Auf dem Weg zum Olymp
Zurzeit finden die Paralympischen Spiele in Tokio statt. Wir haben verschiedene Sportler interviewt, die an den Spielen teilnehmen, und sie zu ihrem Trainingsplan und den Herausforderungen während der Vorbereitung befragt.
Lisa Bergenthal, Rollstuhlbasketball
body LIFE: In welcher Disziplin treten Sie an und seit wann sind Sie in diesem Sport aktiv?
Lisa Bergenthal: Ich trete bei den Paralympischen Spielen mit der Deutschen Damen-Nationalmannschaft im Rollstuhlbasketball an. Mit ca. 13 Jahren habe ich angefangen, Rollstuhlbasketball zu spielen. Seitdem ich 2018 nach Köln gezogen bin, führe ich das Hobby
auf Leistungsebene aus.
body LIFE: Wie haben Sie sich auf die Paralympischen Spiele vorbereitet und wie sieht Ihr Trainingsplan aus?
Lisa Bergenthal: In der Vorbereitung auf Tokio trainiere ich ein- bis zweimal am Tag in der Halle – entweder mit dem Team zusammen, dann arbeiten wir gemeinsam an einzelnen Fertigkeiten und am Zusammenspiel, oder ich trainiere individuell meinen Schuss, mein Ballhandling, Chairskills etc. Zusätzlich versuche ich zwei- bis dreimal in der Woche, ins Krafttraining zu gehen, und nehme fast wöchentlich am EMS-Training mit der Nationalmannschaft teil. Des Weiteren haben wir an Vorbereitungsturnieren teilgenommen und haben gemeinsam mit der Nationalmannschaft diverse Trainingslehrgänge durchgeführt.
body LIFE: Was sind besondere Herausforderungen bei der Vorbereitung/ beim Training generell?
Lisa Bergenthal: Durch mein Studium
bin ich zeitlich oft eingespannt und muss versuchen, alles unter einen Hut zu bekommen. Darüber hinaus bin ich natürlich auch nervös und angespannt, an diesem großen Turnier teilnehmen zu dürfen, weshalb ich mir gerne selber viel Druck mache und immer wieder mal in Stress gerate. Die Lage während der Coronapandemie hat die Vorbereitungen natürlich zusätzlich erschwert, da Fitnessstudios und Hallen zu Beginn geschlossen waren. Glücklicherweise hatte ich damit in den vergangenen Wochen keine Probleme mehr.
body LIFE: Wie trainieren Sie, wenn gerade keine Spiele stattfinden? Welche Rolle nehmen Fitnessstudios in Ihrem Training ein?
Lisa Bergenthal: Wie bereits erwähnt, läuft das Training die gesamte Woche unabhängig davon, ob wir ein Spiel am Wochenende haben oder uns auf das große Ziel der Paralympischen Spiele in Tokio fokussieren. Das Fitnessstudio ist für mich ein wichtiger Ausgleich zu meinem Hallentraining. Dort kann ich meine Muskulatur weiter ausbauen, mich voll auspowern und natürlich allgemein an meiner Ausdauer und Kraft arbeiten. Ein regelmäßiges Krafttraining ist für mich definitiv ein fester Bestandteil meines Alltags, allerdings lässt es sich nicht jede Woche gleich viel in meinen Alltag integrieren.
Carmen Brussig, Para Judo
body LIFE: In welcher Disziplin treten Sie an und seit wann sind Sie in diesem Sport aktiv?
Carmen Brussig: Ich betreibe Judo seit 1986 und bin im Para Judo aktiv.
body LIFE: Wie haben Sie sich auf die Paralympischen Spiele vorbereitet und wie sieht Ihr Trainingsplan aus?
Carmen Brussig: Im Judo kann ich nichts mehr Neues erlernen, außer meine Techniken fleißig weiter trainieren. Im Kraftbereich arbeite ich momentan sehr hart, um noch eine Schippe Kraft aufzulegen. Natürlich war meine Zwillingsschwester bei mir hier in der Schweiz, dann bin ich wieder zu ihr nach Schwerin und dann haben wir zusammen trainiert.
body LIFE: Was sind besondere Herausforderungen bei der Vorbereitung/ beim Training generell?
Carmen Brussig: In den Ferien waren fast keine Trainingspartner vorhanden. Zudem gibt es nur wenige Leichtgewichte, da ich bis 48 kg kämpfe.
body LIFE: Wie trainieren Sie, wenn gerade keine Spiele stattfinden? Welche Rolle nehmen Fitnessstudios in Ihrem Training ein?
