Krafttraining bei Osteoporose
Bewegung und Sport sind gut für die Knochen, denn sie können durch gezieltes Training aufgebaut werden und an Stabilität gewinnen. Genau wie ein Muskel, so muss auch ein Knochen regelmäßig beansprucht werden, sonst baut er sich zunehmend ab. Diese Erkenntnis ist besonders wichtig für Osteoporose-Patienten, deren Krankheit keineswegs unaufhaltsam ist. Krafttraining kann dem Knochenabbau entgegenwirken.
Das Krankheitsbild der Osteoporose – erstmals 1885 von dem Innsbrucker Pathologen Gustav Adolf Pommer beschrieben – stellt die häufigste Knochenerkrankung im höheren Lebensalter dar. Am häufigsten betroffen sind Frauen, aber inzwischen vermehrt auch Männer. Die Diagnose kommt insbesondere für ältere Menschen gar nicht oder aber zu spät; die ersten Anzeichen, z. B. eine gebrochene Rippe nach einem Sturz, können bereits ein fortgeschrittenes Stadium aufzeigen. Der Osteoporose geht nicht zwangsweise eine Osteopenie voraus. Zwar handelt es sich bei Letzterer ebenfalls um einen „Mangel“, jedoch kann sie auch auftauchen, ohne später zu dem deutlich ernsteren Krankheitsbild der Osteoporose zu werden. In diesem Artikel geht es primär um die schwerere Form, jedoch gelten viele der angesprochenen Ursachen und Therapien auch für die leichtere Form.
Knochenaufbau und Knochenabbau
Unsere Skelettmuskulatur ist ein wahres Wunderwerk der Natur. Sie ist fest und stark und hält hohen Belastungen stand. Während unseres gesamten Lebens ist ihre Beschaffenheit davon abhängig, wie wir sie fordern. Das bedeutet: Die Mineralisierung der Knochen, also der Aufbau, wird fester und stärker, wenn sie höheren Zug- und Druckbelastungen ausgesetzt sind. Unsere Knochen sind Teil des Stoffwechsels und bilden sich während unseres gesamten Lebens immer wieder um. Ähnlich unserer Muskulatur können sie dann bei einer längeren Unterforderung an Qualität, in diesem Fall an Substanz und damit Stabilität, verlieren. Der englische Spruch „Use it or lose it!“ ist hier mindestens so treffend wie das deutsche Gegenstück „Quäle deinen Körper, sonst quält er dich!“. Die Kombination aus Alter und zunehmend reduzierter Aktivität ist oft der ausschlaggebende Faktor für die abnehmende Knochendichte.
Im Volksmund wird die Osteoporose auch Knochenschwund genannt. Ihre Entstehung lässt sich wie folgt so einfach wie möglich beschreiben: Osteoklasten bauen alte oder nicht mehr beanspruchte Knochensubstanz ab. Osteoblasten ersetzen die alten Teile durch neue. Vergleichbar ist dies mit einer Mauer aus Ziegelsteinen: Die Osteoklasten ziehen einen alten Ziegelstein heraus, die Osteoblasten schieben einen neuen Ziegelstein an dessen Stelle. Die Qualität und Stabilität des neuen Ziegels jedoch hängt davon ab, ob dem Osteoblasten zuvor das Signal gegeben wurde, dass der neue Stein fester sein muss, um künftige Belastungen auszuhalten. Wird jedoch durch zu wenig Belastung (z. B. mangelnde Bewegung) das Signal gegeben: „Hey, wir brauchen keinen festeren Stein, denn wir haben ja keine Belastung“, dann wird durch unseren sparsamen, ja fast geizigen Körper direkt die Order ausgegeben, nicht zu viel Energie und Material in die neue Struktur zu stecken. Folglich wird ein poröser Stein eingebaut. Der hält zwar gerade so die Struktur aufrecht, aber sobald sich irgendwann eine ungewohnte Belastung (z. B. ein Sturz) einstellt, besteht die Gefahr, dass er nicht standhalten kann und bricht.
Unser Körper ist und bleibt ein Energiesparer. Gewebe, das wir nicht brauchen, wird eingespart oder nur notdürftig ersetzt. Muskulatur und Knochengewebe sind dafür besonders anfällig. Wie kann man sich nun den Abbau der Knochen genau vorstellen? Auch hier sind die Osteoklasten und die Osteoblasten am Werk. Eine Eselsbrücke wäre: Osteoklasten klauen, Osteoblasten bauen. Ähnlich dem Beispiel mit der Mauer aus Ziegelsteinen, können Sie sich nun einen simplen Barhocker vorstellen. Neben den Längsstützen gibt es immer auch Querverbindungen – häufig in Form eines Rings, der die Längsstützen verbindet. Im Fall eines Knochenabbaus wird dieser Ring zuerst abgebaut. Daher resultieren beispielsweise die Deckplatteneinbrüche bei Wirbelkörpern.
