„Hallo, wie kann ich Ihnen helfen?“
Die Kommunikation der Zukunft ist KI-gesteuert
Die Unternehmenskommunikation wird sich durch den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) zukünftig stark verändern. Die Kommunikationswissenschaftlerin Gabriele Horcher erklärt, warum generative KI zukünftig auch in der Fitnessbranche eine Rolle spielen wird.
Solange Mitglieder und Patienten zum Training kommen, ist eine direkte Kommunikation möglich. Doch was passiert, wenn eine direkte Kommunikation nicht möglich ist? Es geht darum, wie in der Fitnessbranche die Kommunikation mit Interessenten, Mitgliedern, Kunden, Patienten, Mitarbeitern, Partnern und Investoren nachhaltiger wird. Nachhaltig zu kommunizieren bedeutet, mit gleichen oder sogar weniger Ressourcen in der Kommunikation mehr zu erreichen. Es bedeutet, die Botschaft so zu verfassen, dass sie für die Zielgruppe relevant wird. Nachhaltig zu kommunizieren bedeutet, unserer Zielperson die Botschaft in individueller Form und in den bevorzugten Formaten so häufig zu liefern, dass sie tatsächlich wahrgenommen wird. Und das hat viel mit einer konsequenten Nutzung von künstlicher Intelligenz zu tun.
Mithilfe von KI den Fachkräftemangel ausgleichen
Der Fachkräftemangel in den Kommunikationsabteilungen ist nicht wegzudiskutieren. Die Situation verschärft sich auch dadurch, dass sich die Möglichkeiten, mit Zielpersonen zu kommunizieren, sogar noch vervielfältigen z. B. durch neue Kommunikationskanäle wie das Metaverse oder durch neue Kommunikationsdisziplinen wie signal- und ereignisbezogene Kommunikation. Entsprechend wird es durch den zukünftigen Fachkräftemangel immer schwieriger, mit Kunden in Kontakt zu kommen und zu bleiben. Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, Defizite zu verringern.
Touchpoints vervielfältigen
Der Anstieg der Kommunikationskanäle durch neue Technologien ist sogar ein Vorteil. Denn was passiert mit einer Information, die bei der heutigen Informationsflut von unserer Zielperson nur einmal gehört oder gesehen wird? Vermutlich nichts. Studien gehen heute davon aus, dass sechs Kontakte (sog. Touchpoints) erforderlich sind, bevor ein Thema überhaupt richtig wahrgenommen wird. Und es sind sogar durchschnittlich elf Touchpoints nötig, bevor eine Reaktion auf die Information erfolgt. Heute kann eine Botschaft nicht mehr sechsmal über den gleichen Kanal im gleichen Format wiederholt werden. Dadurch erreichen wir nur, dass uns die Person über diesen Kanal keine Aufmerksamkeit mehr schenkt oder ein Optout schickt, denn Zielpersonen reagieren heute deutlich besser auf eine Information, wenn sie sie mehrmals über unterschiedliche Touchpoints und in verschiedenen Formaten erreichen. Das verbessert die Kommunikation deutlich, macht sie aber auch sehr viel aufwendiger und komplexer.
Generative KI
Die Nutzung von generativer KI wird aufgrund der zunehmenden Komplexität zukünftig in der Unternehmenskommunikation eine sehr große Rolle spielen. Zur Kategorie der generativen KI zählen alle Systeme und Tools, die mithilfe künstlicher Intelligenz automatisiert Content erstellen. Diese Inhalte können zum Beispiel Texte, Bilder, Audiodateien oder Videos sein. Dazu zählen z. B. Chatbots genauso wie ChatGPT oder das bildgenerierende Tool Remini. Mittels generativer KI lässt sich der Content sehr viel besser individualisieren und über verschiedene Kanäle extrem schnell und gezielt verbreiten.
Das Unternehmen Psychological AI bietet ein Tool an, das z. B. personalisierte Nachrichten fünfmal schneller erstellen kann als geübte Experten. Dazu analysiert das System die Persönlichkeit des Empfängers (meist Leads) oder des Senders (häufig genutzt im HR), erstellt Cluster für Handlungsmotive (im Einsatz für Bestandskunden) und stimmt die Inhalte, die Wortwahl und die Tonalität auf die Zielpersonen ab. Anschließend hilft ein GPT-unterstützter Schreibassistent dabei, einen passgenauen Text zu formulieren.
