Mobilitätstraining
Konzepte und Implementierung ins Studio
Mobilitätstraining ist in der Fitnessbranche sehr gefragt! Doch was sind die Vorteile dieses Trainings und wie können Mobility- und Beweglichkeitskurse richtig in den Studioalltag integriert werden? Lesen Sie hier, worauf es bei einer gewinnbringenden Implementierung ankommt, welches Equipment erforderlich ist und für welche Zielgruppen diese Angebote attraktiv sind.
Gerade nach der Zeit des Lockdowns mit einer erhöhten Homeoffice- Quote und weniger Bewegung als je zuvor ist ein qualifiziertes Angebot an Beweglichkeitstraining aus Fitnessstudios oder anderen Gesundheitszentren nicht mehr wegzudenken. Es geht darum, Verantwortung für die Gesundheit der Menschen zu übernehmen, die Notwendigkeit zu erkennen, dem steigenden Bewegungsmangel vorzubeugen und den Mitgliedern das wiederzugeben, was sie über Monate hinweg verloren haben – ihre natürliche Bewegung, ihre Mobilität!
Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Mobility“?
„Mobility“ ist schon lange kein exotischer Begriff der Fitnessbranche mehr, den nur Sportprofis oder Personal Trainer gebrauchen. Inzwischen wissen auch die meisten Kunden, dass ein ganzkörperorientiertes Bewegungsprogramm zum Trainingsalltag dazugehört. Doch was verbirgt sich wirklich hinter diesem Begriff? Es ist eben nicht ein moderner Titel für herkömmliches Stretching, sondern steht eher als Überbegriff für ein ganzheitliches Bewegungskonzept zur Verbesserung der Gelenkgesundheit und -beweglichkeit, der Fasziengeschmeidigkeit, der Dehnfähigkeit und der Koordination.
Was bringt Mobility Training?
Die Mobilität ist das Fundament der funktionellen Bewegung und stellt daher eines der beiden Kernelemente des Functional Trainings dar. Erst wenn eine individuell angemessene Range of Motion (ROM) vorhanden ist, können einzelne Körpersegmente in der Bewegung die erforderte Stabilität erzeugen. Sprunggelenke, Hüftgelenke, die Brustwirbelsäule und die Schultergelenke benötigen ausreichend Mobilität. Gleichzeitig müssen die Knie, die Becken-LWS-Region und die Schulterblätter maximal stabilisiert werden, um Bewegungen funktionell, ohne Ausweichbewegungen und damit einhergehenden Fehl- und Überbelastungen auszuführen. Doch diese differenzierte Betrachtung des Mobility-Konzepts erfordert noch einiges an Arbeit seitens der Studiobetreiber und Trainer, um den Mitgliedern die Notwendigkeit, gleichzeitig aber auch den Nutzen von Mobility Training zu verdeutlichen. Ziel sollte es sein, ein regelmäßiges Mobility- Programm als Selbstverständlichkeit in den Trainingsalltag zu integrieren.
Wie kann die Beweglichkeit wiederhergestellt werden?
Das Functional Training basiert auf grundlegenden natürlichen Bewegungen und einem ganzheitlichen Trainingsansatz. Es werden effiziente, alltagsnahe und zweckmäßige Übungen ausgeführt, um den gesamten Bewegungsablauf und die jeweilige Körperhaltung zu verbessern. Dazu werden mehrgelenkige integrierte Übungen auf allen drei Körperebenen durchgeführt. Einen wichtigen Baustein im Functional Training bildet das Beweglichkeitstraining, unter anderem das Mobilitätstraining. Jedes Gelenk hat einen natürlichen Bewegungsradius (Range of Motion). Ob dieser Radius voll ausgenutzt werden kann, hängt von zwei Faktoren ab: von der Beschaffenheit der Gelenkkapsel und von dem Zusammenspiel der Muskulatur und des Fasziengewebes (Beweglichkeit).
