Kraftsport trotz Hypertonie?
Dos und Don‘ts beim Training mit Bluthochdruck
Bluthochdruck muss kraftbasiertes Fitnesstraining nicht ausschließen. Im Gegenteil: Spricht aus medizinischer Sicht nichts dagegen, kann der Körper davon sogar profitieren. Was vor und während des Trainings dennoch zu beachten ist, erläutert der Sportwissenschaftler David Klinkhammer.
Der Druck – in der klassischen Mechanik das Verhältnis von Kraft pro Fläche – ermöglicht in der Medizin die Durchblutung des Körpergewebes und ist somit eine wichtige Voraussetzung für die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen. Ausschlaggebend ist hier der arterielle Blutdruck, den man in einen systolischen und einen diastolischen Wert unterteilt.
Die Messung des Blutdrucks wird in der Regel mit einer Druckmanschette, die man am Oberarm anbringt, vorgenommen. Der Wert wird entweder mithilfe eines Stethoskops mittels des Korotkow-Geräuschs oder mit der weitaus geläufigeren pulsoszillometrischen Methode ermittelt. Der gemessene Wert des Blutdrucks wird in Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) angegeben.
Wann besteht „Bluthochdruck“?
In der Medizin spricht man von einer Hypertonie (Bluthochdruck), wenn ein Arzt bei zwei unterschiedlichen Messzeitpunkten in einer Woche Werte jenseits der 140/90 mmHg ermittelt hat (siehe hierzu Tabelle). Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass jeder dazu verpflichtet ist, zweimal in der Woche einen Arzt aufzusuchen, nur um eine mögliche Hypertonie präventiv ausschließen zu können. Die Messung kann ebenfalls im häuslichen Umfeld mit einem geeichten und von der Deutschen Hochdruckliga geprüften Blutdruckmessgerät selbst vorgenommen werden. Hierbei ist zu beachten, dass die Messung bereits ab einem Wert von 135/85 mm- Hg im Schnitt auf sieben aufeinanderfolgenden Tagen eine Hypertonie bestätigen könnte. Der Gang zum Arzt wäre ab diesem Zeitpunkt dann unbedingt ratsam.
Übrigens: Die Abweichungen zwischen Messwerten in der Arztpraxis und zu Hause lassen sich mit dem sogenannten Weißkittelhochdruck-Effekt erklären. Im Arztbehandlungsraum ist davon auszugehen, dass Patienten mit einer erhöhten Nervosität reagieren, was zum Anstieg des Blutdrucks führen kann.
Folgende Punkte sind bei der Selbstmessung zu beachten, um ein möglichst genaues Messergebnis zu erhalten:
- Kaffee oder andere koffeinhaltige Getränke, Nikotin oder Alkohol vor der Messung vermeiden
- Vorab zur Ruhe kommen (fünf Minuten ruhig auf einem Stuhl sitzen und nichts tun)
- Die Beine nebeneinanderstellen (nicht übereinanderschlagen)
- Die Blutdruckmanschette am Oberarm, das Handgelenk auf Herzhöhe halten
- Die Manschette immer mit direktem Hautkontakt auflegen
- Den aufblasbaren Teil der Manschette auf der Innenseite des Oberarms anlegen, der Schlauch zeigt in Richtung Hand
- Die Manschette sollte fest sitzen, aber nichts abklemmen (ein Finger sollte zwischen Manschette und Haut passen)
- Ablenkung während der Messung vermeiden
- Den Blutdruck an beiden Armen messen; an dem Arm mit den höheren Werten alle weiteren Messungen vornehmen
- Den Blutdruck dreimal in Folge messen mit 30 Sekunden Pause zwischen den Messungen. Maßgeblich ist der Durchschnittswert aus den letzten beiden Messungen
Relevanz eines erhöhten Blutdrucks
Ein chronisch erhöhter Blutdruck birgt die Gefahr von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfällen, Herzinfarkten oder Aneurysmen sowie Nierenversagen und Retinopathien. Dabei zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE) weltweit zu den häufigsten Todesursachen, die arterielle Hypertonie (AH) ist für 13,8 Prozent der durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachten Todesfälle verantwortlich3. Auffällig bei der Prävalenz von HKE ist, dass diese meist mit einem hohen Maß an körperlicher Inaktivität korrelieren. Acht Stunden täglich in einer sitzenden Tätigkeit müssen mit fünf Stunden körperlicher Bewegung pro Woche kompensiert werden, um das Risiko einer HKE zu verringern.
Anatomisch gesehen spielt für einen gesunden Blutdruck insbesondere die Beschaffenheit der Blutgefäße eine wichtige Rolle. Hierzu zählen die Hämodynamik (Strömungsgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Geometrie und Elastizität der Gefäße), die Produktion von Stickstoffmonoxid (NO; Entspannung der Gefäße, Schutz vor Verklumpung von Blutplättchen) und der periphere Arterienwiderstand. Kardiopulmonal sind die Ruheherzfrequenz und das maximale Sauerstoffvolumen (VO2max) entscheidend.