Osteoporose-Entstehung kurz erklärt
Dieses Krankheitsbild kann eine Ursache, aber auch mehrere haben. Die gängigsten sind wohl Bewegungsmangel und schlechte Ernährung. Zudem sind hormonelle Einflüsse, z. B. die Wechseljahre, und genetische Dispositionen entscheidende Faktoren. Auch infolge einer Nebenwirkung von Medikamenten kann eine Osteoporose entstehen. Häufig wird bei Betroffenen ein Calciummangel festgestellt, der aufgrund schlechter Ernährung aufgetreten ist, oder eine Hormonstörung.
Brüche nach Stürzen charakteristisch
In jeder Familie ist bestimmt schon mindestens einmal ein solcher Satz gefallen: „XY ist gestürzt und hat sich den Oberschenkelhals gebrochen.“ Unabhängig davon, ob es sich um die Großmutter oder den Großvater handelt, immer sind es Brüche, die nach Stürzen auftreten. Der Sturz muss nicht einmal schwer sein; die Knochen sind schlicht zu porös und zu schwach, um den Sturz unbeschadet zu überstehen. In der allgemeinen Osteoporose-Prävention wird empfohlen, die Wohnung „sturzsicher“ zu gestalten. Auf Dauer ist das jedoch keine Lösung, denn die eigentlichen Probleme beginnen erst dann, wenn die Betroffenen die eigene und sichere Wohnung verlassen. Draußen lauern Gefahren, die für gesunde Menschen kaum eine Bedrohung darstellen: Bordsteine, vereiste Pfützen, unebene Wege, ein Grasbüschel zwischen den Steinplatten usw.
Letztendlich entscheidend bei der Verhinderung von Verletzungen ist die Fähigkeit, die Stürze entweder durch gute Reflexe und eine stabile körperliche Verfassung zu verhindern oder zumindest die Gefahr eines Bruchs bei einem Sturz durch gekonntes Abfangen zu verhindern. Im Fall eines Sturzes ist eine schnelle und starke Muskulatur notwendig, um den Sturz abzufangen. Ein guter Reflex der Beine, also beispielsweise ein schneller Schritt zur Wiedererlangung des Gleichgewichts, wäre die erste Möglichkeit. Arme und Schultern sind die letzte Möglichkeit, den Sturz abzufangen und das eventuelle Aufschlagen des Kopfes auf den Boden zu vermeiden. Sind jedoch Muskeln und Knochen durch Schonung und Nichtgebrauch verkümmert, so wird jeder Rettungsversuch in einer Verletzung enden.
Mögliche Therapiemethoden
Auf vielen Internetseiten wird zwar für „mehr Bewegung“ plädiert, jedoch dann die wohl ineffektivste Form der Therapie empfohlen: Schwimmen und Wassergymnastik. Zwar ist es richtig, dass es besser ist, sich etwas zu bewegen, als gar keine Bewegung zu haben. Allerdings ist der in dieser Überlegung vernachlässigte Aspekt des Wasserauftriebs zu beachten. Die Knochen werden durch den Auftrieb nicht ausreichend belastet. Und auch vermeintlich anstrengende Bewegungen oder Übungen sind unter Einfluss des Wasserauftriebs für die Knochenbeanspruchung kaum förderlich. Im Prinzip ist der Körper im Wasser nahezu ohne Eigengewicht. So ist für Osteoporose-Patienten sogar ein Spaziergang nützlicher als eine Wassergymnastik- oder Schwimmstunde. Vergleichbar ist dies mit der Schwerelosigkeit im All; Astronauten müssen vor und nach der Zeit im Weltraum ihre Körper insbesondere wegen einer drohenden Osteoporose trainieren.
Der Arzt und Autor Dr. med. Laube schreibt anhand des Beispiels einer 65-jährigen Patientin, dass überschwellige Belastungsreize für die Knochen durch Bewegungstraining notwendig seien, um den pathologisch beschleunigten Abbau der Knochenmasse zu verlangsamen. Der Begriff „überschwellig“ muss hier sehr deutlich definiert werden. Eine Tätigkeit, die zwar lang andauert und dadurch eventuell erschöpfend wirkt, reicht im Allgemeinen nicht aus, um die Reizgröße zu erreichen. Das Problem dabei besteht sowohl in der Belastung (die Last und der damit verbundenen Druck/Zug auf das Gewebe) als auch in der Kürze der Belastung. Eine hohe Last wird im Alltag i. d. R. nicht über einen längeren Zeitraum bewegt. Falls doch (z. B. das Tragen einer schweren Tasche über einen Zeitraum von über fünf Minuten), werden zwar eine aerobe Form der Ausdauer und somit auch die Typ-I-Fasern der Muskulatur trainiert, jedoch wird das bradytrophe Gewebe (u. a. Sehnen, Bänder, Knorpel) dabei nur gering beansprucht. Schwere Lasten, die für weniger als zwei Minuten bewegt werden, fordern eine andere Form der Ausdauer (anaerob) und sprechen die Typ-II-Fasern der Muskulatur an. Sie belasten die bradytrophen Gewebestrukturen ausreichend, um sie zu erhalten und sogar zu verbessern.
