axialen Belastung haben Radfahren und Schwimmen nur einen geringen Einfluss auf die maximale Knochenmasse, da hier die Reizschwelle für die knochenstimulierenden Prozesse nur selten erreicht werden kann.
Trainingsplanung in der Therapie
Die Trainingsplanung muss nach ärztlicher Rücksprache von einem erfahrenen und therapeutisch geschulten Trainer durchgeführt werden, da ein erhöhtes Frakturrisiko aufgrund der geringeren Knochendichte besteht und der Knochen durchaus schon bei sehr einfachen Übungen mit geringen Intensitäten brechen kann. Das individuelle und progressive Training muss langfristig geplant werden;die Übungsauswahl und die Belastungsnormative müssen sich am Stadium der Osteoporose und am aktuellen Gesundheitszustand des Trainierenden orientieren, um das trainingsbedingte Sturz- und Frakturrisiko zu minimieren.
- Primäre Trainingsziele: 1. Aufbau bzw. Erhalt der Knochenmasse und Knochenfestigkeit, 2. Sturzprophylaxe und Senkung des Frakturrisikos.
- Sekundäre Trainingsziele: 1. Reduktion der Sturzangst, 2. Schmerzreduktion, 3. Verbesserung der Lebensqualität, Alltagsmotorik und Beweglichkeit.
- Knochendichtemessung: Vor Trainingsbeginn muss eine ärztliche Untersuchung stattgefunden haben und die Knochendichte mittels einer DXA-Untersuchung bestimmt worden sein. Der gemessene Wert und der individuelle Gesundheits- und Trainingszustand des Trainierenden bestimmen die Trainingsinhalte, -methoden und -intensität der einzelnen Übungen.
Ganzheitlicher Trainingsplan
Der optimale Trainingsplan sollte sich aus den folgenden Schwerpunkten zusammensetzen:
1. Aufwärmen. Jedes Training sollte mit einem Aufwärmen von zehn Minuten mit individueller Herzfrequenzvorgabe beginnen, um den Organismus physisch und mental auf das bevorstehende Training vorzubereiten. Für Einsteiger eignet sich das Laufband sehr gut, bei Trainierenden mit Sturzangst sollte zunächst das Fahrrad benutzt werden.
2. Mobilisation. Aufgrund der defizitären Mobilität im Schultergürtelbereich bei Osteoporose-Patienten sollte entweder ein leichtes Mobilisationstraining über fünf Minuten am Armergometer mit geringem Widerstand oder allgemeine Mobilisationsübungen wie alternierendes Schulterkreisen durchgeführt werden.
3. Sensomotorisches Training und Gleichgewichtstraining. Die Sturzprophylaxe und die Reduktion der Sturzangst sind neben der Verbesserung der Knochenfestigkeit das wichtigste Trainingsziel, da mit zunehmender Osteoporose die Sturzhäufigkeit ansteigt und dies zu einem Anstieg der sturzbedingten Frakturen führt. Das sensomotorische Training sollte ein Gleichgewichtstraining und eine Gangschulung unter Berücksichtigung der methodisch- didaktischen Grundprinzipien beinhalten, z. B. vom Leichten zum Schweren auf verschiedenen instabilen Untergründen (Bosu-Ball, Therapiekreisel, Airex-Kissen, Aero-Step, Pezziball, Posturomed, Wackelbretter), damit die Trainierenden körperlich, aber auch mental ihre Bewegungssicherheit verbessern und das Sturzrisiko effektiv senken können.
4. Krafttraining. Die Verbesserung der Knochenfestigkeit und die der Körperhaltung sind primäre Ziele des Krafttrainings, da sehr viele Patienten eine häufig feststellbare kyphotische Fehlhaltung aufweisen. Aufgrund der einfachen Handhabung und Dosierung bieten sich Krafttrainingsgeräte für ein gezieltes therapeutisches Training an. Rückenstrecker, Bauchpresse, Butterfly Reverse, Lat- oder Ruderzug, Abduktoren- und Beinpresse sind typische Einsteigergeräte. Die Trainingsintensität und die Krafttrainingsübungen richten sich nach dem Schweregrad der Osteoporose anhand der gemessenen Knochendichte. Natürlich darf nicht direkt mit den höheren Intensitäten trainiert werden; Trainer sollten sich an Werten orientieren, die nach einer progressiven Trainingsplanung individuell erreicht werden können.