Bewegung und Sport
Die Reduktion des Körpergewichts, eine natriumärmere Ernährungsweise, ein verringerter Konsum gesättigter Fettsäuren, weniger Alkohol und schließlich mehr Bewegung führen zu einer Senkung des Blutdrucks. Häufigere Bewegung wird als Teil der Primär- und Sekundärprävention von Herz-Kreislauf- Erkrankungen empfohlen.
Der Körper reagiert auf akute körperliche Belastung im Allgemeinen mit einer erhöhten Herzfrequenz (HF), einer Vergrößerung des Blutgefäßvolumens (Vasodilatation) aufgrund einer vermehrten NO-Synthase, einem gesteigerten Blutfluss, einer erhöhten Aufnahme von Energiesubstraten und einer erhöhten Körpertemperatur (gesteigerte Stoffwechselprozesse) 7. Längerfristige Effekte, die in direktem Zusammenhang mit körperlicher Betätigung stehen, hängen von der Belastungsintensität, -dauer und -häufigkeit ab, mit der sie durchgeführt wird.
Krafttraining und Bluthochdruck
Bei der nichtmedikamentösen Behandlung der Hypertonie nimmt das Krafttraining eine besondere Rolle ein. Bewegungsempfehlungen standen bislang oft in Verbindung mit ausdauerbasierten Programmen. So konnte in randomisierten kontrollierten Studien ein regelmäßiges Ausdauertraining zu einer Verringerung – im Mittel 11/5 mmHG – festgestellt werden. Die besten Ergebnisse wurden bei 40- bis 60-minütigen Einheiten zwei bis dreimal pro Woche erzielt9. Krafttraining war bis dato kontraindiziert, da die hohen Widerstände den Anstieg des Blutdrucks nur begünstigen würden.
Zur Erklärung: Von „Krafttraining“ sprechen wir immer dann, wenn die Belastungsintensität bei > 30 Prozent vom 1-Wiederholungsmaximum (1-Rep- Max) liegt und die Impulssumme nicht länger als zwei Minuten beträgt10. Neueste Studien belegen jedoch, dass Krafttraining kein Hindernis, sondern die Lösung bei Hypertonie sein könnte. In einer Übersichtsstudie wurden insgesamt 14 Studien mit 253 unter Hypertonie leidenden Teilnehmern ausgewertet. Hierbei war der Großteil der getesteten Teilnehmer bereits mit blutdrucksenkenden Mitteln eingestellt, was auf einen schwereren Grad der Hypertonie hinweist. Die Auswertung dieser Metastudie zeigte, dass die Mittelwerte des systolischen und des diastolischen Blutdrucks nach Krafttrainingsinterventionen signifikant sanken. Insbesondere bei Protokollen mit mäßiger bis starker Belastungsintensität (> 60 Prozent/1-Rep-Max), einer Trainingshäufigkeit von mindestens zweimal pro Woche und einer Mindestdauer von acht Wochen konnten die größten Fortschritte dokumentiert werden11. Dies lässt den Schluss zu, dass Krafttraining keinesfalls ein No-Go für das Training bei Hypertonie ist. Dennoch sind einige Dinge zu beachten, denn immerhin können bei maximaler Anstrengung Blutdruckspitzen von bis zu 345/250 mmHg erreicht werden, was die Auftrittswahrscheinlichkeit eines Schlaganfalls beziehungsweise einer Herzkranzgefäßruptur stark erhöhen würde.
Fazit
Bluthochdruck ist keinesfalls ein Ausschlusskriterium für kraftbasiertes Fitnesstraining. Im Gegenteil: Die positiven Wirkungen einer solchen Intervention belegen mittlerweile auch diverse Metastudien13. Bereits ein geringeres Absenken des Blutdrucks in Ruhe um 3 mmHg könnte das Risiko einer koronaren Herzerkrankung um 5 Prozent, das Risiko für Schlaganfälle um 8 Prozent und die Gesamtmortalität um 4 Prozent senken. Zudem wirkt es sich günstig auf einige andere kardiovaskuläre Faktoren aus, wie zum Beispiel eine Erhöhung des Spitzen-VO2max-Werts sowie eine Verringerung des Körperfetts und der Plasmatriglyceride14. Bevor man mit einem Krafttraining beginnt, sollte man vor allem bei einer selbst diagnostizierten Hypertonie einen Arzt aufsuchen. So lassen sich die Schwere und andere Begleiterkrankungen diagnostizieren und die Notwendigkeit einer medikamentösen Behandlung prüfen Ist ein Krafttraining danach als unbedenklich eingestuft, gelten die o g. Dos und Don‘ts, um vom fördernden Effekt zu profitieren.
David Klinkhammer
David Klinkhammer
Der Autor ist Sportwissenschaftler, Fitness- und Athletiktrainer sowie Ernährungsberater und arbeitet als Tutor und Dozent an der Deutschen Sportakademie. Hier betreut und begeistert er die Studenten zu Themen wie Trainingsplanung- und Steuerung, Fitnesstraining in der Praxis, zielgruppenspezifische Trainingsplanung im Cardiotraining und Motivationstraining im Personal Training.
www.deutschesportakademie.de
Das ausführliche Literaturverzeichnis finden Sie über den QR-Code.
Foto: Denis Klimov– stock.adobe.com