Große Klappe, nix dahinter?
Passender Führungsstil für die Generation Z
Während die Generation Y – auch Millennials genannt – die Arbeitswelt schon längst erobert hat, rücken immer mehr Angehörige der Generation Z nach. Was erwarten diese Jahrgänge von 1997 bis 2010 von ihren Jobs und ihren Führungskräften? Was motiviert sie, welche Werte sind ihnen wichtig und wie lässt sich generationenübergreifend ein erfolgreiches Teambuilding umsetzen?
Vor ein paar Jahren war ich in meinem damaligen Betrieb Teamleitung mit 14 Mitarbeitenden. Wir hatten eine Stelle in meinem Team frei. Der Bewerber war im Jahr 2000 geboren. In dem Jahr habe ich Abitur gemacht. Tja, da war sie, die Realität. Ich fühlte mich ziemlich alt. Auf dem Weg zum Aufbau des Teams standen aufgrund der Altersunterschiede ziemlich viele Fettnäpfchen. Wer kommt schon auf die Idee, dass meine liebe Mitarbeiterin Anfang 60 darauf besteht, dass unser neuer Kollege sie doch bitte siezen solle. Aus Respekt vor ihrem Alter natürlich.
Wie ticken sie, diese Jahrgänge von 1997 bis 2010, die wir als „Generation Z“ bezeichnen? Wie können wir als Führungskräfte mit ihnen umgehen, damit wir weder die Alten noch die Jungen vernachlässigen und eine fruchtbare Zusammenarbeit möglich ist?
Herausforderungen in der Führung
Der Generation Z ist die Digitalisierung zweifellos in die Wiege gelegt worden. Sie ist mit dem Smartphone als verlängertem Arm aufgewachsen und händelt die digitale Welt sehr häufig viel besser als ältere Jahrgänge. Zum Vergleich: Mein erstes Nokia-Handy – es war blau – bekam ich mit 19 (!) Jahren.
Die Einstellung dieser Generation könnte sein: „Alles ist möglich!“ Dazu gehört auch ein gewisser Drang zu Freiheit und Selbstverwirklichung. Die gute alte, jahrelange Loyalität zum Arbeitgeber ist oft nicht so gegeben, wie wir uns das vorstellen. Feste, planbare Arbeitszeiten, Work-Life-Balance und Freizeitgestaltung spielen zudem eine wichtigere Rolle als ein hohes Engagement für den Arbeitgeber.
Als ich einem befreundeten Vertriebsleiter von meinem Interesse an der Generation Z erzählte, hat er sich erst einmal saftig beschwert: „Das sind Wohlstandskinder, die noch nichts erlebt, aber dafür eine große Klappe haben!“ – so der O-Ton. Wenn wir jetzt ganz ehrlich sind: Vielleicht denken auch wir das manchmal über die Jungen. Doch wir brauchen diese Generation, die mittlerweile den Großteil an Nachwuchskräften darstellt. In der Fitnessbranche z. B. beschäftigen die Betriebe zu 81,7 Prozent duale Studenten und 51,2 Prozent der Betriebe bilden aus.
Welche Werte sind der Generation Z wichtig?
Wenn wir nach unseren Werten leben, individuelle Stärken in den Alltag integrieren und nach Zielen arbeiten, mit denen wir uns identifizieren können, werden Herausforderungen leichter gemeistert, der Job macht mehr Freude und wir stehen mit beiden Füßen fester auf dem Boden. Das Dreigestirn aus Werten, Zielen und Stärken fasse ich mit dem Begriff „Base“ zusammen. Kennen wir als Führungskraft die Base von unserem Team, kann dies für unseren Führungsstil eine gute Orientierung sein. Zudem können Aufgaben und Verantwortung einfacher und individueller übertragen werden.