Carmen Brussig: Da durch Corona die Fitnessstudios zu waren, haben meine Trainerin und ich viele Geräte selber gekauft. Ich habe mittlerweile alles, was ich brauche.
Fitness ist mir sehr wichtig, auch wenn ich nicht in einer Vorbereitung stehe. Ohne Fitness wie Kraft und Ausdauer kann ich nicht sein.
Felix Streng, 100 m Sprint, 200 m Sprint, 4 x 100-m-Staffel, Weitsprung
body LIFE: In welcher Disziplin treten Sie an und seit wann sind Sie in diesem Sport aktiv?
Felix Streng: Heutzutage sind meine Disziplinen der 100-m- und 200-m-Sprint, die 4 x 100-m-Staffel und der Weitsprung. Bevor es allerdings zu dieser Spezialisierung kam, habe ich mich als Kind und Jugendlicher in ganz verschiedenen Sportarten ausprobiert: Von Basketball über Turnen bis Parkour war alles dabei und legte die Grundlage für alles, was kam. Doch tatsächlich hat letztlich alles mit einem Referat über die Paralympischen Spiele begonnen, zu welchem mich mein Sportlehrer bewegte – danach ging dann alles ganz schön schnell.
Als mir 2012 Bayer Leverkusen die Möglichkeit bot, auf das Sportinternat zu gehen und den Sporttraum zu leben, war das das Größte für mich! Innerhalb von drei Tagen bin ich von einem 30-Einwohner-Dorf in der Nähe von Coburg nach Leverkusen gezogen. Zu Beginn habe ich auf einer Couch in einem kleinen Zimmer in einer WG geschlafen und das Einzige, was ich bei mir hatte, war ein Koffer und eine Sporttasche. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mir noch überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, den Sport zu meinem Job zu machen, damit die Welt zu bereisen und so viele Menschen und Kulturen kennenzulernen. Ich war einfach ein verrückter Junge, der Sport machen wollte – und immer noch will.
body LIFE: Wie bereiten Sie sich auf die Paralympischen Spiele vor und wie sieht Ihr Trainingsplan aus?
Felix Streng: Seit Oktober 2020 habe ich mich einer internationalen Trainingsgruppe in London angeschlossen. Hier trainiere ich täglich unter meinem Headcoach Steve Fudge. Unser Training ist sehr vielseitig aufgebaut, jedoch liegt der Fokus stets beim Sprint. Die Trainingsinhalte unterscheiden sich in technischen und konditionellen sowie reinen Speed-Einheiten, je nach Inhalt variieren hierbei auch die Intensitäten.
Abseits der Bahn hat das Gym- und Athletiktraining eine hohe Bedeutung. Hier unterscheiden sich die Einheiten ebenfalls sehr hinsichtlich der geforderten Muskelpartien und Intensität. Da Sprinten den ganzen Körper beansprucht, müssen wir als Athleten schauen, dass wir von Kopf bis Fuß „in shape“ sind.
body LIFE: Was sind besondere Herausforderungen bei der Vorbereitung/ beim Training generell?
Felix Streng: Ein Patentrezept gibt es hierbei nicht, von daher ist eigentlich alles eine Herausforderung. Bei so einer wichtigen und großen Vorbereitung, auf die man sich vier Jahre fokussiert, möchte man alles perfekt machen. Für mich gehört zu den wichtigsten Dingen dieses Jahr, eine gute Balance zu finden und die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit mit meinem Team zu treffen. Damit meine ich beispielsweise, dass zum Training auch Regeneration gehört und dass Trainingsinhalte und Trainingsreize gut und überlegt dosiert werden müssen.
An oberster Stelle steht natürlich auch die Balance zwischen dem Körperlichen und Mentalen. Die Trainingsreize benötigen Zeit, um zu wirken und um sich anzupassen, denn man kann den Prozess nicht erzwingen. Gerade beim Sprinten, wo alles so schnell passiert, musst du einiges in extrem kurzer Zeit richtig machen, um der Schnellste vom Start bis ins Ziel zu sein. Da reicht nicht nur ein gut trainierter Körper – auch vom Kopf her muss man hundertprozentig da sein.
Meine Entscheidung, nach London zu gehen, alles umzukrempeln und neu zu denken, war keine einfache Aufgabe. Allerdings habe ich mich dieser gestellt und bin davon überzeugt, dass sich der Mut und der Einsatz auszahlen werden.
body LIFE: Wie trainieren Sie, wenn gerade keine Spiele stattfinden? Welche Rolle nehmen Fitnessstudios in Ihrem Training ein?