Die Wiederherstellung der Beweglichkeit folgt einem Naturgesetz. Kinder kommen sehr beweglich auf die Welt und müssen sich ihre Stabilität Schritt für Schritt erarbeiten. Darüber hinaus ergibt sich aus einem erhöhten Bewegungsradius eine bessere Propriozeption (Körperwahrnehmung), die sich wiederum positiv auf die Körperhaltung und die motorische Kontrolle auswirkt. Genauso geschieht es auch andersherum: Durch mehrfaches Üben und Trainieren muss die Mobilität der eingeschränkten Systeme langsam wieder an den natürlichen Bewegungsumfang angepasst werden. Dabei soll der Fokus auf die Gelenke gelegt werden, die in erster Linie eine Mobilitätsfunktion haben und dafür zuständig sind, Bewegungen in allen drei Bewegungsdimensionen bewusst durchzuführen, diese zu antizipieren und auch in willkürlichen Situationen ausgleichend zu reagieren. Je mehr Vielfalt und Varianz in Bezug auf die jeweiligen Gelenke in unserem motorischen Bewegungsprogramm abgespeichert sind, desto besser können sie dann in Alltagssituationen reagieren und dieses Programm bei plötzlich eintretenden Ereignissen abrufen. Verletzungen kann damit vorgebeugt werden.
„Problemlöser“ für unsere Mitglieder
Damit können zwei der Hauptaspekte für ein besseres Wohlbefinden unserer Mitglieder – Schmerzreduktion und Verletzungsprophylaxe – bedient werden. Das Wohlbefinden ist jedoch mehr als nur ein momentaner Zustand, es ist ein ständiger Prozess. In diesem Prozess treten scheinbar plötzlich „Probleme“ auf. Gestern schien noch alles in Ordnung und heute treten bei einer bestimmten Bewegung grundlos Schmerzen oder gar Verletzungen auf. Das ist zumindest die Einschätzung vieler Menschen – in ihren Augen haben diese Bewegungen zuvor immer funktioniert und auf einmal hat sich etwas verändert, sodass der Körper sie nicht mehr toleriert. Der Grund für diese aufgetretenen Probleme ist jedoch, dass die Bewegungen zu häufig in einer Dysbalance bzw. unausgeglichenen Körperhaltung ausgeführt wurden. Der menschliche Körper ist so clever, dass er Bewegungen hunderte Male ausführen kann, ohne dass es zu Schmerzen oder Verletzungen kommt, obwohl Einseitigkeit, Haltungsabweichungen oder Mobilitätseinschränkungen vorhanden sind. Dank der Körperlogik werden Prozesse in Gang gesetzt, um Lösungen für Probleme zu finden, die den Körper aus dem Gleichgewicht bringen. Dazu werden Ressourcen, beispielsweise andere Muskeln oder Gelenkaufgaben, aus anderen Funktionsbereichen abgezogen, um diese ausgleichend zur Unterstützung zu verwenden. Defizite werden über lange Zeit noch vor dem tatsächlichen Schmerzeintritt kompensiert und bleiben unbemerkt.
Warum Mobility Training in keinem Studio fehlen sollte
Was leider oft vernachlässigt wird, ist die Ursachenforschung. Warum kam es zu einer Beeinträchtigung? Wie gut funktioniert das ganzheitliche Bewegungssystem? Sind alle Strukturen mobil, die mobil sein müssen, und können Strukturen, die primär eine Stabilisationsfunktion haben, in Millisekunden auf Abruf diesem Befehl folgen? Wie schon erwähnt, hat jedes Gelenk mit seinen umliegenden Strukturen ein anatomisch- physiologisch definiertes Minimum an Mobilität, das abrufbar sein sollte, um Alltagsbewegungen qualitativ und effizient ausführen zu können. Die Erfüllung dieser Voraussetzung ermöglicht die Entfaltung des Kraft-, Ausdauer- oder auch Schnelligkeitspotenzials. Doch vielen Mitgliedern mangelt es an dieser Stelle an Wissen, Umsetzbarkeit und Disziplin, denn alles, was zunächst schwer ist oder gar wehtut, scheint uninteressant zu sein. So entsteht der Bedarf an verschiedenen Mobility-Konzepten, um möglichst vielen Trainierenden ein auf sie zugeschnittenes Angebot machen zu können.
