Zielgruppe Hypertoniker ist lukrativ
Prof. Dr. med. Burkhard Weisser, Facharzt für Innere Medizin/Sportmedizin, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Sportwissenschaft
In der Altersgruppe von 70 bis 79 Jahren sind drei von vier Menschen von Bluthochdruck betroffen; allein in Deutschland haben wir etwa 20 bis 30 Millionen Hypertoniker. Prof. Dr. Burkhard Weisser, der sich u. a. in der Deutschen Hochdruckliga e.V. DHL® – Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention – engagiert, spricht im Interview über Risikofaktoren, Behandlungsformen und sportmedizinische Empfehlungen. Sein Rat an Fitnessstudios: Kooperationen mit Ärzten eingehen und ein Netzwerk aufbauen, um die Zielgruppe Hypertoniker optimal zu erschließen.
body LIFE: Welche Ursachen hat Bluthochdruck?
Prof. Dr. Burkhard Weisser: Bei 90 Prozent der Patienten ist der Bluthochdruck hauptsächlich durch die Gene und auch den Lebensstil bedingt und nur bei 5 bis 10 Prozent der Patienten durch andere Erkrankungen, die man behandeln kann. In der Arztpraxis ist ein Wert von bis zu 140 zu 90 noch im Normbereich. Wenn man zu Hause misst, sollte der obere Messwert bei maximal 130–135 mmHg liegen.
body LIFE: Gibt es besonders gefährdete Personengruppen und Altersklassen?
Prof. Dr. Burkhard Weisser: Hypertonie kann im Prinzip jeden treffen. Besonders gefährdet sind jedoch ältere, inaktive sowie übergewichtige Menschen. Auch falsche Ernährung spielt eine Rolle: Besonders Menschen, die zu viel Salz essen, sind gefährdet. Es gibt hier eine gute Faustregel: 50 Prozent der 50-Jährigen, 70 Prozent der 70-Jährigen und ca. 10 Prozent der 20-Jährigen sind von Bluthochdruck betroffen. Insbesondere ab 30, 40 Jahren trifft diese Regel zu. 80 Prozent der 80-Jährigen haben Bluthochdruck; das ist allerdings nicht normal und muss behandelt werden.
body LIFE: Was sind die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse oder Studienergebnisse bzgl. Hypertonie?
Prof. Dr. Burkhard Weisser: Eine bahnbrechende neuere Studie konnte belegen, dass sich eine Therapie sogar bei über 80-Jährigen noch lohnt. Das Therapieziel sollte stets sein – vorausgesetzt, der Patient verträgt die medikamentöse Blutdrucksenkung –, möglichst einen oberen Wert um die 130 zu erreichen. Früher lag dieser Wert noch bei 160; man ist hier mittlerweile strenger geworden. Auch bei 60-Jährigen versucht man, den oberen Wert in Richtung 130 zu senken. Seit einigen Jahren gibt es außerdem die neue Empfehlung, mehrere Substanzen in einer Tablette zu kombinieren, anstatt wie früher morgens, mittags und abends verschiedene Präparate einzunehmen. Heute nimmt der Patient lediglich morgens eine Tablette, was auch die Therapie insgesamt sehr vereinfacht.
body LIFE: Welche Behandlungsmethoden und Therapieformen kommen infrage?
Prof. Dr. Burkhard Weisser: Bei den etwa 5 Prozent an Patienten, bei denen eine andere Erkrankung zugrunde liegt, kann man potenziell diese Grunderkrankung behandeln, z. B. Nierenerkrankungen oder Gefäßverengung. Bei dieser kleinen Minderheit an Patienten kann der Bluthochdruck geheilt werden. Bei den anderen 95 Prozent der Betroffenen gibt es eine Abstufung: erstens die Lebensstilmaßnahmen und zweitens die medikamentöse Therapie. Bei den Lebensstilmaßnahmen unterscheiden wir folgende große Bereiche: zum einen die Ernährung, zum anderen Sport und Bewegung und zuletzt Entspannungsmaßnahmen und Stressreduktion.
body LIFE: Welche Sportarten eignen sich für Betroffene? Gibt es auch Kontraindikationen und Sportarten, die gefährlich werden können?
Prof. Dr. Burkhard Weisser: Eine Kontraindikation wäre zunächst, wenn der Blutdruck viel zu hoch und schlecht eingestellt ist. Bis zu einem oberen Wert von 160 kann man es erst einmal mit Sport und Ernährung versuchen und muss nicht zwingend medikamentös behandeln. Wenn der Blutdruck über 160 oder sogar über 180 liegt, dann muss man erst einmal mit Medikamenten behandeln; hier könnte es gefährlich werden, auf gut Glück mit Sport zu beginnen.
