Relevanz von Groupfitness steigt
Bisher stand die Groupfitness in all ihren unterschiedlichen Facetten für gemeinsame Trainingserlebnisse, spürbare Emotionen und persönliche Kontakte. Seit knapp zwei Jahren ist das alles nur noch eingeschränkt möglich. Viele innovative Ansätze wurden entwickelt, die Groupfitness selbst während der Pandemie ermöglichen – flexibel und sicher. Einige davon sind bereits jetzt aus dem Fitnessalltag nicht mehr wegzudenken. Alexander Pfitzenmeier, Geschäftsführer der IFAA, gibt einen Überblick, welche neuen Möglichkeiten es im Groupfitnessbereich gibt, was zukünftig noch möglich sein wird und welche Trends dominieren werden.
Interview mit Alexander Pfitzenmeier, Geschäftsführer der IFAA GmbH
body LIFE: Während der Coronakrise wurden Möglichkeiten entwickelt, die Groupfitnessangebote unter Pandemiebedingungen funktionieren lassen. Welche sind das?
Alexander Pfitzenmeier: Ja, das stimmt. In den vergangenen 18 Monaten wurde bei vielen Unternehmen der Fitnessbranche der Schalter umgelegt. Wir als Ausbilder und Veranstalter mussten quasi über Nacht neue Konzepte entwickeln, die auch während enormer Einschränkungen und Vorgaben funktionieren. Gerade im Groupfitnessbereich war das natürlich eine Herausforderung. Es hat sich jedoch gezeigt: Angebote für Online- Groupfitness können eine tolle Alternative oder Ergänzung zu den bisherigen Präsenzausbildungen sein, da sie den Kunden auch große Vorteile bieten – sie werden orts- und oft zeitunabhängig durchgeführt und der Konsument lernt in seinem eigenen Rhythmus. Noch vor einigen Jahren wäre das undenkbar gewesen. Auch im Bereich der Live-Video-Ausbildungen wie z. B. per Zoom gibt es sehr innovative Entwicklungen. Sie ermöglichen es den Kunden, ihre Ausbildungen zwar online, aber dennoch unter direkter Anleitung eines Referenten absolvieren zu können. Auch wenn wir anfänglich skeptisch waren, ob dies auch bei der Groupfitness funktioniert, muss man sagen: Die Praxis hat uns eines Besseren belehrt. Gute Online-Groupfitnessausbildungen funktionieren äußerst problemlos und erfolgreich.
body LIFE: Wie haben Sie auf die Veränderungen reagiert und wie haben sich aus Ihrer Erfahrung die Bedürfnisse der Kunden angepasst?
Alexander Pfitzenmeier: Die IFAA hat als eine der ersten großen deutschen Fitnessakademien schon vor vielen Jahren begonnen, die Online-Welt für ihre Kunden und deren Trainierende nutzbar zu machen. Dieses Know-how kam uns jetzt natürlich zugute und wir waren in der Lage, innerhalb kürzester Zeit innovative Angebote sowohl im Eventals auch im Weiterbildungsbereich auf die Straße zu bringen. Unser Signal an die Branche: Kunden und Mitglieder brauchen selbst in dieser Zeit nicht auf gemeinsame Veranstaltungen zu verzichten. Mit unseren „On Air“-Events entwickelten wir ein Weiterbildungskonzept, mit dem wir die veränderten Bedürfnisse der Kunden nachhaltig bedienen können: zum einen als Live- Events, die online stattfinden und dennoch die Möglichkeit bieten, über Bildschirm und Chat in direktem Kontakt zu den Referenten und anderen Teilnehmern zu stehen. Zum anderen haben wir jetzt die Möglichkeit, unseren Kunden als Ergänzung ein Streamingpaket zur Verfügung zu stellen, das das gesamte Know-how der Live-Events beinhaltet. Und auch hierfür eignen sich Groupfitness-Masterclasses hervorragend: Fast 90 Prozent der Kurse können die Teilnehmer zu Hause durchführen. Deshalb können wir bei den Online- Events aus dem Vollen schöpfen und den Teilnehmern eine möglichst große Bandbreite an unterschiedlichen Fachbereichen bieten. Für 2022 stehen bereits mehrere Fortsetzungen der Live-Events per Zoom und Weiterentwicklungen in unserem Kalender.
body LIFE: Was sind die größten Herausforderungen bei der Umsetzung von Online-Angeboten?