Krafttraining gegen Osteoporose
- Krafttraining – ordentlich erlernt und regelmäßig durchgeführt – stellt eine sichere und effektive Therapiemöglichkeit gegen Osteoporose dar. Es verbessert die thorakale Kyphose insbesondere bei Frauen mit geringer Knochenmasse. Dank strukturiertem Krafttraining ist auch eine weit fortgeschrittene Osteoporose innerhalb weniger Jahre reversibel.
- Fakt Nummer 1: Der Knochen ist, wie auch die Muskulatur, ein Leben lang trainierbar. Eine Osteoporose- Prophylaxe mittels sportlichem Training sollte also lebensbegleitend fortgeführt werden.
- Fakt Nummer 2: Knochen, Muskeln, Bänder und Sehnen werden beim Krafttraining optimal belastet und somit in ihrer stetigen Entwicklung günstig beeinflusst. Zudem ist ein Training mit freien Gewichten unter einer fachlichen Anleitung leicht zu erlernen und besonders gut zu kontrollieren.
Im Prinzip gibt uns unsere Physiologie die Trainingsmethode vor. Im Alltag wird es selten vorkommen, dass wir lange und langsam durch die Gegend laufen. Was aber häufiger vorkommt, ist, dass wir mit schweren Einkäufen Treppen steigen, in einem kurzen Sprint dem Bus hinterherlaufen, unseren Enkel hochheben etc. Für diese Tätigkeiten brauchen wir die anaerobe Ausdauer, die direkt mit dem entsprechend starken und schnellen Muskelfasertyp (Typ IIb) verbunden ist. Für eine schnelle und kräftige Reaktion ist jedoch nicht die langsame und schwache Muskulatur (Typ I) zuständig. Somit wäre es sinnlos, eine Struktur zu trainieren, die uns kaum bis gar nicht in Alltagssituationen behilflich ist. Es wird eine Trainingsform benötigt, die zum einen die anaerobe Ausdauer (kurze sehr hohe Belastung) und zugleich die Maximalkraft trainiert. Eine Kombination aus Maximalkrafttraining und anaerobem Ausdauertraining stellt also die beste Wahl dar.
Wie kann dies in der Praxis aussehen? Ein Training mit Gewichten, ein Training gegen Widerstände, sofern es fachlich angeleitet wird, stellt wohl die effektivste Methode dar, die individuelle Belastungsfähigkeit zu steigern. Die Grundübungen wie Tiefkniebeuge und Kreuzheben, Kraftdrücken und Rudern mit der Langhantel sind die fundamentalen Übungen, die den ganzen Körper trainieren und uns auf die Anforderungen des Alltags vorbereiten. Hier wird inzwischen auch eine hochintensive Methode, das HIT (High Intensity Training), empfohlen. Diese Form ist sicher und besonders effektiv. Im Ausdauerbereich empfiehlt sich ein anaerobes und damit hochintensives Training in Form von HIIT (Hochintensitäts- Intervalltraining). Im Spitzensport angewandt und in der Wirkung durch zahlreiche Studien belegt, zeigt es seine Überlegenheit. Zudem scheint das HIIT eine deutlich höhere Anpassung der Skelettmuskulatur zu fördern als das herkömmliche HVT (High Volume Training). Damit werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Zum einen wird die Ausdauer trainiert, die wir im Alltag brauchen, zugleich wird auch die notwendige Muskelfaserstruktur (Typ IIb) angesprochen. So trainieren wir doppelt effektiv.
Zu den grundlegenden Übungen für die Kräftigung gehören sogenannte Komplexübungen wie die Tiefkniebeuge, Kreuzheben, Kraftdrücken und Rudern mit der Langhantel. Diese sind recht einfach zu erlernen und optimal zu kontrollieren. Sofern die Bewegungsqualität nach einigen Einheiten zunimmt, darf auch mit Lasten gearbeitet werden. An diesem Punkt kommt der einzig wahre Unterschied zum Spitzensport zum Tragen: der Aspekt der individuellen Lastgestaltung. Ein Spitzensportler führt die Übung Kreuzheben z. B. mit 200 kg aus, ein Hobbysportler mit 100 kg und ein Osteoporose-Patient etwa mit nur 20 kg. Wichtig ist, dass der Trainer die individuelle Belastbarkeit des Patienten im Blick behält und ihn nicht überfordert.
Mark A. Sandmann
Mark A. Sandmann
ist erfahrener Kraftsportler (u. a. Olympisches Gewichtheben), hat viele Jahre als Athletiktrainer im Spitzensport gearbeitet (u. a. Profi-Handball) und betreibt seit 2015 das PT-Studio „Powersports Gym“ in Hannover.
www.powersports-gym.com
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