Zu den Werten der Generation Z zählen insbesondere Kreativität, Nachhaltigkeit und Sinnsuche. Wissen wir das, können wir unsere Kommunikation und unseren Führungsstil anpassen und verstehen, warum Konflikte vorprogrammiert sind, wenn gelebte Werte unterschiedlicher Generationen und Menschen nicht zusammenpassen. Folgende Fragen geben Aufschluss über individuelle gelebte Werte des Einzelnen:
- Was ist dir besonders wichtig?
- Was ist deine Leidenschaft?
- Was wünschst du dir für die Zusammenarbeit im Team?
- Was ist dein „Beipackzettel“?
Den „Beipackzettel“ zu kennen erspart uns viel Ärger. Wir laden mit dieser Frage humorvoll dazu ein, publik zu machen, welche Dinge als störend empfunden werden, auch wenn sie vordergründig unwichtig scheinen. Beispiele dafür sind: „Vor dem ersten Kaffee bitte nicht ansprechen“ oder „Keine Mails und Nachrichten, wenn ich frei habe“ usw. Sind die „Beipackzettel“ einzelner Mitarbeiter im Team bekannt, bringt das gegenseitiges Verständnis und Wertschätzung.
Auf Teamebene können wir als Führungskraft initiieren, eine gemeinsame Wertebasis zu erarbeiten. Eine konkrete Frage kann sein: „Welche Werte sind uns im Team und in unserer Zusammenarbeit wichtig?“ Der Output aus ein paar Stunden gemeinsamen Brainstormens und der Konkretisierung fünf bis acht gemeinsamer definierter Werte ist die Grundlage für ein echtes Wirgefühl und manifestiert, was generationsübergreifend zum Team passt. Positive Nebeneffekte sind gelebte Konfliktprävention und in der Auswahl von neuen Mitarbeitenden kann direkt geprüft werden, ob der oder die Neue zu den Werten des Teams passt.
Welche Ziele hat die Generation Z?
Schaffe ich als Führungskraft ein Wirgefühl im Team, passt das auch zu einem der wichtigsten Ziele der Generation Z: das kollegiale Umfeld. Die jungen Mitarbeiter wollen sich wohlfühlen im Team, Arbeitszeit wird als Lebenszeit verstanden. Passt das kollegiale Umfeld nicht, sind sie auch schnell wieder weg. Zudem spielen Sicherheit und persönliche Entfaltung eine wichtige Rolle, und zwar oft eine größere als ein hohes Gehalt. Weiß ich das, kann ich meine Kommunikation bereits im Recruiting neuer Mitarbeiter danach ausrichten.
Zum Thema „Sicherheit“: Das Angebot einer verkürzten Probezeit oder der Ausblick auf einen unbefristeten Vertrag gehört genauso dazu wie eine gute Einarbeitung, Wertschätzung, Klarheit, Transparenz, Feedbackschleifen mit uns als Chefs oder ein fester Ansprechpartner als „Pate“ im bestehenden Team. Wir werfen uns und die Neuen also nicht komplett ins kalte Wasser, sondern erweitern die Komfortzone step by step gemeinsam mit ihnen.
Persönliche Entfaltung als weiteres
Ziel bedeutet in der Umsetzung zum Beispiel,
auf bestehende Stärken zu bauen
und diese für den Einzelnen, das Team
und den Betrieb bestmöglich zu nutzen.
Fördern und nutzen Sie die Stärken junger Mitarbeiter
Eine Stärke zu haben bedeutet nicht automatisch, dass wir sie auch gerne einsetzen. Es kann z. B. ziemlich deprimierend sein, immer nur den gleichen Job zu machen, nur weil man ihn gut kann. Größeren Mehrwert bringt die Möglichkeit, emotionale Stärken einzubringen – also die, die im individuellen Steckbrief unter „Leidenschaft“ ganz oben stehen. Kennen wir als Führungskraft diese Stärken, können wir sie nicht nur nutzen, sondern auch fördern. Nebeneffekt: Wir schaffen damit ein motivierendes Umfeld, was wiederum auf den „Wohlfühlbonus“ für die junge Generation einzahlt.