Die Auswahl der Mobility-Konzepte richtet sich nach dem Bedarf der Mitglieder und auch nach den Schwerpunkten des Betreibers. Je nach Trainingsziel, -häufigkeit und Fitnesslevel kann den Mitgliedern von einem allgemeinen, alltagsbezogenen Bewegungsprogramm bis zu themenspezifischen, individuelleren Sessions eine ganze Bandbreite an Smallgroup-Trainings oder Kursen angeboten werden.
Kursangebote richtig in den Studioalltag integrieren
Grundsätzlich bieten sich Mobility-Sessions zwischen 20 und 30 Minuten als Smallgroup-Training auf der Trainingsfläche an, die von geschulten Flächenoder Personal Trainern durchgeführt werden können. Es empfiehlt sich seitens des Betreibers, einen Rahmen vorzugeben, der eine gewisse Kurstransparenz aufweist. Beispielsweise können pro Woche die Sessions untergliedert werden in bestimmte Körperpartien (z. B. Oberkörper und Unterkörper) oder Gelenkregionen (z. B. Schultern, Brustwirbelsäule, Hüfte etc.) oder Alltagsbewegungen (z. B. Squat und Lunge, Push und Pull etc.). So würde gewährleistet werden, dass nicht jede Session gleich abläuft, sie jedoch in dem Sinne aufeinander aufbauen, dass am Ende der Woche der ganze Körper in seiner Funktionalität im Fokus steht.
Genauso eignen sich Mobility-Kurse im Groupfitnessbereich. Hier ist Zeit und Raum für ein Ganzkörperkonzept von 30 bis 60 Minuten gegeben. Gelenke können zunächst isoliert mobilisiert werden, bevor in Anbetracht alltäglicher Bewegungsabläufe mehr und komplexere Bewegungen zu einer Vergrößerung der ROM führen. Idealerweise laufen alle Übungen dynamisch ab, um einerseits die Mobilität in der Bewegung zu trainieren, gleichzeitig aber auch eine deutliche Abgrenzung zu herkömmlichen Stretching-Stunden zu schaffen.
Durchführung und Equipment: Mobility- Programme werden in der Regel barfuß durchgeführt, um eine bessere Propriozeption zu erreichen und das Sprunggelenk mit seinen hohen Mobilitätsanforderungen bestmöglich zu trainieren. Equipment kann, muss aber nicht verwendet werden. Eine Matte und das eigene Körpergewicht sind völlig ausreichend. Je nach Mobility-Ansatz und Trainingsmethode können auch verschiedene Kleingeräte wie Faszienbälle, Faszienrollen, Fitnessbänder oder Stangen Verwendung finden.
Welche Qualifikationen sollte ein Kurstrainer mitbringen?
Voraussetzung für einen Trainer, der professionelle Mobility-Kurse unterrichtet, sollte eine fundierte und anerkannte Aus- oder Weiterbildung in Bereichen wie Functional Training, Faszientraining oder Schmerztherapie sein. Schwerpunkt der Fortbildung sollte in jedem Fall das Thema „Mobility“ oder „Körperhaltung und Bewegungsanalyse“ sein. Ein Trainer sollte ein detailliertes Verständnis für die Funktionalität des menschlichen Körpers haben, den Kursteilnehmern die Notwendigkeit von Mobility Training vermitteln können und durch sein Knowhow, gepaart mit der eigenen Kreativität, in der Lage sein, zweckmäßige und abwechslungsreiche Übungen und Bewegungsabfolgen zusammenzustellen.
Franziska Piel
Franziska Piel,
Jahrgang 1987, teilt ihre Leidenschaft seit über 16 Jahren als Buchautorin, Referentin und Coach mit ihrem Umfeld. Als Gründerin von „Heldentraining“ unterstützt sie andere Menschen dabei, ihre Ziele durch die Kombination aus Training, Lifestyle und Mindset zu erreichen. Außerdem ist sie für die IFAA als Ausbilderin tätig und bildet Trainer u. a. speziell für Functional Training mit dem Schwerpunkt Mobility aus. www.ifaa.de, www.heldentraining.com
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