Beim Sport kommt es dann gar nicht so sehr auf die Sportart an, sondern eher auf die Belastungsintensitäten. Eine Empfehlung lautet, mindestens 150 Minuten Ausdauersport pro Woche zu betreiben. Vorher sollten sich Patienten beim Arzt per Belastungs-EKG auf die Sporttauglichkeit hin untersuchen lassen. Seit den letzten Jahren gibt es die Tendenz, dass das Krafttraining bei Bluthochdruck nicht mehr kontraindiziert ist. Heute wissen wir: Wenn man die Übungen unter guter Anleitung durchführt, ohne Pressatmung etc., dann kann man zweimal pro Woche bedenkenlos ein dosiertes Krafttraining absolvieren. Bei einem EMS-Training müsste man vorab die Sporttauglichkeit mit dem Arzt besprechen und individuell entscheiden, ob diese Trainingsform infrage kommt; grundsätzlich verboten ist sie jedoch nicht.
body LIFE: Was sollten Fitnesstrainer im Umgang mit Hypertonie-Patienten beachten?
Prof. Dr. Burkhard Weisser: Vor allem müssen Trainer den Blutdruck ihrer Kunden im Blick behalten und beachten dass sie ihn auch unter Belastung messen. Dass kann man mit automatischen Geräten machen, wenn man nicht selber messen kann oder möchte. Wenn sich Trainer oder Studios auf diese sehr große Kundengruppe spezialisieren, könnte sich die Anschaffung eines Sets lohnen, mit dem man ganz einfach selbst messen kann. Bei über 100 Watt auf dem Ergometer sollte der obere Messwert nicht über 200 ansteigen, sondern idealerweise unter 180 bleiben. Darauf muss man beim Training achten; der Blutdruck sollte unter sportlicher Belastung nicht zu stark ansteigen. Das ist bei einigen Patienten jedoch der Fall – auch wenn die Ruhewerte unauffällig sind, steigen sie unter Belastung zu stark an.
body LIFE: Gibt es zurzeit genügend präventive und rehabilitative Angebote für Hypertoniker, wie etwa Bluthochdruck- Sportgruppen?
Prof. Dr. Burkhard Weisser: Solche Angebote sind in jedem Fall noch ausbaufähig. Nicht nur für Rehakliniken, sondern ganz besonders für Fitnessstudios stellt diese Zielgruppe eine lukrative Möglichkeit der Spezialisierung dar. Die Bevölkerung wird immer älter und damit steigt auch die Anzahl der an Bluthochdruck leidenden Menschen. Wenn sich Studios auf Hypertoniker spezialisieren und entsprechende Kooperationen eingehen, z. B. mit der Hochdruckliga, können sie sich diese Klientel sichern und gleichzeitig etwas Gutes im Gesundheitsbereich tun. Gesundheitssport an sich ist ein überaus großes Thema geworden – auch für kommerzielle Fitnessstudios.
body LIFE: Halten Sie Kooperationen zwischen Ärzten und Sport-/Gesundheitszentren für sinnvoll?
Prof. Dr. Burkhard Weisser: Auf jeden Fall! Wenn ich ein Fitnessstudiobetreiber wäre, würde ich mit sportinteressierten Ärzten Kontakte knüpfen und mir ein Netzwerk aufbauen. Eine Anlaufstelle bietet z. B. die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin; dort lässt sich einsehen, welche Ärzte lokal Mitglied sind oder sich mit Sportmedizin befassen. Als Arzt wiederum würde ich – wie ich es in meiner Ambulanz selbst handhabe – ein Fitnessstudio suchen, mit dem ich zusammenarbeiten möchte. Wenn ich einen Patienten betreue, habe ich nur sehr begrenzt Zeit, um ihm zu empfehlen, sich mehr zu bewegen und mehr Krafttraining zu machen. Wenn es sich z. B. um eine 70-jährige Dame handelt, der ich ein Krafttraining empfehle, ist sie womöglich überfordert, die richtige Anlaufstelle dafür zu finden. Gerade ältere Menschen müssen genau angeleitet werden, wo und wie sie trainieren können.
body LIFE: Vielen Dank für das Interview.
Foto: Prof. Dr. Burkhard Weisser