Alexander Pfitzenmeier: Online-Kurse haben sich in vielen Studios als ergänzende Alternative zu Präsenzkurzen entwickelt. Ich hoffe, dass Betreiber diese Nachfrage erkannt haben und solche Angebote als separate Business- oder Kundenbindungsmodelle in ihren Studios etablieren. Wer hier wirklich Fuß fassen möchte, der braucht Know-how in den unterschiedlichsten Bereichen: Neben dem strukturellen Aufbau von Kursplänen ist vor allem Fachwissen in den Bereichen Equipment, Social Media und natürlich Technik gefragt. Es muss nicht immer die teuerste Ausrüstung sein, aber eine gewisse Basisausstattung muss angeschafft oder angemietet werden: Kamera mit Mikrofoneingang, Ton per Ansteckmikrofon oder Headset, Softboxen für eine optimale Beleuchtung. Außerdem wichtig bei Online-Kursen: die Lizenzen für die benutzte Musik in den Streams, damit es mit der GEMA und den Streaminganbietern wie Google, Facebook oder Vimeo keine Probleme gibt.
body LIFE: Welche zusätzlichen Qualifikationen sollte ein guter Online-Groupfitnesstrainer mitbringen?
Alexander Pfitzenmeier: Nicht jeder Fitnesstrainer ist automatisch auch ein guter Online-Trainer. Hier gilt es für Studiobetreiber, ein sicheres Händchen in der Personalauswahl zu beweisen. Natürlich ist es ein Unterschied, ob ich mit meinen Mitgliedern vor Ort kommuniziere oder mit einer Kamera interagiere, die keinerlei Rückschlüsse auf die Reaktionen meiner Teilnehmer zulässt. Deshalb erfordert die Arbeit vor der Kamera von den Trainern die Fähigkeit, ihre Mitglieder auch ohne direkten Kontakt zu motivieren und zu begeistern. Gute Online-Trainer sind in der Lage, konkrete und präzise Übungsanleitungen zu geben und während des Trainings mit der Kamera zu „spielen“. Auch die Online-Aktivitäten vor und nach dem Angebot sind wichtig.
body LIFE: Welche der aufgrund von Corona eingeführten Veränderungen könnten sich dauerhaft im Gruppentraining etablieren?
Alexander Pfitzenmeier: Altbewährtes, wie Emotionen, Präsenzausbildungen, persönliche Kontakte und Kundenbetreuung, wird wieder stark in den Fokus rücken, sobald es die Umstände erlauben – das steht, glaube ich, außer Frage. Dennoch ist die Online- Welt auch in fast allen Kursräumen und auf allen Fitness-Events dieser Erde angekommen. Deshalb wird sich auch das Angebot verändern. Hybride Modelle werden sowohl bei den Events als auch den Aus- und Weiterbildungen das Konzept der Zukunft sein. Denn hier lässt sich das Beste aus zwei Welten kombinieren: die didaktisch sinnvolle Verknüpfung von Online-Angeboten mit den Vorteilen des persönlichen Erfahrungsaustauschs in Präsenzveranstaltungen.
body LIFE: Wie sehen Sie den Stellenwert von Groupfitness in den Studios?
Alexander Pfitzenmeier: Ein Kurstrainer erreicht pro Stunde durchschnittlich zwanzig Mitglieder, die er begeistern, motivieren und als Kunden halten kann. Das erreicht kein anderes Angebot innerhalb des Studios. Die Relevanz dieser Thematik nimmt zu. Das zeigt sich auch durch den großen Boom der Smallgroup-Kurse in den vergangenen Jahren. So ist es gelungen, Klein- bzw. Gruppenkurse nicht mehr ausschließlich im Kursraum stattfinden zu lassen, sondern auf der gesamten Trainingsfläche zu etablieren und somit eine noch größere Zielgruppe anzusprechen.
body LIFE: Wie sehen die derzeitigen und zukünftigen Groupfitnesstrends aus?
Alexander Pfitzenmeier: Insbesondere die Workout- und die Body & Mind-Kurse werden zukünftig stetig weiterwachsen. Auch der Functional- Bereich und das Training mit dem eigenen Körpergewicht sind nicht mehr wegzudenken. Mit Sorge sind die Choreografie-Kurse zu betrachten, die in den vergangenen Jahren bedauerlicherweise immer weiter rückläufig waren. Dabei machen sie – in der richtigen und nicht zu hoch angesiedelten Dosierung – fast allen Mitgliedern einen riesigen Spaß und erhöhen ihre Zufriedenheit mit den Leistungen des Studios. Ob es hier noch einmal zu einer Trendwende kommen wird, hängt auch davon ab, ob sich Clubbetreiber auch inhaltlich ausreichend mit diesem Thema befassen können, um ihren ambitionierten Kursleitern die Freude auch an wenig erfahrenen Einsteigern wieder schmackhaft machen zu können.
Foto: IFAA GmbH