Corona: Risikogruppen sollten trainieren
Interview mit Prof. Dr. Wilhelm Bloch, Institut für Kreislaufforschung
und Sportmedizin, Deutsche Sporthochschule Köln
Regelmäßig trainieren, um das Immunsystem zu stärken – dafür spricht sich Prof. Bloch explizit aus. Auch Risikogruppen, die von einer Coronainfektion besonders stark betroffen wären, sollten Sport auf keinen Fall aufgeben. Seiner Ansicht nach ist die Infektionsgefahr in Fitnessstudios relativ gering, solange Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden.
body LIFE: Herr Professor Bloch, sind sportlich aktive Menschen weniger anfällig für eine Coronainfektion als inaktive?
Prof. Wilhelm Bloch: Weniger anfällig sind sie nicht, aber das Immunsystem von aktiven Menschen kann besser mit einem Infekt umgehen als das von inaktiven. Bewegung schützt also nicht vor einem Virus per se, aber sie hilft dabei, die Abwehrkräfte zu stärken und verschiedene Infektionen zu bewältigen. Demnach kann man nur immer wieder empfehlen, regelmäßig zu trainieren. Bei Covid-19 handelt es sich um eine neue Infektionskrankheit, über die wir noch nicht viel wissen. Das Virus kann dabei alle Menschen treffen, nicht nur solche mit einem schwachen Immunsystem. Die Abwehrkräfte reagieren zudem bei jedem Menschen unterschiedlich und die Krankheitsverläufe sind verschieden. Sportliche Aktivität ist aber, wie bereits erwähnt, durchaus dazu geeignet, das Immunsystem zu trainieren, was auch bei einer Coronainfektion hilft.
body LIFE: Wie lange sollte man nach einer Coronainfektion oder nach einem Infekt generell auf sportliche Aktivitäten verzichten?
Prof. Wilhelm Bloch: Nach einer Infektion sollte man wieder komplett symptomfrei sein, bevor man mit Sport beginnt. Wichtig ist es, danach dosiert ins Training einzusteigen. Speziell nach einer Coronaerkrankung empfehle ich eine 14-tägige Sportpause. Aufgrund der Komplexität der Viruserkrankung ist vor einem erneuten Trainingsbeginn eine sportmedizinische Untersuchung sinnvoll. Das gilt sowohl für Hobby- als auch für Leistungssportler.
Wichtig ist es auch hier, langsam mit dem Training zu beginnen. Man sollte testen, ob die Leistungsfähigkeit wirklich wieder vorhanden ist. Nach einer Coronainfektion ist dies nämlich häufig nicht der Fall – oft merken Betroffene erst, dass sie noch nicht richtig fit sind, wenn sie in die Belastung gehen. Ich selbst habe Sportler gesehen, die drei Wochen nach der Erkrankung wieder versucht haben, mit dem Training zu beginnen, dann aber währenddessen unter Kurzatmigkeit litten und ein Fatigue-Syndrom, das heißt extreme Müdigkeit, entwickelten. Dann ist natürlich weiterhin eine Sportpause angesagt, bis sich die Beschwerden gebessert haben.
body LIFE: Gibt es Hinweise darauf, dass sich eine Coronainfektion langfristig auf die sportliche Leistungsfähigkeit auswirkt? Und wenn ja, sind diese Effekte dauerhaft oder reversibel?
Prof. Wilhelm Bloch: Eine Coronaerkrankung kann sich definitiv langfristig auf die sportliche Leistungsfähigkeit auswirken. Wir sehen zunehmend Sportler, die auch Monate nach einer Infektion ihr Leistungsniveau noch nicht wieder erreicht haben. Leider wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht, welche Personengruppe davon besonders betroffen ist. Es kann durchaus passieren, dass solche Langzeitfolgen auch nach einer Infektion mit einem milden Verlauf auftreten. Und jüngere Menschen sind – Stand jetzt – im Hinblick auf Langzeitfolgen genauso gefährdet wie ältere.
Was wir momentan ebenfalls nicht beurteilen können ist, ob alle Langzeitschäden einer Coronainfektion wieder umkehrbar sind oder ob sie bestehen bleiben. Das untersuchen wir zurzeit in Studien. Allerdings wird es Jahre dauern, bis hier Ergebnisse vorliegen.
body LIFE: Welche Rolle spielt die Ernährung, um das Immunsystem zu stärken? Sind bestimmte Supplemente empfehlenswert?
