Vier Typen von Outdoor-Sportlern
Über Motive, Zielsetzungen und die Art und Weise der körperlichen Betätigung
Für Menschen, die sich viel und lange in Innenräumen aufhalten, stellt Outdoor-Sport einen idealen Ausgleich dar. Da es die Menschen mehr und mehr nach draußen zieht, sollten zukunftsorientierte Fitnessstudios ihre Angebote überdenken, denn das klassische Fitnesstraining findet drinnen statt. Wie können Studios ihre Angebote nach draußen verlagern und welche Art der Angebote sind zielführend?
Wie so häufig im Marketing und in der damit verbundenen Angebotsentwicklung liegt einer der Schlüssel zum Erfolg in der Empathie – der Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Wünsche und Bedürfnisse seiner Kunden einzufühlen. Wer sich in seine Kunden hineinversetzen kann und versteht, welche Motive die Menschen nach draußen ziehen und was sie von ihrem Training erwarten, kann passgenaue Angebote entwickeln. Wer das nicht kann, produziert Angebote von der Stange und hat damit nur geringe Erfolgsaussichten. Wie aus einer Studie der Universität Bayreuth hervorgeht (vgl. Motivations-Studie Outdoor-Sport, Universität Bayreuth), gibt es vier Typen von Outdoor-Sportlern. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie lieber draußen als drinnen aktiv sind. Ganz unterschiedlich dagegen sind die Motive, die Zielsetzungen und die Art und Weise der körperlichen Betätigung.
Typ 1: Der Erlebnissportler
Wie der Name schon vermuten lässt, steht für den Erlebnissportler das Outdoor-Erlebnis im Vordergrund: der Sonnenaufgang am Morgen, der prasselnde Regen im Herbst, das Abseilen am blanken Felsen, die Höhenluft auf dem Berg oder was die Natur sonst noch zu bieten hat. Das Erlebnis steht im Vordergrund. Der Erlebnissportler muss dabei keine sportliche Höchstleistung erbringen, sondern ist ein Abenteurer und ein Variety Seeker. Er sieht den Outdoor-Sport als Unterhaltungsformat an. Die Monotonie im Studio ist nicht seine Sache – für ihn geht es darum, sportliche Aktivität mit Erlebnissen zu koppeln. Daraus zieht er seinen Nutzen. Diese Erlebnisse sollten vielseitig sein. Angebote, die ihn reizen, sind Nachtwanderungen durch die Berge oder den Wald, mehrtätige Bikepacking-Touren inklusive Gaskocher und Biwakieren oder ein Hindernislauf mit verschiedenen Stationen à la Strongman oder Tough Mudder.
Für Fitnessstudios wird es schwer, passende Angebote für diesen Sporttyp zu entwickeln, da sich Erlebnis und alltägliches Training in sich widersprechen. Dennoch erscheint es für Studios lohnend zu prüfen, welche Form von Outdoor- Erlebnissen sie ihren Mitgliedern anbieten können. Oftmals reichen hier schon einfache Angebote wie ein Kurs bei Wind und Wetter am See, ein Intervalllauf beim ersten Schnee im Winter alleoder ein Orientierungslauf im Feld. Auf der Suche nach attraktiven Erlebnissen sind keine Grenzen gesetzt.
Typ 2: Der Leistungssportler
Beim Leistungssportler steckt der Grundantrieb der sportlichen Betätigung bereits im Namen: sportliche Leistung. Für ihn gilt die einfache Maxime: höher, schneller, weiter. Leistung kann absolut sein im Sinne von Siegen bei Regional-, Landes- oder Weltmeisterschaften oder relativ im Sinne von Erzielen persönlicher Bestleistungen. Die Outdoor-Welt ist eine optimale Spielwiese für den Leistungssportler. Nirgendwo sonst findet er so viele neue Herausforderungen und Möglichkeiten, seine Leistungen weiter und geradezu beliebig steigern zu können. Outdoor bietet praktisch unendlich viele neue Herausforderungen. Es gibt immer einen Berg, der noch etwas höher ist – oder man läuft denselben Berg statt einmal gleich zwei- oder dreimal hinauf. Laufstrecken im Wald hören nicht auf, Wetterbedingungen können immer noch etwas extremer sein und die Möglichkeiten für ein Kraft- oder Crossfit-Training sind draußen praktisch unbegrenzt.
Der Leistungssportler orientiert sich in vielen Fällen an Wettbewerben und Challenges. Die Vergleichbarkeit mit anderen ist für ihn von großer Bedeutung. Somit ist es für Fitnessstudios relativ einfach, passende Angebote für den Leistungssportler zu machen. Das Ausrufen von Challenges jeglicher Art, das Organisieren von Last-Man-Standing- Events oder eine gemeinsame Everesting- Session sind nur einige Beispiele. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, denn der Leistungssportler gilt als stets offen für Neues; er sucht auch proaktiv nach neuen Herausforderungen und Möglichkeiten, seine Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen.
Typ 3: Der Naturliebhaber
Der Naturliebhaber sucht nach einer Verbindung zwischen sportlicher Aktivität und allen Sinnen. Für ihn geht es nicht primär um das Stemmen eines Gewichts oder das Zurücklegen einer Distanz in einer bestimmten Zeit – für ihn geht es um sein Wohlbefinden und um ganzheitliche Wahrnehmung. Er erfreut sich an den Pflanzen im Wald, der Kühle eines Sees oder den Blumen auf einem Berg. Für ihn ist das Zwitschern der Vögel oder die Stille der Natur motivierender als jeglicher Beat aus den Boxen im Studio oder des Kopfhörers. Auch Temperatur spielt eine große Rolle; der milde Frühling, der heiße Sommer und der kalte Winter bieten allesamt andere Empfindungen. Der Naturliebhaber nutzt Outdoor-Sport im Sinne der Erholung und weniger im Sinne der Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit. Oftmals koppelt er sportliche Aktivität an Wellnesskomponenten wie einen Outdoor-Whirlpool, eine Hot-Stone-Massage, eine SUP-Yoga- Session oder einfach nur an einen leckeren Snack oder das Lesen eines guten Buches an der frischen Luft.