Felix Streng: In der Leichtathletik findet jedes Jahr ein großes internationales Event statt: Egal, ob es Europa- oder Weltmeisterschaften oder eben jetzt die Paralympics sind, es gibt jedes Jahr ein Highlight. Von daher sind wir eigentlich durchgängig im Training. Die Leichtathletik als Sportart hat generell einen großen Trainingsaufwand; wir beginnen die Saisonvorbereitung im Oktober, um im Sommer fit und schnell zu sein.
Fitnessstudios haben für uns natürlich eine sehr große und essenzielle Bedeutung, da das Kraft- und Athletiktraining zum Alltag sowohl in der Vorbereitung als auch in der laufenden Saison gehören.
Anja Adler, Para Kanu
body LIFE: In welcher Disziplin treten Sie an und seit wann sind Sie in diesem Sport aktiv?
Anja Adler: Ich trete bei den Paralympischen Spielen im Para Kanu an, genauer gesagt in der Bootsklasse Kajak. Ich betreibe diesen Sport seit 2016. Davor war ich Leichtathletin, genauer gesagt Geherin, bis ich 2015 einen Unfall hatte. Seitdem bin ich inkomplett querschnittsgelähmt und wechselte in das Kajak.
body LIFE: Wie haben Sie sich auf die Paralympischen Spiele vorbereitet und wie sieht Ihr Trainingsplan aus?
Anja Adler: Die Vorbereitungen auf den Saisonhöhepunkt sehen eigentlich jedes Jahr relativ ähnlich aus. In einer paralympischen Saison sind die Trainingsumfänge und Intensitäten natürlich noch etwas höher. Durch die Verschiebung der Paralympischen Spiele von 2020 auf 2021 erleben wir nun eine zweite paralympische Vorbereitung, was man natürlich merkt. In diesem Jahr waren wir in sehr vielen Lehrgängen der Nationalmannschaft, sodass man schon sagen kann, dass wir die Hälfte des Jahres zusammen mit der Nationalmannschaft verbringen, die andere Hälfte im Heimtraining. Der Trainingsplan richtet sich natürlich an der zeitlichen Entfernung zum Saisonhöhepunkt. Da wird dann unterschieden zwischen Grundlagenausdauer, Entwicklungsbereich und Sprintspezifik. Kurz vor Tokio wechselten wir in den Bereich der Sprintspezifik.
body LIFE: Was sind besondere Herausforderungen bei der Vorbereitung/ beim Training generell?
Anja Adler: Bei jeder Vorbereitung stellen sich einem immer wieder neue Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. In den vergangenen zwei Jahren war hier die größte Herausforderung definitiv das Pandemiegeschehen. Dadurch konnten wir Lehrgänge nicht so absolvieren, wie wir es eigentlich in der Vorbereitung gemacht hätten. Wir hatten aber die Unterstützung vom Olympiastützpunkt, sodass wir kontinuierlich weiter trainieren durften.
Als Athlet mit einem Handicap stellen sich im ganz normalen Alltag und im Training immer wieder neue Herausforderungen heraus. Man muss in erster Linie akzeptieren, dass man in manchen Bereichen auf Hilfe angewiesen ist; man muss auch bereit sein, diese anzunehmen. So kann ich beispielsweise natürlich nicht alleine mein Boot zu Wasser bringen, aber da habe ich sehr engagierte Trainer, die mir immer zur Seite stehen und helfen, wo sie nur können.
body LIFE: Wie trainieren Sie, wenn gerade keine Spiele stattfinden? Welche Rolle nehmen Fitnessstudios in Ihrem Training ein?
Anja Adler: Das Training außerhalb einer paralympischen Saison unterscheidet sich, wie gesagt, nicht stark von einer paralympischen Saison. Allerdings nimmt der Anteil des Heimtrainings in einer „normalen“ Saison deutlich zu. Ich bin aber in jeder Saison hoch motiviert, für den Saisonhöhepunkt alles zu geben, unabhängig ob Paralympics oder Weltmeisterschaft. Das bedeutet für mich, dass auch die Intensitäten in jedem Jahr ähnlich sind. Da Para Kanu auf einer Strecke von 200 m eine Sportart ist, die auf Kraftausdauer aufbaut, spielt das Krafttraining für uns eine elementare Rolle im Trainingsprozess. Man kann grob sagen, jedes dritte Training verbringen wir im Kraftraum. In der Regel ist dieser Kraftraum gekoppelt an einen Olympiastützpunkt, ein Trainingszentrum oder unseren Verein. Im Winter sind wir sehr oft dort zu finden, da dies die Phase ist, in der wir die Kraft aufbauen, die wir in der laufenden Saison im Sommer brauchen.
Fotos: kovop58 – stock.adobe.com; Ralf Kuckuck, privat; Thomas Fähnrich Fotografie, André Brendel