Prof. Wilhelm Bloch: Eine ausgewogene Ernährung ist hier absolut notwendig. Eine Mangelernährung führt immer zu einer Schwächung des Immunsystems. Eine Supplementation mit z. B. Zink oder Vitamin D ist sinnvoll, wenn ein Mangel besteht. Gerade Vitamin D sollte man aber nicht im Übermaß zu sich nehmen, da es irgendwann toxisch wirkt.
body LIFE: Wie sollten Coronarisikogruppen trainieren?
Prof. Wilhelm Bloch: Auch für Risikogruppen wie ältere Menschen oder Herzpatienten ist es natürlich ratsam, zu trainieren. Es macht aber nicht unbedingt Sinn, das Training nur wegen der Pandemie zu steigern. Auf keinen Fall sollten Menschen, die Risikogruppen angehören, ihr Sportprogramm nach unten fahren. Diejenigen, die noch überhaupt nicht trainieren, tun gut daran, spätestens jetzt ihr Immunsystem durch regelmäßigen Sport zu stärken. Dennoch sollten gerade Risikogruppen darauf achten, sich während des Trainings keiner zusätzlichen Infektionsgefahr auszusetzen. Das ist aber durch Abstands- und Hygieneregeln gut machbar.
body LIFE: Gibt es ein Zuviel an Sport? Oder gilt „je mehr, desto besser“?
Prof. Wilhelm Bloch: Man sollte darauf achten, das Immunsystem nicht durch zu viel Sport zu stressen. Ab wann allerdings die Abwehrkräfte in Mitleidenschaft gezogen werden, ist sehr individuell. Im Hinblick auf die Risikogruppen ist dies auch stark von der Erkrankung abhängig, unter der die jeweilige Person leidet. Generell ist eine Regeneration zwischen den Trainingseinheiten – gerade für Risikogruppen – äußert wichtig.
body LIFE: Wie können Fitnessstudios ihre Mitglieder am besten vor einer Infektion schützen?
Prof. Wilhelm Bloch: Die Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten steht hier an oberster Stelle. Studios sollten darauf achten, dass nicht zu viele Mitglieder gleichzeitig trainieren, sodass die Abstände gewahrt werden können. Weiterhin sind Desinfektionsmaßnahmen vorzunehmen. Ein ganz zentraler Punkt ist eine gute Durchlüftung. Ideal ist eine Zu- und Abluft-Klimaanlage, sodass ein mehrfacher Luftwechsel pro Stunde gewährleistet ist. An Gruppenkursen sollten weniger Mitglieder teilnehmen dürfen, sodass auch hier der Abstand eingehalten werden kann.
body LIFE: Als wie hoch erachten Sie die Gefahr, sich in einem Fitnessstudio mit SARS-CoV-2 zu infizieren?
Prof. Wilhelm Bloch: Natürlich gibt es überall ein Risiko, sich zu infizieren. Durch Abstands- und Hygieneregeln sowie ausreichendes Lüften kann dieses aber minimiert werden. Wenn das alles eingehalten wird, halte ich die Infektionsgefahr in Fitnessstudios für niedrig. Ich würde sogar sagen, dass die Gefahr, sich mit dem Virus anzustecken im Supermarkt höher ist als im Studio. Überall dort, wo wir auf Abstände achten und Maske tragen, wenn es notwendig ist, minimieren wir das Infektionsrisiko; das gilt eben auch für die Studios. Daher habe ich hier kaum Bedenken. Einzig kritisch sehe ich die Duschen, denn diese sind meistens sehr eng und die Lüftung ist oft unzureichend. Wenn die Infektionszahlen steigen, wie es ja in den vergangenen Monaten der Fall war, sollte meiner Meinung nach der Sportbetrieb unbedingt aufrechterhalten und eine weitere Schließung der Studios vermieden werden. Im Amateursport kann es sinnvoll sein, den Spielbetrieb für kurze Zeit einzustellen. Aber das Training würde ich dennoch weiterführen – bei zu hohen Zahlen würde ich allerdings immer in den gleichen Gruppen trainieren, um die Anzahl der Kontakte zu verringern.
body LIFE: Vielen Dank für das Interview!
Foto: Wilhelm Bloch