5. Ausdauer. Das Ausdauertraining muss auch an den Schweregrad der Osteoporose angepasst werden. Regelmäßiges Fahrradfahren (Schweregrad 2–3) und Walken (Schweregrad 0–2) verbessern nicht nur die Ausdauerleistungsfähigkeit und reduzieren die kardiovaskulären Risikofaktoren, sondern auch die Gangsicherheit und dadurch das Sturz- und Frakturrisiko. Ein begleitendes Walkingprogramm mit individueller Herzfrequenzvorgabe von mindestens 15 Minuten sollte daher mit in den Trainingsplan aufgenommen werden und die Trainingsdauer regelmäßig an den Trainingszustand angepasst werden. Natürlich kann alternativ z. B. auch ein Aerobicoder Step-Aerobic-Kurs besucht werden.
6. Dehnen. Nach dem Ausdauertraining sollte abschließend die beanspruchte Beinmuskulatur, aber auch die Brust- und die Rückenmuskulatur gezielt gedehnt werden, um sowohl die Beweglichkeit als auch die Körperwahrnehmung der Trainierenden zu verbessern.
Trainingsempfehlungen
- Schweregrad 0: Bei einer Osteopenie liegt eine verminderte Knochendichte ohne vorherige Frakturen vor (Knochendichte zwischen -1,0 und -2,5 SD); sie ist eine Vorstufe der Osteoporose. In diesem Stadium kann möglicherweise noch mit höheren Intensitäten (bis zu 80 Prozent des 1-RM) ein Muskelaufbautraining durchgeführt werden
- Schweregrad 1: Bei diesem Knochendichtewert (< -2,5 SD) liegt eine Osteoporose vor, jedoch gab es bisher noch keine Frakturen. In diesem Stadium sollte zunächst ein Kraftausdauertraining (bis zu 50 Prozent des 1-RM) mit hohen Wiederholungszahlen durchgeführt und im weiteren Verlauf die Trainingsintensität (bis zu 70 Prozent des 1-RM) individuell gesteigert werden.
- Schweregrad 2 und 3: In diesem fortgeschrittenen Stadium (< -2,5 SD) sollte das Training unbedingt von therapeutisch erfahrenen Trainern in einer Einzelbetreuung und/oder in einem Therapiezentrum durchgeführt werden, da schon Frakturen vorliegen und hier eine sehr vorsichtige Trainingsplanung notwendig ist. Bei einem hohen Frakturrisiko sollte zunächst mit einem isometrischen Training begonnen werden, das später durch ein dynamisches Kraftausdauertraining mit geringeren Intensitäten (bis 50 Prozent des 1-RM) weitergeführt werden kann. Bei diesem Schweregrad sollte das Sturzprophylaxe- Training im Vordergrund stehen.
„Use it or lose it“
Kein Medikament der Welt hat einen so ganzheitlichen und positiven Einfluss auf den Aufbau bzw. Erhalt der Knochenfestigkeit und der sportmotorischen Fähigkeiten wie das körperliche Training per se. Deshalb können zielgerichtete und individuelle Trainingspläne in der Prävention und Therapie von Osteoporose durch gut ausgebildetes Trainerpersonal im Fitnessstudio dazu beitragen, dass die Ursachen und die Folgen dieser Erkrankung reduziert und somit die Lebensqualität der Betroffenen langfristig verbessert wird.
Prof. Dr. Thorsten Kreutz
Prof. Dr. Thorsten Kreutz
ist Dekan des Fachbereichs Fitness & Gesundheit an der IST-Hochschule. Er ist Sportwissenschaftler und Sporttherapeut für Orthopädie, Innere Erkrankungen und Neurologie und verfügt über eine 25-jährige praktische Berufserfahrung im Fitness- und Therapiebereich. Seine Forschungsprojekte an der IST-Hochschule befassen sich schwerpunktmäßig mit trainingswissenschaftlichen und sporttherapeutischen Fragestellungen aus dem Präventions- und Therapiebereich.
Foto: staras – stock.adobe.com