Eigeninitiative und der Anspruch auf Mitgestaltung ergänzen das Stärkenporträt der Generation Z. Wenn ständig jeder bei allem mitreden will, kann das natürlich auch anstrengend sein. Wir als Führungskräfte sind deshalb gefordert, einen guten Mittelweg zu finden. Langjährige Mitarbeitende haben viel Erfahrung; die Motivation schwankt möglicherweise je nach Situation und Aufgabe. Die Neuen sind dagegen oftmals hoch motiviert und wollen mitreden, haben aber noch zu wenig Fachkompetenz – im Prinzip das, was mein Bekannter aus dem Vertrieb als „große Klappe – nix dahinter“ beschreibt.
Als Führungskraft kann ich mich je nach Situation, Motivation und Kompetenz des Bildes einer „Feldweg- oder Autobahnführung“ bedienen. Feldwegführung meint, den Mitarbeitenden auf Stolpersteine hinzuweisen, kleine Feedbackschleifen und weniger Verantwortung zu geben, zum Beispiel bei Menschen, die sich bei einer neuen Aufgabe relativ unsicher sind. Die „Landstraßen- Mitarbeitenden“ können kreativer und freier arbeiten, brauchen aber möglicherweise einige Feedbackschleifen, die individuell ausgemacht werden. Und so geht es weiter bis zum „Autobahn- Mitarbeitenden“. Ihm können wir den Schlüssel in die Hand drücken und entspannt in den Urlaub fahren.
Alt und Jung erfolgreich im Team zusammenbringen
Es kommt nicht nur auf den eigenen Führungsstil an. Wir dürfen und sollten uns auch selbst fragen, wie wir führen möchten und wer welchen individuellen Rahmen braucht, um gut arbeiten zu können. Über die Frage nach individuellen Werten, Zielen und (emotionalen) Stärken finden wir heraus, wie unser Gegenüber tickt, welche Motivation er oder sie mitbringt und welches Wissen vorhanden ist. Delegieren ist dabei die große Kunst guter Führung. Hier dürfen wir uns als Führungskräfte ruhig trauen, die eigene Komfortzone zu erweitern, einfach mal etwas Neues auszuprobieren und entspannt zu evaluieren, wie wir unseren Führungsstil verbessern können.
Definitionen und Theorien über die Generation Z helfen uns, junge Menschen wirklich zu verstehen. Sie sind schlichtweg unter anderen Bedingungen aufgewachsen als wir, das dürfen wir nicht vergessen. In diesem Rahmen ist es jedoch wichtig, immer den Einzelnen als Individuum zu sehen und nicht eine ganze Generation in eine Schublade zu packen. Wir dürfen also hinterfragen, ob die Theorien tatsächlich zu unserem Gegenüber passen. Aufbauend auf der Individualität des Einzelnen können wir es dann schaffen, das Wissen des Alters und die Neugier der Jugend gegenseitig wertzuschätzen und mit Mehrwert für alle zu nutzen – jeder mit seinen eigenen Stärken und Schwächen.
Es gibt Theorien und so etwas wie Tendenzen, wie bestimmte Generationen ticken. Ich habe für mich selbst und für mein Team gelernt, dass es besser ist, jeden als Menschen zu sehen. Die einfachste Möglichkeit, herauszufinden, welche Ziele, Werte und Herausforderungen eine Person hat, ist: miteinander sprechen. Es lohnt sich also, für das gemeinsame Erreichen von Zielen das Team kennenzulernen.
Katja Schäfer
Katja Schäfer
ist Coach und Trainerin für Führungskräfte und deren Teams. Unter dem Motto „Leadership Leichtgemacht“ und „Führung geht einfach und macht Spaß“ setzt sie in ihrer Arbeit, ihrem Podcast und ihrem Buch den Fokus auf die Unterstützung von Nachwuchsführungskräften. Als Dipl.-Pädagogin, Kunsttherapeutin und Sozialmanagerin verbindet sie die Welten von Führung mit dem gesunden Umgang mit Stress.
www.katja-schaefer.de
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