KI-generierter Content in unterschiedlichen Sprachen
Individualisierung bedeutet auch, den Content nicht nur in unterschiedlichen Sprachen anzubieten, sondern ihn in genau der Sprache anzubieten, die die jeweilige Kontaktperson bevorzugt. Texte automatisiert zu übersetzen, ist bereits Standard. Darüber hinaus lassen sich Audio- und Videodateien mit zusätzlichen Tonspuren versehen. Dazu erstellt ein Speech-to-text-Tool ein Transkript der Audio- oder Videodatei. Dieses wird in die gewünschte Sprache übersetzt und dann über ein Text-to-speech-Tool in gesprochene Sprache verwandelt. Die so entstandenen zusätzlichen Tonspuren werden der Datei als auswählbare Optionen hinzugefügt.
Mithilfe eines KI-Videogenerators lässt sich aus Text innerhalb von Minuten sogar ein komplettes Video erstellen – in über 120 Sprachen und Akzenten. Schauspieler, die als sogenannte Avatare fungieren, wurden dafür vorab vor einer 4K-Kamera gefilmt. Dank der so erfassten Videodaten kann der Avatar beliebige Texte sprechen – was auch immer der Anwender braucht und vorgibt. Unternehmen können sich sogar einen Custom-Avatar erstellen, einen persönlichen Avatar mit eigener Stimme.
Conversational AI
Das, was Systeme wie Google Bard, ChatGPT, OpenAssistent oder YouChat zurzeit einzigartig macht, ist die Kombination von zwei KI-Lösungen. Zum einen ist das die generative KI, die Content erstellen kann, und zum anderen – dies ist entscheidend – können Nutzer über die Conversational AI mit normaler Sprache interagieren. Die Hemmschwelle für Nutzer, mit einer Maschine zu kommunizieren, ist so um ein Vielfaches gesenkt. Denn die Maschine wirkt auf diese Weise menschlich und versteht normale Sprache.
Die Herausforderung ist, wie wir als Kommunikatoren der Maschine, der KI, verständlich machen können, was wir überhaupt wollen. Maschinen per Code Befehle zu erteilen, war bis vor ein paar Jahren noch Programmierern vorbehalten. Heute werden Sprachmodelle auch deswegen als „Gamechanger“ bezeichnet, weil sie Maschinen beibringen, unsere natürliche Sprache zu verstehen. Doch selbst bei der Kommunikation zwischen Menschen liegt genau hier die Herausforderung: verständlich zu machen, was man selbst benötigt oder was man von dem anderen möchte. Je besser oder je passender das Briefing bezogen auf die spezielle Zielgruppe ist, desto besser ist auch das Ergebnis.
A Fool with a Tool … is still a Fool
Es ist nicht nur wichtig, dass wir lernen, mit KI-Tools richtig umzugehen, damit wir das gewünschte Ergebnis erzielen. Noch brauchen wir gute Kommunikationsprofis, die wissen, wann welche Kommunikation in welcher Situation für welchen Stakeholder passend ist, und die ein richtiges Briefing formulieren können. Darüber hinaus braucht es Fachleute, die kompetent beurteilen können, ob ein Tool überhaupt dazu geeignet ist, um bestimmte, gewünschte Ergebnisse zu erzielen.
Übergangsweise werden sogar neue Berufsbilder entstehen, wie z. B. das des Prompt-Redakteurs. Denn wie gut oder schlecht die Ergebnisse sind, die eine generative KI liefert, hängt neben dem verwendeten Algorithmus, den KI-Modellen und den zur Verfügung stehenden Daten vor allem von dem Menschen ab, der sie bedient. Der englische Begriff „Prompt“ (Befehl/Frage/Briefing) steht dabei für das, was wir in die Befehlszeile eingeben. Je genauer und ausführlicher ein Prompt ist, desto wahrscheinlicher entspricht das Ergebnis dem, was wir wollten. Je ungenauer oder kürzer ein Prompt ist, desto mehr Freiheit lässt man der KI bei der Erstellung eines Textes oder Bildes. Das kann zu einem guten Ergebnis führen – muss aber nicht.
Fazit
Eine wissenschaftliche Studie des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat untersucht, wie gut ausgebildete Mitarbeiter in Beratung, Marketing, Personalabteilung oder Verwaltung von den KI-Funktionalitäten profitieren können. Das Ergebnis: Sie erhöhten ihre Produktivität im Durchschnitt um 35 Prozent, brauchten also ein Drittel weniger Arbeitszeit. Auch die Kommunikation von Fitnesseinrichtungen mit all ihren Zielgruppen muss heute effizient, effektiv und möglichst individualisierbar sein. In Verbindung mit dem richtigen Know-how bei der Kommunikation können moderne KI-Tools auch hier entscheidend dazu beitragen, nachhaltig zu kommunizieren
Gabriele Horcher
Gabriele Horcher
ist Kommunikationswissenschaftlerin, Keynote Speaker, Bestsellerautorin und fungiert als Sparringspartner zur Digitalisierung und Transformation von Kommunikation.
www.gabriele-horcher.de
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