Ähnlich wie der Erlebnissportler sucht auch der Naturliebhaber immer wieder nach Abwechslung und Variationen, um sich sportlich zu betätigen. Mit jeder neuen Location oder jedem neuen Sport geht ein neues natürliches Erlebnis einher. Die Vulkanlandschaft von Lanzarote bietet andere Naturerlebnisse als die Wälder- und Seenlandschaft in Finnland oder die Berge in Südtirol. Insbesondere für Studios in urbanen Regionen wird es schwierig, adäquat auf die Bedürfnisse eines Naturliebhabers einzugehen, da Natürlichkeit und natürliche Vielfalt nur sehr schwer gestaltet werden können. Trotzdem erscheint es lohnend zu prüfen, an welchen Stellen passende Angebote gemacht werden können.
Die Wellnessbranche hat den Naturliebhaber bereits für sich erschlossen und entsprechende Angebote auf den Markt gebracht. Auch Fitnessgeräte oder Trainingsequipment können eine gute Möglichkeit sein, um kleine, aber feine Naturerlebnisse drinnen wie draußen zu ermöglichen. Wasser-Rudergeräte oder hölzerne Balance-Boards in Form von Surfbrettern sind nur zwei Beispiele. Gleiches gilt für neue sportliche Übungen und Disziplinen wie Baumklettern oder Timbersports.
Typ 4: Fitnesssportler
Der Fitnesssportler ist das typische Studiomitglied und als eine Kombination aus allen bisherigen Typen anzusehen: Er sucht nach kleinen Erlebnissen im Alltag, nutzt Sport als Erholungs- und Abschaltmöglichkeit vom oftmals stressigen Alltag und verfolgt einen gewissen Leistungsanspruch – auch mit Blick auf das eigene äußerliche Erscheinungsbild. Entsprechend werden alle Elemente eines ganzheitlichen Fitnesstrainings kombiniert: Kraft, Ausdauer, Koordination und Flexibilität. Auch den Fitnesssportler, der sich lange an den klaren Strukturen und Bereichen des Studios erfreut hat, zieht es nach draußen. Das Studiotraining soll 1:1 outdoor stattfinden. Er kreiert dabei nicht sein eigenes Training, sondern folgt weiter den vorgegebenen Stationen und Übungen, die er aus dem Studio kennt.
Für den Fitnesssportler ist ein schwerer Stein kein Ersatz für eine Hantel und eine Wurzel im Waldboden kein Ersatz für einen Stepper. Das macht es für Fitnessstudios relativ einfach, ein passendes Outdoor-Angebot zu gestalten. Stationäre Formen wie moderne Trimmdich- Pfade im Wald mit vielfältigen Stationen oder ganze Outdoor-Fitnessparks, wie man sie in städtischen Parkanlagen oftmals vorfindet, sind die Spielwiesen der Outdoor-Fitnesssportler. Alternativ sind auch mobile Outdoor- Fitnessangebote denkbar. Sämtliches Trainingsequipment, wie Hanteln, Springseile, Medizinbälle, Yogamatten, Slacklines, TRX-Bänder etc., werden mit dem Auto von einem Studiomitarbeiter an den vereinbarten Trainingsort gebracht; dort wird gemeinsam trainiert und am Ende der Session wird das gesamte Equipment wieder eingepackt. Konzepte dieser Art gibt es schon sehr lange und sind historisch verankert. Sogenannte Street Workouts gab es bereits im alten Griechenland; sie erleben ihren Höhepunkt am weltbekannten Muscle Beach in Santa Monica, Kalifornien.
Fazit
Outdoor-Fitness wird sich in Deutschland unabhängig vom weiteren Verlauf der Coronapandemie etablieren. Je mehr Zeit die Menschen drinnen verbringen, desto größer ist das Bestreben, nach draußen zu gehen. Aus Kundensicht ist Outdoor-Fitness eine optimale Gelegenheit, um sich gleich zweimal etwas Gutes zu tun: das Training als solches und die Vorteile von frischer Luft, Sonnenlicht etc. Aus Studiosicht wird es wichtig sein, die Bedürfnisse seiner Kunden zu kennen und adäquate Angebote zu machen. Die unterschiedlichen Typen von Outdoor- Sportlern können und sollten bei der Ideenfindung für potenzielle Angebote ein wichtiger Ausgangspunkt sein. Wirtschaftliche Gesichtspunkte sollten bei der Angebotsentwicklung jedoch niemals außer Acht gelassen werden.
Rainer Fischer
Rainer Fischer absolvierte ein Studium an der Deutschen Sporthochschule Köln im Bereich Sportmanagement und Kommunikation (B.A.) sowie den Masterstudiengang Sportmanagement an der Fakultät für Wirtschaft der SRH Hochschule Heidelberg. Thematische Schwerpunkte lagen in den Bereichen des Markenmanagements und der ganzheitlichen organisationalen Neuausrichtung. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Senior Consultant für ein renommiertes Forschungs- und Beratungsunternehmen in der Sportbranche arbeitet er gegenwärtig als Lead Marketing Partnerships und leitet in dieser Position die Sportsponsorings eines großen Einzelhandelskonzerns. Privat ist er im Fitness- und Ausdauersport aktiv.
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